Erster Kriegsverbrecherprozess: Ukraine verurteilt russischen Soldaten zu lebenslanger Haft
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23.04.2022, Ukraine, Kiew: Ein russischer Soldat wartet auf den Beginn einer Gerichtsverhandlung in Kiew. Der 21‑Jährige hatte vor Gericht in der ukrainischen Hauptstadt ausgesagt, auf Befehl einen 62‑jährigen Zivilisten im Dorf Tschupachiwka im Gebiet Sumy erschossen zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat lebenslange Haft beantragt.
© Quelle: Natacha Pisarenko/AP/dpa
Im ersten ukrainischen Kriegsverbrecherprozess ist ein 21 Jahre alter russischer Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht in Kiew sah es am Montag nach einem Geständnis des Mannes als erwiesen an, dass der Panzersoldat nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 28. Februar einen unbewaffneten 62‑jährigen Zivilisten erschoss. Nach dem weltweiten Entsetzen über russische Gräueltaten in der Ukraine war dies der erste vor Gericht verhandelte Fall. Der Beschuldigte hat nun 30 Tage Zeit, um Berufung einzulegen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.
Wadim Sch. zeigte in seinem Schlusswort in der vergangenen Woche Reue.
Ich bedauere es. Ich bereue es sehr. Ich habe mich nicht geweigert und ich bin bereit, alle Maßnahmen zu akzeptieren, die verhängt werden.
Wadim Sch.,
erster verurteilter russischer Kriegsverbrecher seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine
Sein Verteidiger Viktor Owsjannikow forderte zwar Freispruch. „Er hat einen Befehl ausgeführt, wenngleich es ein verbrecherischer Befehl war“, sagte der Anwalt. Aber die Staatsanwaltschaft lässt das nicht gelten. Nun entschied auch das Gericht zugunsten der Staatsanwaltschaft. „Das ist nur einer von vielen Fällen, die sich nach dem 24. Februar zugetragen haben. Eine Frau hat ihren Mann verloren, Kinder ihren Vater, Enkel ihren Großvater“, sagte Staatsanwalt Andrij Sinjuk.
Erster Kriegsverbrecherprozess: Russischer Soldat in Kiew verurteilt
Im ersten ukrainischen Kriegsverbrecherprozess ist ein 21 Jahre alter russischer Soldat verurteilt worden.
© Quelle: dpa
Soldat will sich zunächst geweigert haben
Wadim Sch., der aus der Region Irkutsk in Sibirien stammt, schilderte, dass er und seine Panzerkolonne nach Russlands Einmarsch in die Ukraine unter Beschuss geraten seien. Sie hätten dann ein Auto gestohlen, um zu fliehen. Und der ältere Mann sei Zeuge gewesen. „Dort war ein Mann, der per Telefon redete. Fähnrich Makejew befahl zu schießen“, sagte Wadim Sch. vor Gericht. Der ihm nicht näher bekannte Makejew habe ihn angeschrien. Nach einer ersten Weigerung habe er einen kurzen Feuerstoß abgegeben. Die Gruppe aus insgesamt fünf Soldaten habe befürchtet, verraten zu werden, erklärte er.
Später dann habe er sich selbst in Gefangenschaft begeben, denn er habe leben und „nicht kämpfen“ wollen. „Ich streite meine Schuld nicht ab.“ Ein anderer russischer Soldat, der sich mit ihm in Gefangenschaft begab, bestätigte vor Gericht die Version. Der Befehlsgeber sei 25 bis 30 Jahre alt gewesen, sagte der Zeuge. Ihnen sei erzählt worden, dass der Offizier inzwischen tot sei.
Zu erwarten ist inzwischen eine ganze Welle an Prozessen in der Ukraine und in Russland. Am Ende könnten sich die Seiten dabei einmal mehr auf Gefangenenaustausche einigen. Für die Ukraine aber ist das erst der Beginn der Aufarbeitung zahlloser Kriegsverbrechen seit Beginn der russischen Invasion vor drei Monaten.
Der Kiewer Journalist Wolodymyr Solkin, der Wadim Sch. traf und inzwischen viele Interviews mit Gefangenen und auch Müttern toter russischer Soldaten geführt hat, zeigte sich entsetzt, dass da kaum jemand Bescheid wisse, was Russland in der Ukraine treibe. Er fragt Wadim Sch. am Ende auch, was er seinen Kameraden rate. Der Gefangene sagt, dass alle die Waffen niederlegen sollten.
RND/dpa/hyd
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