Gerhard Schröder und andere zeigen, wie Deutschland im Ukraine-Konflikt versagt
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Altbundeskanzler Gerhard Schröder hat – erwartbar – im Ukraine-Konflikt Partei ergriffen.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Gerhard Schröder hat am Wochenende getan, was er seit Jahren tut: Der ehemalige Kanzler der Bundesrepublik Deutschland hat einseitig Partei ergriffen für das autoritäre Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dabei hat er gegenüber der ukrainischen Seite, an deren Grenze 100.000 Soldaten zu einem etwaigen Einmarsch bereitstehen, tatsächlich „Säbelrasseln“ vorgeworfen. Das ist zum Lachen, wenn es nicht zum Weinen wäre. Denn alle wissen, dass der ehemalige SPD-Politiker, der ein starker Kanzler war, mit Russland geschäftlich verbunden ist. Deshalb, aber nicht nur deshalb, nimmt seine einschlägigen Äußerungen niemand mehr ernst.
Alarmierend, ja gefährlich ist allerdings, dass darüber hinaus größere Teile der Sozialdemokratie den Eindruck erwecken, als sei nicht etwa Putins Russland der Aggressor, sondern als stünden sich mit Russland auf der einen Seite und der Ukraine und den westlichen Staaten auf der anderen Seite zwei Konfliktparteien gegenüber, die irgendwie einen ähnlichen Anteil an dem Konflikt hätten. Entsprechend agiert die SPD denn auch. Waffenlieferungen an die Ukraine werden ausgeschlossen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wirbt sogar ungebremst weiter für die Inbetriebnahme von Nordstream 2. Die SPD badet im Ukraine-Konflikt gerne lau.
Dabei wähnt sich die Partei auf den Spuren Willy Brandts, verkennt jedoch unter anderem, dass die russische Aggression, die mit der Besetzung der Krim und dem Stellvertreterkrieg in der Ostukraine 2014 begonnen hat, mit wachsender Repression nach innen einhergeht. Putin lässt im Berliner Tiergarten Andersdenkende erschießen, Alexej Nawalny ins Straflager stecken, Frozen Conflicts an der Peripherie nicht zu einer Lösung kommen. Und, was das Schlimmste ist: Er hält den syrischen Diktator Baschar al-Assad, der Hunderttausende auf dem fehlenden Gewissen hat, im Amt. Anders als ein Angriff auf die Nato vor 1989 würde ein Angriff auf die Ukraine heute auch nicht automatisch zu einem großen Krieg oder gar einem Atomkrieg führen. Die Kriegsgefahr ist deshalb sehr real.
Appeasement wirkt letztlich konfliktverschärfend, weil Putin damit keinen Grund hat, zurückzuweichen. Es ist eher eine Einladung, den Preis für ein Zurückweichen weiter in die Höhe zu treiben. Längst wird Deutschland wegen dieser Leisetreterei europäisch auffällig.
Bei der Linken ist es – wieder einmal – noch krasser. Während sich andere darüber amüsieren, dass die Bundeswehr 5000 Schutzhelme an die Ukraine liefern will, schrieb Fraktionschefin Amira Mohamed Ali dazu: „Schluss mit diesem Säbelrasseln!“ Das ist peinlich grotesk und hat doch Methode. Bedeutende Teile der Linken stehen autoritären Regimes in Moskau oder Peking ideologisch näher als dem demokratisch organisierten Westen. Da wirkt das Gedankengut der SED und der westdeutschen K-Gruppen weiter. Näher an Putin ist nur noch die AfD.
Freilich verhalten sich auch Teile von Union und FDP, bisweilen aus wirtschaftlichen Gründen, indifferent gegenüber dem russischen Tun. Die Grünen wiederum, die mehrheitlich anders ticken, nehmen sich mit ihrer Außenministerin Annalena Baerbock in dieser Gemengelage stärker zurück, als sie es in der Opposition vermutlich täten. So entsteht ein insgesamt diffuses Bild der deutschen Außenpolitik.
Viele, ja zu viele Akteure in Berlin und anderen Teilen der Republik verkennen, worum es eigentlich geht: Putins Spiel ist ein Teil der globalen Auseinandersetzung zwischen Autoritarismus und Demokratie. Er will die Europäische Union schwächen und die USA aus Europa herausdrängen. Es geht mindestens ebenso sehr um Freiheit wie um Frieden. Dass Gerhard Schröder dies nicht begreift, lässt sich verschmerzen. Dass andere es nicht begreifen, nicht.