Krieg in Ukraine

Ende der Neutralität? Finnland, Schweden und die Nato

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (mittig) während sich der finnische Außenminister, Pekka Haavisto, und die Außenministerin Schwedens, Ann Linde, begrüßen. Nato-Pressekonferenz am 24. Januar 2022 in Brüssel. Finnland und Schweden sind keine offiziellen Nato-Mitglieder. Doch der russische Angriffskrieg in der Ukraine scheint die Neutralität der Staaten erneut ins Schwanken zu bringen. Treibt Wladimir Putin die Länder in die Arme der Nato?

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (mittig) während sich der finnische Außenminister, Pekka Haavisto, und die Außenministerin Schwedens, Ann Linde, begrüßen. Nato-Pressekonferenz am 24. Januar 2022 in Brüssel. Finnland und Schweden sind keine offiziellen Nato-Mitglieder. Doch der russische Angriffskrieg in der Ukraine scheint die Neutralität der Staaten erneut ins Schwanken zu bringen. Treibt Wladimir Putin die Länder in die Arme der Nato?

Helsinki. Es ist paradox: Wladimir Putin will partout verhindern, dass Finnland und Schweden der Nato beitreten - hat aber selbst dafür gesorgt, dass nun über genau diese Möglichkeit im hohen Norden erneut diskutiert wird. Der Angriffskrieg des russischen Präsidenten in der Ukraine hat in Helsinki und Stockholm die Frage aufgeworfen, ob man sich nach langer Zeit der Neutralität nicht doch um eine Nato-Mitgliedschaft bemühen sollte. Der Zuspruch dafür in der Bevölkerung ist zuletzt schlagartig gewachsen.

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Nun ist es so: Die beiden EU-Länder stehen der Nato zwar seit langem als enge Partner nahe, sind aber anders als ihre nordischen Freunde in Dänemark, Norwegen und Island keine Mitglieder des Militärbündnisses. Beide Staaten sind seit Jahrzehnten neutral und mit diesem Weg in wirtschaftlicher und anderer Hinsicht auch gut gefahren. Die nun veranlassten Waffenlieferungen an die Ukraine waren eine klare Abkehr von der lange gültigen Politik, keine Rüstungsgüter in Kriegsgebiete zu liefern - für Schweden war es gar die erste Militärhilfe, seit es Finnland 1939 gegen einen Angriff der Sowjetunion unterstützt hatte.

Finnen fühlen sich durch Russlands Kriegstreiben bedroht

Russlands Aktivitäten unter anderem in der Ostsee werden im Norden seit langem mit Argwohn beobachtet. Der Ukraine-Krieg hat dieses Misstrauen noch einmal deutlich verstärkt: Fast 80 Prozent der Finnen betrachten den russischen Kurs einer Umfrage zufolge mittlerweile als Bedrohung für ihr eigenes Land, das schließlich auf gut 1300 Kilometern Länge an das Riesenreich grenzt - das ist länger als die russischen Grenzen zu den EU-Ländern Estland, Lettland, Litauen und Polen zusammen.

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Finnlands Außenminister Pekka Haavisto und seine schwedische Amtskollegin Ann Linde halten eine Pressekonferenz über die Sicherheit in Europa am 2. Februar 2022.

Finnlands Außenminister Pekka Haavisto und seine schwedische Amtskollegin Ann Linde halten eine Pressekonferenz über die Sicherheit in Europa am 2. Februar 2022.

Die Frage der Nato-Mitgliedschaft taucht in Finnland und Schweden immer wieder auf, vor allem während sicherheitspolitischer Krisen. Etwas ist nun aber anders: Die Unterstützung für den Beitritt zum Bündnis ist durch den Ukraine-Krieg auf beiden Seiten der schwedisch-finnischen Grenze rapide gestiegen. Bei einer Umfrage in Finnland sprach sich jüngst zum ersten Mal überhaupt eine Mehrheit von 53 Prozent für einen Beitritt aus. 28 Prozent waren dagegen, 19 Prozent unentschlossen. „Dass eine Mehrheit dafür ist, dass Finnland der Nato beitritt, ist ein historisches Ergebnis“, urteilte der finnische Rundfunksender Yle.

Treibt Putin Schweden und Finnland in die Nato?

