Bund will Visaerleichterungen für Menschen aus der Türkei und Syrien
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Außenministerin Annalena Baerbock (links) und Innenministerin Nancy Faeser wollen Visaerleichterungen für die Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien.
© Quelle: IMAGO/Fotostand
Die von der Erdbebenkatastrophe betroffenen Menschen in der Türkei und in Syrien sollen unkompliziert bei ihren Verwandten in Deutschland Unterschlupf finden können. Auswärtiges Amt und Bundesinnenministerium hätten eine „Taskforce“ gebildet, schrieb Außenministerin Annalena Baerbock beim Kurznachrichtendienst Twitter. „Ziel ist, Visaverfahren für Betroffene so unbürokratisch wie möglich zu machen“, betonte die Ministerin. Dafür habe die Bundesregierung in der Türkei das Personal an Auslandsvertretungen verstärkt.
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Viele Menschen haben keine Pässe
Geplant ist, dass die obdachlos gewordenen Menschen mit Verwandten in Deutschland ein dreimonatiges reguläres Visum erhalten sollen, das schnell erteilt werden soll. Das heißt also, die Bundesregierung will vor allem das Tempo erhöhen, in dem Menschen aus den betroffenen Gebieten eine Einreisegenehmigung bekommen könne. Sie werden dafür gültige Pässe benötigen, über die längst nicht alle Menschen in der Türkei und in Syrien verfügen – entweder weil sie keine Pässe besitzen, diese abgelaufen sind oder sie unter den Trümmern der Häuser liegen. Zudem müssen die in Deutschland aufnehmenden Angehörigen in der Lage sein, ihre Verwandten zu versorgen.
Seuchengefahr in Katastrophenregion wächst
In den Regionen, wo Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, drohen irgendwann Seuchen, sagt ein erdbebenerfahrener Mediziner.
© Quelle: Reuters
„Hier sind die türkischen Behörden gefragt, so schnell wie möglich den Menschen neue Papiere zu erstellen“, sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg, Gökay Sofuoglu, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Es werde für alle ein Aufwand sein, „aber in dieser schwierigen Lage sollten die Behörden sowohl in Deutschland, aber auch in der Türkei alles daransetzen, dass diese Menschen reisen können“. Sofuoglu verwies darauf, dass in der Türkei die Menschen über E-Staat registriert seien, „auch wenn sie ihre Papiere verloren haben, können sie sich kenntlich machen“.
Opferzahlen steigen stündlich
Immer noch steigen die Opferzahlen stündlich. Am Sonntagmittag, als die Zahl der Todesopfer bereits mit 30.000 angegeben wurde, verbreiteten die UN, dass sie mit mehr als 50.000 Toten infolge des Erdbebens rechnen. Millionen Menschen sind obdachlos geworden.
Die Türkische Gemeinde forderte eine schnelle Bearbeitung der Anträge der Einreisewilligen. „Der Bedarf ist gerade sehr groß“, sagte Sofuoglu. „Ob drei Monate ausreichen, hängt davon ab, wie sich die Lage in der Türkei entwickelt“, betonte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde. Aber drei Monate könnten für die Menschen, die nun seit einer Woche in der Kälte draußen seien, eine Hilfe sein. Sie seien traumatisiert und hätten Angst, dass die Nachbeben immer mehr Schaden anrichteten. Drei Monate könnten sowohl für die Opfer, aber auch für die Angehörigen in Deutschland eine gewisse Entspannung bedeuten. „Die Angehörigen, die in Deutschland leben, sind bereit, für Unkosten ihrer Angehörige aus der Türkei aufzukommen“, berichtete Sofuoglu aus Telefonaten mit türkischstämmigen Menschen. Er forderte: „Es geht nun um schnellere Bearbeitung der Visaanträge.“
CDU begrüßt Visaerleichterungen
Auch von der Union im Bundestag kam Zuspruch zum Vorhaben der Regierung. „Ich habe viele Freunde, die Familie in der Region haben und jetzt verzweifelt versuchen, ihre Liebsten hierhin zu holen. Ich würde in so einer Situation nicht anders handeln“, sagte die CDU-Abgeordnete Serap Güler dem RND. Deshalb begrüße sie es, dass die Bundesregierung hier schnellere Visaverfahren ermöglichen wolle. Sie mahnte zugleich Hilfe vor Ort an. „Die Lage ist äußerst dramatisch, nach der jetzigen Chaosphase, wo es darum geht, Menschen aus den Trümmern zu befreien, muss schnell mit dem Wiederaufbau begonnen werden.“ Dabei sei die internationale Gemeinschaft besonders gefragt. „Die Türkei wird dies nicht alleine schaffen.“
Die Kurden fordern hingegen, dass es keine bedingungslose Unterstützung für den von Recep Tayyip Erdogan geführten Staat gibt. Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, forderte, Druck auf den türkischen Präsidenten auszuüben. „Erdogan hat uns all die Jahre erpresst“, sagte er dem RND. „Jetzt ist er angeschlagen, und wir haben die Möglichkeit, Druck auf ihn auszuüben. Es muss Schluss damit sein, dass er die Kurden und seine Nachbarn bedroht.“ Toprak warf dem türkischen Staat vor, komplett zu versagen. Viele Ortschaften hätten bis heute keine Hilfe erhalten. „Deshalb ist die Wut so groß.“ Plünderer würden teilweise gefoltert und gelyncht. Besonders ausgeprägt seien jetzt die Aggressionen gegen syrische Flüchtlinge. „Die Wut der Menschen soll auf die kleinen Diebe gelenkt werden“, so Toprak. „Doch der große Dieb ist eigentlich Erdogan selbst.“