Knallhart, kompromissbereit, gescheitert

EU will Asylrecht verschärfen: Diese Politik fahren Australien, die USA und Großbritannien

Migrantinnen und Migranten warten an der mexikanischen Grenze zu den USA.

Migrantinnen und Migranten warten an der mexikanischen Grenze zu den USA.

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Die Asylverfahren in der EU sollen angesichts der Probleme mit illegaler Migration deutlich verschärft werden. Eine breite Mehrheit von EU-Staaten verständigte sich am Donnerstag nach jahrelangen Verhandlungen auf Pläne für eine weitreichende Reform des EU-Asylsystems.

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Vorgesehen ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Migrantinnen und Migranten ohne Bleibe­perspektive. So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahme­einrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurück­geschickt werden.

So lauten die Pläne, die vom EU-Parlament aber noch final angepasst werden könnten. Wie die Diskussion rund um Asylpolitik und illegale Migration in anderen Teilen der Welt aussehen, zeigen Blicke ins knallharte Australien, in die um legale Einwanderung bemühten USA und in das mit seiner scharfen Politik nach dem Brexit (bislang) gescheiterte Großbritannien.

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Knallhart: Australiens umstrittene Asylpolitik

Australien fährt seit 2013 eine strikte Asylpolitik, die international sehr umstritten ist: Asylanträge können nur noch aus Drittländern gestellt werden. Boote mit Asylsuchenden werden abgefangen und in ihre Ausgangshäfen zurück­geschickt. Wenn die Boote seeuntüchtig waren, wurden die Menschen in von Australien finanzierte Lager in Nachbar­ländern gebracht. Dort sollten ihre Asylanträge geprüft werden.

Die Australier wollten Menschenschmugglern damit das Handwerk legen. Zur weiteren Abschreckung verfügte die Regierung, dass kein Bootsflüchtling – selbst ein schutzbedürftiger – sich je in Australien niederlassen darf. Bei einem Asylanspruch sollten Drittländer zur Aufnahme gefunden werden.

Zwei Lager zur Prüfung von Asylanträgen wurden eingerichtet: Auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus sowie auf Nauru im südlichen Pazifik. Die Menschen harren dort teils seit Jahren ohne Perspektive aus. Die Vereinten Nationen haben diese Praxis schon als „sehr schockierend“ bezeichnet, Menschen­rechts­gruppen sprechen von „systemischer Folter“ und einem „unnötig grausamen“ Vorgehen.

Laut eines Berichts der Menschen­rechts­organisation Human Rights Watch vom Februar 2022 hält Australien Asylsuchende durchschnittlich 689 Tage in Einwanderungshaft – länger als jede andere westliche Demokratie. 117 Menschen seien sogar für mehr als fünf Jahre inhaftiert worden. Acht Asylsuchende hätten mehr als zehn Jahre in Einwanderungshaft verbracht.

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Human Rights Watch erklärte: „Menschen allein aufgrund ihres Einwanderungs­status festzuhalten, ist schädlich, teuer und als Abschreckung gegen Migration unwirksam.“ Die Regierung solle aufhören, Menschen zu bestrafen, die möglicherweise vor Gewalt und Unrecht geflohen seien, „und rechtskonforme Alternativen“ anbieten. Vor allem Kinder hätten wegen des Verfahrens „unermessliches Leid“ durchgemacht.

EU-Staaten einigen sich auf Verschärfung des Asylverfahrens

Die EU-Staaten arbeiten seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 an einer weitreichenden Reform des EU-Asylsystems.

USA: Biden bemüht sich um mehr legale Migration

In den vergangenen Jahren haben die USA eine restriktive Einwanderungs­politik verfolgt, die mit Verweis auf die Corona-Pandemie das Recht auf Asyl dramatisch einschränkte: bekannt nach dem zugrunde­liegenden Gesetzes­paragrafen als Title 42. Eingeführt unter Ex-Präsident Donald Trump im März 2020, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, hielt auch dessen demokratischer Nachfolger Joe Biden zunächst daran fest. Er wollte die Verordnung aber dann 2022 abschaffen. Republikaner klagten dagegen mit der Begründung, dass die Beschränkungen für die Grenzsicherheit notwendig seien. Gerichte entschieden, dass die Regelungen in Kraft bleiben.

Migranten, darunter auch Asylsuchende, konnten dadurch weiter umgehend nach Mexiko abgeschoben werden. Knapp drei Millionen Mal wurde das seit März 2020 gemacht. Doch es gab keine rechtlichen Folgen für jene, die immer wieder versuchten, illegal über die Grenze zu gelangen.

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Im Januar 2022 kündigte die Biden-Regierung das Ende der landesweiten Corona-Maßnahmen an, was die Grenzverordnung einschloss. Der Präsident erklärte die neuen Änderungen für notwendig, unter anderem weil der Kongress seit Jahrzehnten keine Einwanderungs­reform verabschiedet habe. Title 42 lief am 12. Mai 2023 aus.

