Macrons Versprechen: Frankreich streitet über aktive Sterbehilfe
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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
© Quelle: Ludovic Marin/AFP/dpa
Paris. Wenn ab Freitag 150 per Los ausgewählte Französinnen und Franzosen als Mitglieder einer neuen Bürgerkonvention zusammenkommen, beginnt eine schwierige Aufgabe für sie. Bis März sollen sie Empfehlungen für ein selbstbestimmtes Lebensende ausarbeiten, die als Grundlage für ein neues Gesetz dienen, das Präsident Emmanuel Macron bis Ende 2023 umsetzen will.
Macron hatte in seinem Wahlkampf versprochen, die Sterbehilfe oder Beihilfe zur Selbsttötung unter bestimmten Bedingungen zu legalisieren, ähnlich wie in Belgien oder in der Schweiz. „Ich bin überzeugt davon, dass wir etwas tun müssen, da es unmenschliche Situationen gibt“, sagte er. Der Ansatz, Bürgerinnen und Bürger einzubinden, ist nicht neu. Bereits in Macrons vorheriger Amtszeit gründete er einen Rat aus 150 ausgelosten Personen, um Vorschläge für eine nachhaltigere Umweltpolitik zu erarbeiten.
Den legalen Rahmen für das Lebensende in Frankreich bildet das Claeys-Leonetti-Gesetz aus dem Jahr 2016. Es sieht eine „tiefe und kontinuierliche Sedierung“ unheilbar kranker Menschen bis zu ihrem Tod vor, die mit großem Leiden konfrontiert sind und deren nahes Lebensende absehbar ist. In Sonderfällen kann eine medizinische Behandlung auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten oder der Patientin hin beendet oder reduziert werden.
Fehlen der Palliativmedizin in Frankreich die Mittel?
Fachleute kritisieren allerdings fehlende Mittel für die Palliativmedizin in Frankreich. Dem Nationalinstitut für demografische Studien (Ined) zufolge gibt es jedes Jahr zwischen 2000 und 4000 Fälle illegaler Sterbehilfe, während Zehntausende Menschen diese im Ausland in Anspruch nehmen.
Im Oktober empfahl der nationale Ethikrat die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in Frankreich „unter bestimmten strengen Bedingungen“. Der Rückgriff auf sie solle Volljährigen zur Verfügung stehen, die an schweren und unheilbaren Krankheiten leiden und deren Lebenserwartung „mittelfristig“ begrenzt ist, hieß es.
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Krankenschwester nach Corona-Impfung seit einem Jahr krank: „Ich bilde mir das nicht ein!“
Vivien Villwock ließ sich gegen Corona impfen. Wochen nach der zweiten Spritze stellten sich bei der Mutter zweier Kinder aber schwere Symptome ein, die denen von Long Covid ähneln und für das Post-Vac-Syndrom sprechen könnten. Seit 14 Monaten ist die 37-Jährige krankgeschrieben, hat nun sogar einen Behindertenausweis.
Einwände äußerten hingegen die Vertreter aller Religionsgemeinschaften. So schrieben die Mitglieder der katholischen Bischofskonferenz in einem offenen Brief, Schwerstkranke sollten begleitet und nicht fallen gelassen werden: „Besteht die tiefste Erwartung nicht vielmehr in der aktiven Lebenshilfe als in der aktiven Sterbehilfe?“, fragten sie. Auch Papst Franziskus, den Macron im Oktober bereits zum dritten Mal im Vatikan besuchte, sprach sich vor einer Delegation französischer Abgeordneter gegen die Euthanasie aus. „Wenn man mit einer Rechtfertigung tötet, wird man immer mehr töten“, warnte er.
Diskussion in Frankreich seit Jahrzehnten geführt
Die Diskussion um ein selbstbestimmtes Lebensende wird in Frankreich seit Jahrzehnten geführt. Unter anderem die „Vereinigung für das Recht, in Würde zu sterben“ setzt sich dafür ein. In einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut IFOP im Februar 2022 durchgeführt hat, befürworteten 89 Prozent der Französinnen und Franzosen die gesetzliche Erlaubnis der Sterbehilfe für Menschen, die unter unerträglichen Schmerzen und nicht therapierbaren Krankheiten leiden. Diese öffentliche Meinung bestehe seit rund zehn Jahren, hieß es in der Studie.
Auch unter den Abgeordneten zeichnet sich eine Mehrheit für eine Legalisierung ab. Zu den kritischen Stimmen zählt hingegen jene des Konservativen Jean Leonetti, Arzt und Co-Autor des aktuellen Gesetzes. „Ich bin für die Debatte an sich, denn der Tod ist ein Tabu in der westlichen Welt“, sagte er. Doch bei der Beihilfe zur Selbsttötung handele es sich um eine wesentliche Grenzüberschreitung. Auch kritisierte er, dass die Antwort schon feststehe, noch bevor der Bürgerrat die Arbeit aufnahm: Der Präsident habe ein entsprechendes Gesetz ja schon versprochen.
Haben Sie Suizidgedanken? Dann wenden Sie sich bitte an folgende Rufnummern: Telefonhotline (kostenfrei, 24 Stunden), auch Auskunft über lokale Hilfsdienste: (0800) 111 0 111 (ev.), (0800) 111 0 222 (r.-k.), (0800) 111 0 333 (für Kinder/Jugendliche)