Bremens Bürgermeister: Gaspreisdeckel muss früher kommen – Experte warnt vor Fehlsubvention
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/QAWA2B5CWRFAFPGH46LR4TGXY4.jpg)
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte im Plenarsaal bei der 1022. Sitzung im Bundesrat in Berlin.
© Quelle: IMAGO/Political-Moments
Bremen. Zur Entlastung von Gaskunden fordert Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) die Bundesregierung auf, die zugesagten Energiehilfen nachzubessern. Es sei richtig, dass die Bundesregierung den Gaspreis deckeln wolle. „Der Deckel aber kommt im März, am Ende der Heizperiode für viele Haushalte und auch für viele Unternehmen zu spät“, sagte Bovenschulte der Deutschen Presse-Agentur. „Der Bund muss deshalb den Deckel entweder früher umsetzen oder - sollte das zeitlich nicht möglich sein - nicht nur wie geplant für den Dezember, sondern für einen weiteren Monat den Abschlag auf die Gasrechnung übernehmen.“
Ähnlich äußerte sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Er sieht in der geplanten Gaspreisbremse die Chance, die Proteststimmung in Teilen der Bevölkerung zu entspannen. „Es braucht jetzt konkrete, präzise und auch nachvollziehbare Entlastungsschritte“, sagte der CDU-Politiker in einem ZDF-Interview am Samstag. „Und je schneller wir das haben, desto besser.“
Die von der Regierung eingesetzte Expertenkommission hatte Anfang der Woche ein Stufenmodell vorgelegt. Dieses sieht in diesem Dezember eine Einmalzahlung und im kommenden Jahr eine Gaspreisbremse für private Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen sowie für industrielle Verbraucher vor. Die Deckelung soll im März 2023 starten. Diese Gaspreisbremse soll ein zentrales Rettungsinstrument der Bundesregierung in der Energiekrise sein.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/SUXJXPIWORDNBLHNMVWTSMEM5M.png)
Unbezahlbar
Unser Newsletter begleitet Sie mit wertvollen Tipps und Hintergründen durch Energiekrise und Inflation – immer mittwochs.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Bisher sei die geplante Entlastung für viele Menschen noch nicht nachvollziehbar. „Natürlich ist es misslich, dass wir jetzt darüber reden und nicht schon vor vier Wochen, aber man muss der Bundesregierung jetzt die Chance geben, diesen Weg zu gehen, die Gaspreise zu deckeln und eine vernünftige Regelung zu finden“, sagte Kretschmer.
Auf die Frage, mit welcher Sorge er auf die Energieproteste schaue, antwortete Kretschmer, man müsse mit den Menschen im Gespräch bleiben. „Wir haben eine Chance, dieses Thema zu klären, es gibt eine Idee für eine Gaspreisbremse, einen Tunnel durch diese schwere Zeit und jetzt geht es um die Ausgestaltung und die muss vernünftig gemacht werden.“
„Die explodierten Energiepreise und die anhaltend hohe Inflation belasten Menschen und Unternehmen in unserem Land seit Wochen enorm - insbesondere Familien, Alleinerziehende und Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen ächzen angesichts der gestiegenen Kosten, aber auch Handwerksbetriebe und Firmen mit einem relevanten Energiebedarf“, sagte Bovenschulte. Falls die zugesagten Hilfen nicht früher kämen, wüssten viele Haushalte und Unternehmen am Ende des Winters nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollten.
Energieexperte zur Gaspreisbremse: Das Geld ist weg
Der Energieexperte Volker Quaschning von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft sieht die Einführung einer Gaspreisbremse kritisch. „Das Geld, was wir in die Gaspreis-Subvention stecken, ist weg“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Das fließt nach Katar oder in die USA. Das sind keine Investitionen, die uns voranbringen.“ Überdies reduziere die Subvention den Anreiz für Verbraucherinnen und Verbraucher, Energie zu sparen. Dadurch könne in der zweiten Hälfte des Winters das Gas ausgehen.
Andererseits sehe er, dass derzeit viele Menschen finanzielle Hilfe brauchen, weil sie von den hohen Preisen überfordert seien. Er plädierte dafür, die soziale und die Energiefrage zu trennen und konsequent die erneuerbaren Energien auszubauen. Das Argument, dass sich Menschen mit geringem Einkommen Erneuerbare nicht leisten könnten, diene dazu, notwendige Veränderungen zu verhindern. „Wir müssen Menschen in die Lage versetzen, mögliche Mehrkosten zu bezahlen, beispielsweise durch ein höheres Existenzminimum“, sagte er.
Eine Umstellung auf erneuerbare Energien dürfte Quaschning zufolge insgesamt zu einer Senkung der Preise führen. Windstrom sei mit fünf bis sechs Cent pro Kilowattstunde heute schon deutlich billiger als Energie aus Kohle und Gas. Die Preise für Erneuerbare würden auch mittelfristig deutlich unter den Preisen für fossile Energie liegen.
Vorschläge zur Gaspreisbremse: Scholz sieht „sehr gute Grundlage“
Beim Gipfel des Maschinenbauverbandes VDMA sagte der Bundeskanzler, die Gasspeicher in Deutschland seien inzwischen zu 95 Prozent gefüllt.
© Quelle: Reuters
Werde die Ausbaugeschwindigkeit im Vergleich zum vergangenen Jahr verachtfacht, sei der komplette Umstieg auf Erneuerbare in 10 bis 15 Jahren zu schaffen, schätzt Quaschning. Schon jetzt nehme der Einbau von Wärmepumpen und die Installation von Solarzellen deutlich zu. Die „Achillesferse Nummer eins“ sei hier die Bürokratie, sagte er: „Es ist nicht einzusehen, warum wir in vier Monaten ein Gasterminal planen und genehmigen können und für einen Windpark dafür acht Jahre brauchen.“
Quaschning beklagte eine soziale Schieflage beim Ausbau regenerativer Energien. „Das Problem ist, dass wir für Öl und Gas kontinuierlich bezahlen, während ich für ein Windrad oder ein Solarmodul das Geld am Anfang auf einmal auf den Tisch legen muss“, erläuterte er.
Es sollten jedoch nicht nur besserverdienende Wohnungseigentümer von einer eigenen Solaranlage profitieren können. „Mieter sind darauf angewiesen, dass der Vermieter die Heizung austauscht, das Gebäude dämmt oder eine Solaranlage aufs Dach schraubt“, sagte der Experte. „Da brauchen wir gesetzliche Vorgaben, damit jeder Mieter Anspruch auf Strom vom Dach hat.“
RND/dpa/epd