Erklärtes Ziel der Biden-Regierung ist es nun, die illegale Einwanderung unattraktiver zu machen und gleichzeitig mehr legale Möglichkeiten zu schaffen, sich in den USA anzusiedeln. Wer nun beim Versuch eines illegalen Grenzübertritts erwischt wird, darf fünf Jahre lang keinen erneuten Versuch unternehmen; andernfalls drohen strafrechtliche Folgen.

Nach der neuen Regelung können seit Mai pro Monat bis zu 30.000 Menschen aus Haiti, Kuba, Nicaragua und Venezuela als Asylsuchende in die USA kommen, wenn sie zuvor einen Online­antrag gestellt haben, einen Bürgen nachweisen können und an einem Flughafen ankommen. Pro Tag können zudem bis zu 1000 Menschen über die Landgrenze aus Mexiko kommen, wenn sie zuvor einen Termin über eine App vereinbart haben – doch Termine sind heiß begehrt und Wartezeiten lang. Nach dem Grenzübertritt gelten für die Asylsuchenden Ausgangs­beschränkungen und sie werden zum Teil überwacht. Denn in der Vergangenheit tauchten viele in den USA unter, noch bevor es zu einer Anhörung in ihrem Asylverfahren kam.

Nach US-amerikanischem und internationalen Recht darf jeder, der in die Vereinigten Staaten kommt, Asyl beantragen. Zu diesem Zweck kommen Menschen aus der ganzen Welt an die US-mexikanische Grenze. Die Behörden prüfen, ob den Asylbewerberinnen und ‑bewerbern im Heimatland Verfolgung droht. Dann gehen die Fälle an Einwanderungs­gerichte, wo die Verfahren mehrere Jahre dauern können.

Jetzt weist die Regierung alle Asylsuchenden ab, die sich nicht zunächst um Schutz in einem Transitland bemüht oder einen Online­antrag gestellt haben. Ähnliche Regelungen hatte auch Trump durchsetzen wollen, war aber vor Gericht damit gescheitert. Auch diesmal bemühten sich Gegner der neuen Maßnahmen bis zuletzt, diese zu stoppen.

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Großbritannien will Asylpolitik weiter verschärfen

Die britische Regierung will mit scharfen Gesetzen die Einreise von unerwünschten Migrantinnen und Migranten verhindern. Das Vorhaben kommt nach Ansicht von Kritikern einem Asylverbot gleich: Wer auf unerwünschten Wegen im Vereinigten Königreich ankommt, soll festgehalten und möglichst schnell in ein anderes als sicher geltendes Land abgeschoben werden – ohne Rücksicht auf den Flüchtlings­status.

Doch trotz des Brexits erreichte der Zuzug von Menschen nach Großbritannien im vergangenen Jahr einen Rekordwert. Die Zahlen seien „zu hoch“, sagte Premier­minister Rishi Sunak, dessen konservative Regierung versprochen hatte, die Zuwanderung deutlich einzuschränken, Ende Mai. Konservative Hardliner dürften nun noch lauter schärfere Maßnahmen gegen Migrantinnen und Migranten fordern.

„Take back control“ – der Wunsch nach mehr Kontrolle über die eigenen Grenzen – war eine der wichtigsten Parolen der Brexit-Befürworter. Tatsächlich wanderten 2022 einer Schätzung zufolge gut 600.000 Menschen mehr nach Großbritannien ein, als das Land verließen, wie das Statistikamt ONS mitteilte. Das waren 118.000 mehr als noch 2021. Der frühere Regierungschef Boris Johnson hatte versprochen, die Zuwanderung auf unter 250.000 Menschen pro Jahr zu senken.

Auch gegen die irreguläre Einreise über den Ärmelkanal will London härter vorgehen. Im vergangenen Jahr reisten etwa 45.000 Menschen in kleinen Booten über die Meeresenge nach Großbritannien ein. Mit schärferen Asylgesetzen soll ihnen der Zugang zu Schutz in Großbritannien künftig versagt werden. Dass die Zahl dieser nicht erwünschten Migranten zuletzt zugenommen hat, liegt auch am Brexit: Denn seitdem gibt es keine Rücknahme­abkommen mehr mit der EU. Wie das Innen­ministerium mitteilte, warten knapp 175.000 Menschen auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag – auch das ein Rekord.

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Der Ton verschärft sich. So bezeichnete Innenministerin Suella Braverman die Ankunft irregulärer Migrantinnen und Migranten als „Invasion“. Ein andermal berichtete sie von ihrem „Traum“, diese Menschen so schnell wie möglich abzuschieben. Kritiker warnen, die Rhetorik stachele zu Hass gegen Einwanderinnen und Einwanderer an.

Mit Agenturmaterial.


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