Parlament, Kommission, Rat: Was Sie über die EU wissen müssen
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Der spanische Abgeordnete Nacho Sánchez Amor spricht bei einer Plenartagung vor dem Europäischen Parlament in Straßburg (Archivfoto).
© Quelle: IMAGO/Future Image
Die Europäische Union ist mit ihren vielen Organen in ihrer Komplexität gar nicht so leicht zu überblicken. 27 Mitgliedsstaaten sind Teil des Bündnisses. Das erfordert viel Bürokratie und Organisation. Die sieben Organe der EU versuchen, das zu gewährleisten.
Das sind die sieben Organe der EU
- Europäisches Parlament
- Europäischer Rat
- Rat der Europäischen Union
- Europäische Kommission
- Gerichtshof der Europäischen Union
- Europäische Zentralbank
- Europäischer Rechnungshof
Die vier wichtigsten Beschlussfassungsorgane sind der Europäische Rat, der Rat der Europäischen Union, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission. Was sie unterscheidet und welche Aufgaben sie haben, lesen Sie in der Übersicht.
Was ist die Europäische Kommission?
Die EU-Kommission ist das ausführende Organ der Union, also die Exekutive der Gemeinschaft. Sie entspricht damit der Regierung in staatlichen Systemen. Die Kommission besteht aus 27 Mitgliedern, je eins pro Mitgliedsstaat. Die Mitglieder der Kommission, die EU-Kommissarinnen und -Kommissare, werden von den Regierungen der EU-Staaten nominiert und anschließend vom Europäischen Parlament gewählt. Die Kommissarinnen und Kommissare sollen in ihren Entscheidungen unabhängig sein, sie vertreten nicht die Interessen der jeweiligen EU-Herkunftsländer. Sitz der Kommission ist die belgische Hauptstadt Brüssel.
Welche Aufgaben hat die Europäische Kommission?
Die Aufgabe der EU-Kommission ist es, die Wahrung der Europäischen Verträge zu gewährleisten und die gemeinsamen Interessen der Union zu vertreten. Gegebenenfalls kann die Kommission beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen einen EU-Staat einreichen. Außerdem hat die Kommission im europäischen Gesetzgebungsverfahren (bis auf einige Ausnahmen) als einziges Organ das Initiativrecht. Das bedeutet, allein die Kommission kann auf eigene Initiative Gesetzesvorschläge einbringen, über die der Ministerrat und das Europäische Parlament dann verhandeln.
Die Präsidentin der EU-Kommission ist seit dem 1. Dezember 2019 die deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen. Der Kommissionspräsident oder die Kommissionspräsidentin wird vom Europäischen Rat nominiert und anschließend vom Europäischen Parlament mit absoluter Mehrheit gewählt.
Laut EU-Vertrag muss der Europäische Rat bei seinem Vorschlag das Ergebnis der Europawahl berücksichtigen. Bei der Europawahl 2019 wurde die Europäische Volkspartei mit dem Spitzenkandidaten Manfred Weber aus Deutschland stärkste Fraktion. Doch Weber stieß bei den Staats- und Regierungschefs des Europäischen Rats auf starken Widerstand, sodass entgegen der Regelung nicht Weber, sondern schließlich Ursula von der Leyen vom Europäischen Rat als Kommissionspräsidentin vorgeschlagen und schließlich vom Parlament gewählt wurde.
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Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht im Europäischen Parlament.
© Quelle: Philipp von Ditfurth/dpa
Das Amt des Kommissionspräsidenten beziehungsweise der Kommissionspräsidentin wird alle fünf Jahre, analog zur Wahlperiode des Europäischen Parlaments, neu besetzt.
Was ist das Europäische Parlament?
Das Europaparlament ist das Parlament der Europäischen Union und wird alle fünf Jahre von den Bürgerinnen und Bürgern der EU bei den Europawahlen gewählt. Es ist damit das einzige direkt gewählte Organ der Europäischen Union und versteht sich als Vertretung der Menschen im Hinblick auf die EU-Gesetzgebung. Der Sitz des Parlaments befindet sich in Straßburg in Frankreich. Die Ausschüsse und Fraktionen des Parlaments tagen jedoch in Brüssel. Das Generalsekretariat des Parlaments hat seinen Standort wiederum in Luxemburg.
