Stresstest für die Hauptstadt

„Es ist eine Verpflichtung zu helfen“: Geflüchtete Ukrainer kommen in Berlin an

Berliner Hauptbahnhof: Personen nehmen ankommende ukrainische Flüchtlinge zu sich nach Hause auf

Berliner Hauptbahnhof: Personen nehmen ankommende ukrainische Flüchtlinge zu sich nach Hause auf

Berlin. An Gleis 13 am Berliner Hauptbahnhof herrscht am Donnerstag Gedränge. „Liebe Menschen aus der Ukraine, willkommen in Berlin“, ertönt eine Durchsage in verschiedenen Sprachen. Gerade sind wieder Hunderte Geflüchtete mit dem Zug angekommen.

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Allein mit fünf Direktzügen aus Warschau trafen nach Angaben der Berliner Sozialverwaltung schon am Mittwoch 3000 bis 4000 Menschen in Berlin ein, am Donnerstag wurden noch mehr erwartet. Nicht alle bleiben in der Hauptstadt, viele reisen weiter zu Verwandten oder Bekannten in anderen Teilen Deutschlands oder den Nachbarländern. Aber alle stehen erst einmal in Berlin auf dem Bahngleis. Die Hauptstadt steht vor einem Stresstest.

Auf die Flüchtlinge warten zahlreiche freiwillige Helferinnen und Helfer. Es gibt eine Essensausgabe mit einer warmen Mahlzeit, Äpfel, Bananen und Brötchen. Die Freiwilligen verteilen auch Kleidung und Corona-Masken, unterstützen Geflüchtete beim Ticketkauf und bei der Übersetzung. Auf ein Stück Malerkreppband haben sie die Sprachen geschrieben, die sie sprechen, und an ihre grünen oder orangenen Westen geklebt.

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„Es ist chaotisch, aber wir sind jeden Tag organisierter“, sagt Alina Drokina, eine der freiwilligen Helferinnen im Ankunftsbereich. Am Mittwoch wurde dieser Bereich erst einmal vergrößert, das habe das Gedränge und das Chaos etwas verringert.

Berlin ist „der große Dreh- und Angelpunkt“ für ukrainische Flüchtlinge - so hat es die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey formuliert. Und die Zahl der Geflüchteten, die in der Hauptstadt ankommen, steigt weiter. Bei den ursprünglich erwarteten 20.000 werde es nicht bleiben, sagt Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) am Donnerstag.

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„Am Montag haben wir über unsere Strukturen 350 untergebracht, am Dienstag 1400 - von einem Tag auf den anderen ein Anstieg um den Faktor vier.“ Am Mittwoch kamen laut Kipping nach vorläufigen Zahlen 1700 Menschen an, von denen 1000 in andere Bundesländer gebracht wurden. „Heute sind es noch einmal deutlich mehr, die insgesamt kommen.“ Kipping ließ keinen Zweifel an der Dimension der Aufgaben: „Das, was auf uns zukommt, wird enorm.“

Zu den Geflüchteten gehört auch Alina Katschan aus der Ostukraine. Sie ist am Donnerstag mit ihrer Mutter und ihren zwei jüngeren Brüdern in Berlin angekommen. „Drei Tage sind wir jetzt gefahren und insgesamt sechs Mal umgestiegen“, sagt sie. Die Fahrt sei sehr anstrengend gewesen. Ihre Brüder seien dermaßen erschöpft, dass sie keine Kraft mehr zu sprechen hätten, und wenn sie etwas sagten, sei es sehr wirr.

Sie berichtet aber auch von einer großen Hilfsbereitschaft der Menschen auf ihrer Flucht. „Viele haben uns auf der Durchfahrt geholfen, das war schön und hat vieles vereinfacht.“ Für Alina Katschan und ihre Familie geht es am Donnerstag nach Köln weiter, dort haben sie Familie, wollen aber nur so lange dort bleiben, wie nötig. Der langfristige Plan sei es, nach dem Krieg wieder in ihre Heimat zurückzukehren.

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Einige Geflüchtete bleiben aber auch in Berlin. Für diejenigen, die keine Verwandten oder Freunde haben, gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Unterbringung. Sie können zunächst mit Bussen zum Ankunftszentrum in Berlin-Reinickendorf fahren und von dort zu Unterkünften in verschiedenen Bezirken der Hauptstadt gebracht werden.

Es gibt aber auch Berliner und Berlinerinnen, die bereit sind, die Geflüchteten bei sich zu Hause aufzunehmen - so wie Doro Friedrich und Andreas Waskowski. Friedrich steht im Ankunftsbereich im Berliner Hauptbahnhof mit einem Schild. „Zwei Erwachsene“ steht darauf auf Deutsch und in kyrillischen Buchstaben. „Es ist eine Verpflichtung. Wir haben Platz, also helfen wir“, sagt Waskowski. Doro Friedrich ergänzt: „So fühlt man sich etwas weniger hilflos.“

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Berlin richtet sich darauf ein, dass schon bald noch mehr Flüchtlinge kommen. „Wir haben Kontakt zu Menschen, die an der polnisch-ukrainischen Grenze sind, die berichten, dass es tagelange Warteschlangen gibt“, sagt Sozialsenatorin Kipping. „Und die werden nicht alle in Polen bleiben.“ Berlin stehe vor einer historischen Herausforderung. „Die Dimension ist unfassbar. Es ist wahrscheinlich die größte Flüchtlingsbewegung in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer ganz eigenen und schnellen Dynamik.“

RND/dpa

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