Schweigt die Behörde, gilt die Genehmigung als erteilt

Maximal ein Monat: EU‑Kommission will Genehmigungen für Solaranlagen drastisch beschleunigen

Kollektoren für Solarenergie sind auf einem Dach am Frankfurter Flughafen installiert.

Kollektoren für Solarenergie sind auf einem Dach am Frankfurter Flughafen installiert.

Brüssel/Frankfurt. Die EU-Kommission will die Energiekrise mit drastisch verkürzten Genehmigungs­verfahren bekämpfen. So soll es künftig in der Union maximal einen Monat dauern, bis Solaranlagen auf Gebäuden genehmigt sind. Das geht aus einem Entwurf für eine neue Richtlinie der Brüsseler Behörde hervor, die dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Das Papier soll bereits an diesem Mittwoch vorgestellt werden.

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Die neue Notfall-Richtlinie soll den Ausbau von Fotovoltaik- und die Umrüstung von Wind­kraft­anlagen in der EU schnell vorantreiben. Konkret schlägt die Kommission vor, dass die EU‑Mitglieds­staaten Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien als von übergeordnetem öffentlichem Interesse definieren. Für diese Projekte solle es dann sofort einfachere Genehmigungs­verfahren geben.

Schweigt die Behörde, gilt die Genehmigung als erteilt

Die Bestimmungen sollen zunächst für ein Jahr gelten, bei Bedarf aber verlängert werden. Auf die Entbürokratisierung der Genehmigungs­verfahren hatten sich die Staats- und Regierungs­chefs der EU‑Staaten bereits bei ihrem Gipfeltreffen am 20. Oktober in Brüssel geeinigt.

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Viele der Vorschläge erinnern an Schritte der Bundesregierung, mit denen Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG) in Rekordzeit errichtet werden sollen. Auch EU‑Kommission setzt vor allem auf kurze Fristen. So soll bei Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von weniger als 50 Kilowatt eine fehlende Rückmeldung der Behörden innerhalb eines Monats dazu führen, dass die Genehmigung als erteilt gilt.

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Auch bei Ausbau und Erneuerung von Wind- und Solaranlagen (Repowering) will EU‑Kommission Genehmigungs­prozesse inklusive der Erweiterung des Netzanschlusses und der Bewertung von Umwelt­auswirkungen auf weniger als ein Jahr eindampfen. Wird eine Leistungserhöhung von weniger 15 Prozent umgesetzt, so soll der Netzanschluss sogar innerhalb eines Monats erfolgen. Bei Solarprojekten, die keine zusätzliche Fläche beanspruchen, will Brüssel die Umwelt­verträglichkeits­prüfung streichen. Und bei Wärmepumpen soll der gesamte Prozess der Installation drei Monate nicht überschreiten. Für kleinere Anlagen mit weniger als zwölf Kilowatt Leistung wird vorgeschlagen, von einer Genehmigung für den Netzanschluss von vornherein auszugehen.

Bei Energieexperten stößt das Konzept der EU‑Kommission auf Zustimmung. „Endlich kommt der Booster für die Erneuerbaren“, sagte der Grünen-Europa­abgeordnete Michael Bloss dem RND. Anstatt als Bittsteller bei Gas- und Öldiktaturen vorstellig zu werden, müsse die Europäische Union den Ausbau der erneuerbaren Energien priorisieren. „Die Freiheitsenergien liegen in den Fesseln bürokratischer Genehmigungs­verfahren. Hier muss ausgemistet werden“, sagte Blos: „Wir brauchen freie Fahrt für Sonne und Windkraft.“

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„Ein guter Anfang“

Der Vorschlag der EU‑Kommission sei „ein guter Anfang, aber es muss weitergehen“, sagte Bloss: „Die Mitgliedss­taaten müssen die Entbüro­kratisierung jetzt schnell beschließen, sodass sie noch dieses Jahr in Kraft treten.“ Zudem müsse nach der „Notfall­gesetz­gebung“ schnell ein ordentliches Gesetz zum Ausbau der erneuerbaren Energien beschlossen werden, forderte der Grünen-Politiker.

Investoren beschweren sich nicht nur hierzulande seit Jahren über lange Genehmigungs­fristen. Zum Teil dauert es bis zu sechs Jahre, bis beispielsweise ein neuer Windpark an Land errichtet werden kann. Laut Branchenkennern liegen in Deutschland derzeit Windräder mit einer Leistung von etwa zehn Gigawatt (das entspricht acht Atomkraftwerken) bei den Behörden zur Bewilligung.

Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (BNE) betont: „Die EU‑Kommission will LNG-Geschwindigkeit für Fotovoltaik, Windenergie und Wärmepumpen. Das ist genau richtig, um die Energiepreise zu senken und die Abhängigkeit von Gas zu reduzieren“, sagte er dem RND. Lange Genehmigungs­verfahren seien heute die größten Hürden für eine schnelle Energiewende.

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Auch bei Wärmepumpen soll’s schneller gehen

Positiv sei unter anderem die geplante Beschleunigung beim Repowering. „Vorhandene Solarparks können so ihre Leistung in kurzer Zeit erhöhen und damit einen noch stärkeren Beitrag zur Versorgungs­sicherheit leisten. Weil moderne Module deutlich mehr Erträge bringen als ältere, kann dadurch schnell viel zusätzlicher erneuerbarer Strom erzeugt werden – und das auf bestehenden Flächen“, erläutert Busch. Nach dem Plan der EU‑Kommission sollen beim Repowering von Solarparks Naturschutz- und Ausgleichs­anforderungen nicht erhöht werden, sofern die neue Anlage nicht mehr Fläche in Anspruch nimmt.

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Eine wichtige Klarstellung bringe das Papier auch für die Windenergie an Land: Wenn angemessene Artenschutz­maßnahmen ergriffen werden, gelten Vogelkollisionen nicht als vorsätzlich. Damit könnten Genehmigungs­prozesse deutlich verschlankt werden.

Auch für die Installation von Wärmepumpen bedeuten die Vorschläge aus Buschs Sicht deutlich mehr Tempo. Wärmepumpen sollen in drei Monaten in Betrieb gehen, und deren Netzanschluss wird deutlich vereinfacht. Auch die Kombination aus eigener PV‑Anlage und Wärmepumpe könne wesentlich attraktiver und unkomplizierter werden. „Die Vorschläge der EU‑Kommission sind begrüßenswert und werden hoffentlich schnell zu geltendem Recht“, so der BNE-Chef.

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