Parlamentspräsidentin ist seit dem 18. Januar 2022 die maltesische Politikerin Roberta Metsola. Als Präsidentin des EU-Parlaments hat Metsola den Vorsitz bei den Plenarsitzungen und repräsentiert das Parlament in allen Außenangelegenheiten. Der Präsident beziehungsweise die Präsidentin wird vom Parlament mit absoluter Mehrheit gewählt. Die Amtszeit beträgt zweieinhalb Jahre, also eine halbe Legislaturperiode des Parlaments.
Welche Aufgaben hat das Europaparlament?
Das Europaparlament hat drei wesentliche Aufgaben: Gesetzgebung, Haushaltskontrolle und parlamentarische Kontrolle.
Die große Mehrheit aller Gesetze werden vom Europäischen Parlament diskutiert und erlassen – gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union ist es somit das gesetzgebende Gremium der Union. Beim sogenannten ordentlichen Gesetzgebungsverfahren bringt die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag ein. In jeweils zwei Lesungen haben das Parlament und der Rat die Möglichkeit, Änderungen an dem vorgeschlagenen Gesetzestext einzubringen. In der dritten Lesung müssen Rat und Parlament dann einen gemeinsamen Text verabschieden. Bei Uneinigkeit wird ein Vermittlungsausschuss eingesetzt.
Das Parlament entscheidet ebenfalls gemeinsam mit dem Rat, wie viel Geld wofür ausgegeben wird. Es bestimmt also über den EU-Haushalt. Dem Parlament kommt außerdem eine Kontrollfunktion gegenüber den anderen Institutionen der EU zu, vor allem der Kommission.
Der Präsident oder die Präsidentin der Europäischen Kommission muss vom Parlament bestätigt werden. Ebenso wie die Mitglieder der Kommission, die Kommissarinnen und Kommissare. Das Parlament kontrolliert und bewertet auch den Umgang der Kommission mit dem Vorjahreshaushalt.
Wer sitzt im Europäischen Parlament? Und wie wird es gewählt?
Anders als in vielen Nationalstaaten ist das Europäische Parlament nicht in Regierung und Opposition aufgeteilt. Stattdessen setzt es sich gemäß weltanschaulicher Fraktionen zusammen, die aus Europaabgeordneten mit ähnlichen politischen Ansichten bestehen. Je nach Abstimmungsthema bilden sich im Europäischen Parlament somit wechselnde Mehrheiten. Innerhalb der Fraktionen organisieren sich die Abgeordneten in sogenannten nationalen Delegationen, die jeweils die Mitglieder einer nationalen Partei umfassen.
Nach der Europawahl 2014 umfasste das Parlament maximal 750 Sitze zuzüglich des Präsidenten, also 751 Abgeordnete. Nach dem Brexit im Jahr 2020 und dem damit verbundenen Ausscheiden der britischen Abgeordneten hat sich das Parlament auf 705 Abgeordnete reduziert. Diese verteilen sich auf sieben Fraktionen. 42 Abgeordnete sind fraktionslos. Die Wahl zum Europäischen Parlament, auch Europawahl genannt, findet seit 1979 alle fünf Jahre statt. Jeder Mitgliedsstaat wählt seine Abgeordneten getrennt.
Die Umsetzung der Wahl bleibt den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen, so ist das Wahlsystem in den einzelnen Ländern durchaus unterschiedlich. Allerdings gibt es seit 2004 eine gewisse Vereinheitlichung des Wahlrechts. So müssen die Mitgliedsstaaten bei der Europawahl die Verhältniswahl anwenden, auch wenn sie ihre nationalen Wahlen nach einem anderen Prinzip abhalten. Verhältniswahl bedeutet, dass die nationalen Parteien Gruppen von Kandidatinnen und Kandidaten in Form von Wahllisten aufstellen.
