Kommentar zu den Energiepreisen

Entlasten – aber richtig. Warum die Gasumlage falsch konstruiert ist

Ein Gashahn (Symbolfoto)

Ein Gashahn (Symbolfoto)

Berlin. Selten zuvor waren die Deutschen so stark verunsichert. Die Corona-Pandemie kam so schnell, dass kaum jemand einen Gedanken fassen konnte, bevor schon der erste Lockdown da war. Doch nun ist bereits seit Längerem klar, dass ab dem Herbst harte Zeiten anbrechen werden. Niemand weiß allerdings, wie schlimm es genau wird. Und was macht die regierende Ampelkoalition? Sie tut das, was sie am besten kann, nämlich miteinander streiten.

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Überflüssiger Streit um kalte Progression

Da wäre zum Beispiel der völlig überflüssige Disput über die Pläne von Finanz­minister Christian Lindner über den Ausgleich der kalten Progression. Es wäre absurd, ausgerechnet jetzt, wo die Gesellschaft von einer Rekordinflation im Würgegriff gehalten wird und die heimliche Mehr­belastung besonders hoch ist, auf diesen Ausgleich zu verzichten.

Die Kritik der Grünen, die Pläne seien sozial ungerecht, ist wohlfeil. Es liegt in der Natur des Steuer­systems, dass Menschen mit einem niedrigen Einkommen eine geringere Steuerlast haben als Gutverdiener und damit – in Euro und Cent ausgedrückt – durch den Ausgleich der kalten Progression auch geringer entlastet werden. Anders als Scholz zuvor will Lindner sogar dafür sorgen, dass die absoluten Spitzen­verdiener nicht zusätzlich profitieren.

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Aber das ist ohnehin nur ein Nebenaspekt bei der nötigen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Die Koalition sollte als Erstes ermitteln, wer durch die steigenden Energie­preise tatsächlich besonders stark belastet ist . Hier hilft es nicht, auf alt­her­gebrachte Weise ganze Bevölkerungs­gruppen zu definieren. Der Rentner ist nicht per se hilfsbedürftig, genauso wenig wir der Student. Angesichts der Arbeits­markt­lage sind beispielsweise Studentinnen und Studenten durchaus in der Lage, kurzfristig Geld hinzu­zu­verdienen. Das können etwa Eltern, die Vollzeitjobs mit übersichtlichen Gehältern haben, nicht.

Damit das Geld zielgerichtet ankommt, muss die Einkommens­situation zudem mit den individuellen Energiekosten in Beziehung gesetzt werden. Nur diejenigen, die einen über­proportionalen Anteil ihres Haushalts­einkommens für Energie ausgeben müssen, sollten unterstützt werden. Es muss möglich sein, die dazu erforderlichen Daten unbürokratisch zu erfassen und auszuwerten.

Bund muss Gasumlage vor­finanzieren

Außerdem sollte die Gasumlage dringend überdacht werden. Um die Menschen nicht zusätzlich zu belasten, könnte sie zunächst teilweise oder sogar ganz vom Bund vorfinanziert werden. Erst wenn sich die Preise in zwei oder drei Jahren stabilisiert haben, sollte sich Lindner das Geld von den Energie­kunden schrittweise wieder zurück­holen. Dieses Prinzip könnte sogar auf die Gaskosten an sich ausgeweitet werden, um eine Art Preisdeckel finanzieren zu können. Der Vorteil: Der Staat hätte Zeit gewonnen, sich eine gute Lösung zu überlegen, um am Ende tatsächlich nur die wirklich Bedürftigen zu unterstützen.

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Klar ist in jedem Fall: Die von Lindner so vehement verteidigte Schulden­bremse wäre durch dieses Vorgehen nicht tangiert, schließlich gäbe er den Bürgerinnen und Bürgern lediglich einen (zinslosen) Kredit. Im politischen Gegenzug könnte er auf die Forderung der Grünen eingehen, den Ausgleich der kalten Progression so zu stricken, dass Spitzen­verdiener absolut gesehen nicht stärker entlastet werden als Menschen mit geringem Einkommen. Dazu gibt es im Tarifverlauf der Einkommen­steuer genug Stellschrauben.

Es reicht längst nicht mehr aus, den Slogan von Kanzler Olaf Scholz, man werde niemanden zurücklassen, gebets­mühlen­artig zu wiederholen. Nötig sind jetzt – und nicht erst im Herbst – kreative und pragmatische Lösungen.

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