In Schweden, dass immerhin noch Finnland als territorialen Puffer zwischen sich und Russland weiß, befürworteten in einer Umfrage kürzlich 41 Prozent der Befragten eine Mitgliedschaft, während 35 Prozent dagegen waren und 24 Prozent unentschlossen. Dem Rundfunksender SVT zufolge sprachen sich erstmals mehr Befragte für einen Beitritt zur Militärallianz aus als dagegen.

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Treibt Putin die beiden nordischen Länder also eher in Richtung Nato als von ihr weg? „Ja, sicher. Das ist genau, was geschehen ist“, sagt der Politikwissenschaftler Tuomas Forsberg von der Universität von Helsinki. Früher sei die allgemeine Meinung in Finnland sehr stabil gewesen - und zwar gegen eine mögliche Nato-Mitgliedschaft. Das habe sich nun geändert, und dadurch auch die Einstellung vieler Politiker, was einen solchen Beitritt „viel, viel möglicher als zuvor“ erscheinen lasse, so Forsberg.

Wenn, dann dürften Finnland und Schweden diesen Schritt wohl zusammen gehen. Russland hat die beiden Länder mehrmals davor gewarnt. Eine russische Regierungssprecherin drohte jüngst wieder, ein Beitritt würde „ernsthafte militärische und politische Konsequenzen“ nach sich ziehen. Solche Drohungen haben Stockholm und Helsinki stets gekontert: Über die eigene Sicherheit entscheide man immer noch selbst, betonten Finnlands Präsident Sauli Niinistö und die Ministerpräsidentinnen Sanna Marin und Magdalena Andersson mehrmals.

Marin sagte nach einem Treffen mit Parteispitzen am Dienstag aber auch, man treffe einen Beschluss nicht aufgrund von Meinungsumfragen. „Eine so wichtige Frage muss gründlich behandelt werden.“ Vor einigen Wochen hatte sie noch gesagt, es sei „sehr unwahrscheinlich“, dass Finnland unter ihrer Führung Nato-Mitglied werde - dann kam der Krieg. Ist das nun schon ein Umschwung? Marin lässt sich bislang nicht in die Karten schauen.

Nato-Beitritt: Ein langer Weg

Nebenan in Schweden entschloss sich Regierungschefin Andersson zu dem in ihrem Land seltenen Schritt, eine Rede an die Nation zu halten. Zur besten Sendezeit machte sie am Dienstagabend klar: „Russlands bewaffneter Angriff ist mehr als eine Attacke auf die Ukraine, das ist eine Attacke auf das Recht jedes Landes, selbst über seine Zukunft zu bestimmen.“ Kurz hatte man das Gefühl, sie würde gleich über einen schwedischen Nato-Beitritt sprechen - die vier Buchstaben des Bündnisses nahm sie in der Rede aber nicht in den Mund.

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Eine schnelle Entscheidung in der Nato-Frage dürfte es ohnehin nicht geben, das hat unter anderen auch Niinistö mehrmals klargemacht. „Bei drastischen Veränderungen gilt es, kühlen Kopf zu bewahren“, erklärte der finnische Präsident am Donnerstag, ohne die Nato zu erwähnen. Mitten in einer akuten Krise sei es besonders wichtig, die daraus entstehenden Folgen zu bewerten - „unverzüglich, aber mit Bedacht“.

Bis dahin rücken Schweden und Finnland wegen Putin nun noch näher zusammen, sie halten gemeinsame Militärübungen ab und engen Kontakt zur Nato. Ob daraus mehr wird? Darüber gingen die Expertenmeinungen auseinander, sagt Magnus Petersson, der Leiter des Instituts für Wirtschaftsgeschichte und Internationale Beziehungen an der Universität Stockholm.

Der Weg von Umfragen bis zur Mitgliedschaft sei jedenfalls lang, erklärt er: Zunächst einmal müsse es Volksabstimmungen geben - ein riskantes Geschäft, wie der Brexit gezeigt habe. Und es sei auch nicht gesagt, dass alle 30 Nato-Mitglieder Finnland und Schweden akzeptieren würden. Anderssons Sozialdemokraten müssten zudem ihre Haltung in der Nato-Frage ändern. Ein schwedischer Beitritt? Das sei aus seiner Sicht derzeit nicht sehr wahrscheinlich.

RND/dpa

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