Die Mitglieder des EU-Parlaments
Größere Staaten haben grundsätzlich mehr Abgeordnete als kleinere Staaten, allerdings haben größere Staaten im Durchschnitt weniger Abgeordnete pro Einwohner als kleinere. Die Zahl der Sitze eines Mitgliedsstaates spiegelt also nicht alle Wählerstimmen gleich wider. Dieses Prinzip wird „degressive Proportionalität“ genannt. So soll gewährleistet sein, dass auch kleineren Staaten im Europäischen Parlament die Möglichkeit gegeben wird, mit einer Parteienvielfalt repräsentiert zu sein, wofür eine gewisse Mindestgröße der nationalen Delegationen notwendig ist.
Deutschland hat nach der Europawahl 2019 mit 96 Abgeordneten die meisten Sitze im Europaparlament. Gemessen an der Bevölkerung entspricht das 1,16 Sitzen auf eine Million Einwohner. Malta, Luxemburg und Zypern haben mit jeweils 6 Abgeordneten die wenigsten Sitze. Im Fall von Malta entspricht das 14,1 Sitzen auf eine Million Einwohner.
Welche Fraktionen gibt es im EU-Parlament?
Die Mitglieder des Parlaments teilen sich derzeit nach ihren politischen Ansichten auf sieben Fraktionen auf. Fraktionen müssen mindestens 25 Abgeordnete umfassen. Fraktionen können jederzeit während der Wahlperiode gebildet werden. EU-Abgeordnete können nur einer Fraktion angehören. Sie können sich jedoch auch keiner Fraktion anschließen und bleiben fraktionslos. Folgende Fraktionen sind derzeit im Parlament vertreten:
- Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), Christdemokraten – 176 Abgeordnete
- Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament (S&D) – 145 Abgeordnete
- Fraktion „Renew Europe“, Liberale und Zentristen – 103 Abgeordnete
- Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz (Grüne/EFA) – 71 Abgeordnete
- Fraktion Identität und Demokratie (ID), Rechtspopulisten, Rechtsextreme – 65 Abgeordnete
- Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), Konservative und EU-Skeptiker – 64 Abgeordnete
- Die Linke (GUE/NGL) – 39 Abgeordnete
Europäischer Rat, Rat der Europäischen Union, Europarat – was ist der Unterschied?
Die Regierungen der Mitgliedsstaaten sind in zwei Gremien vertreten, im Europäischen Rat und im Rat der Europäischen Union. Der Europäische Rat setzt sich aus den 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten zusammen. Hinzu kommen die Präsidentin der Europäischen Kommission, derzeit Ursula von der Leyen, und der Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, derzeit Josep Borrell. Mindestens zweimal pro Halbjahr findet sich der Rat zu einem Treffen in Brüssel ein, das auch als EU-Gipfel bezeichnet wird.
Auch der Rat der Europäischen Union besteht aus je einem Regierungsvertreter der Mitgliedsstaaten, aber nicht zwangsläufig dem Regierungschef oder der Regierungschefin. Der Rat der Europäischen Union tagt je nach Politikbereich in verschiedenen Formationen. Die Mitgliedsstaaten entsenden daher oft die entsprechenden Fachministerinnen und Fachminister. Aus dem Grund wird der Rat der Europäischen Union auch Ministerrat genannt.
Der Vorsitz der verschiedenen Ratsformationen wechselt unter den Mitgliedsstaaten im halbjährlichen Rhythmus, die sogenannte Ratspräsidentschaft. Alle Ratsformationen tagen in der Regel zweimal pro Ratspräsidentschaft. Mehr zur EU-Ratspräsidentschaft lesen Sie hier.
Der in Straßburg ansässige Europarat hat übrigens nichts mit der EU zu tun. Das ist eine eigenständige internationale Organisation mit 47 Staaten.
Europäischer Rat und Rat der Europäischen Union – was sind die Aufgaben?
Der Europäische Rat ist zuständig für grundsätzliche, allgemeine Fragen zur Ausrichtung und Zukunft der EU. Beim EU-Gipfel werden bei wichtigen politischen Themen Kompromisse zwischen den Mitgliedsstaaten ausgehandelt. Die Sitzungen werden vom Präsidenten des Europäischen Rats, derzeit Charles Michel, geleitet.
Der Rat der Europäischen Union ist die Stimme der Regierungen von EU-Mitgliedsländern und kann daher als Staatenkammer bezeichnet werden, im Gegensatz zum Europäischen Parlament als Bürgerkammer. Die Aufgabe des Rats der Europäischen Union ist es, Rechtsvorschriften zu diskutieren, zu ändern und anzunehmen. Gemeinsam mit dem Parlament ist der Rat der Europäischen Union das Hauptbeschlussorgan der EU.
Warum gibt es das Einstimmigkeitsprinzip?
Viele Entscheidungen der EU müssen gerade im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik einstimmig beschlossen werden. Das bedeutet: Je mehr Mitglieder es gibt, desto schwieriger wird es, zu einer Einigung zu kommen. Deswegen gibt es seit Jahren eine Diskussion darüber, das Einstimmigkeitsprinzip aufzuweichen. Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich bereits dafür ausgesprochen. Das Problem: Auch das müsste einstimmig beschlossen werden.
Das Einstimmigkeitsprinzip stammt aus der Anfangsphase der Europäischen Gemeinschaft. Damals bestand das Bündnis aus sechs Ländern (Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg). Nach einem Streit über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik drohte Frankreich damit, den Ratstagungen fernzubleiben. In der Folge einigte man sich 1966 auf das Prinzip der Einstimmigkeit. Seitdem hat diese Regelung bei Angelegenheiten, die die Mitgliedsstaaten als sensibel betrachten, Bestand. Doch die Forderungen nach einer Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips wird immer lauter.
Heute besteht die Europäische Union aus 27 Mitgliedsstaaten. Beschlüsse werden dadurch wesentlich komplizierter. Kritikerinnen und Kritiker bemängeln, dass einige Staaten ihr faktisches Vetorecht regelmäßig missbrauchen, um die Gemeinschaft zu erpressen und nationale Interessen durchzusetzen.
Welches EU-Organ hat die größte Macht?
Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Die verschiedenen Institutionen sind zum Teil aufeinander angewiesen und kontrollieren sich selbst. Allerdings lässt sich sagen: Der Europäische Rat, in dem die 27 Staats- und Regierungschefs zusammenkommen, hat mit die größte Verantwortung in der politischen Ausrichtung der EU.
In Artikel 15 des EU-Vertrags von 2009 heißt es, der Europäische Rat gibt „die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse und legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten hierfür fest“.
Außerdem beschäftigt sich der Europäische Rat mit wichtigen Debatten, die im Rat der Europäischen Union, also auf Ministerebene, keine Einigung erzielen konnten. Die daraus resultierenden Ergebnisse sind für das Rechtssystem der EU zwar nicht verbindlich. Doch da die Staats-und Regierungschefs in ihren jeweiligen Staaten meist Richtlinienkompetenz besitzen, dienen sie den Ministerinnen und Ministern als Empfehlung für die Verabschiedung von Gesetzen und Beschlüssen bei den Treffen des Ministerrats.
Auch die Europäische Kommission orientiert sich oft an den getroffenen Kompromissen des Europäischen Rates. Die Kommission überwacht und kontrolliert wiederum die Einhaltung der europäischen Gesetze in den einzelnen Mitgliedsstaaten und somit auch teilweise die Arbeit der 27 Staats-und Regierungschefs, die im Europäischen Rat vertreten sind.
Dem Parlament kommt insofern eine gewisse Macht zu, als dass es – im Gegensatz zur Kommission – Gesetze tatsächlich beschließen kann. Anders als der Ministerrat orientiert sich das Parlament als gewählte Interessenvertretung dabei nicht unbedingt an den Empfehlungen des Europäischen Rats, sondern am Willen der europäischen Bürgerinnen und Bürger.
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