Harsche Kritik wegen Leipziger Demo: „fatal“, „Bankrotterklärung“, „Katastrophe“

Die Querdenken-Bewegung demonstrierte am Samstag gegen die Corona-Maßnahmen im Leipziger Stadtzentrum.

Die Querdenken-Bewegung demonstrierte am Samstag gegen die Corona-Maßnahmen im Leipziger Stadtzentrum.

Berlin. Nach der Demonstration der Querdenken-Bewegung gegen die Corona-Beschränkungen am Samstag in Leipzig, die mit Übergriffen auf Journalisten und Polizisten endete, gibt es verbreitet harsche Kritik. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin, in Leipzig sei das Demonstrationsrecht zum Teil ausgenutzt worden. Er sprach von einem „fatalen Signal“.

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SPD-Chefin Saskia Esken forderte Konsequenzen. Die Querdenken-Demos würden mitunter verharmlost, wenn von besorgten Bürgern die Rede sei, sagte sie. „Dabei muss man ja wissen, dass rechtsradikale Hooligans auch übrigens aus ganz Europa angereist waren.“ Dem tatenlos zuzuschauen sei eine „Bankrotterklärung“.

Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Thüringen, Stephan Kramer, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Wenn wir uns die Entwicklung der Demonstrationen in München, Stuttgart, Berlin und Leipzig anschauen, dann wird immer deutlicher, dass sie nicht nur von Rechtsextremisten gekapert werden, sondern dass Querdenken selbst extremistisch wird. Deshalb werden wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie wir künftig damit umgehen.“

„Klatsche mit Ansage“

Kramer bezog sich konkret auf die Teilnehmerin der Demonstration in Leipzig, die sich mit einem Plakat zeigte, auf dem „Ich bin Covidjud“ stand, versehen mit einem Davidstern. „Das ist Antisemitismus, Volksverhetzung und Herabwürdigung der Opfer des Nationalsozialismus“, sagte er. „Und so etwas setzt sich bei diesen Demonstrationen immer mehr durch.“

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Leipzig sei für Polizei und Justiz daher „eine Klatsche mit Ansage“ gewesen. Dabei habe sich das Oberverwaltungsgericht Bautzen „nicht mit Ruhm bekleckert“, als es die Demonstration in der Innenstadt genehmigte. Insgesamt hinterließen die Ereignisse in Berlin, wo Rechtsextremisten im September im Zuge einer Querdenken-Demonstration die Reichstagstreppe erklommen, und Leipzig den Eindruck von „Staatsversagen“. Das sei „eine Katastrophe“.

Die Stadt Leipzig hatte die Demo eigentlich an den Stadtrand legen wollen, um das Infektionsrisiko gering zu halten. Das Gericht hatte die Veranstaltung dann aber doch unter Auflagen im Zentrum zugelassen. Letztlich demonstrierten mindestens 20.000 Menschen gegen die Corona-Beschränkungen, ohne Abstand und Masken. Am Abend erzwang die Masse einen Gang über den Leipziger Ring, obwohl ein Aufzug ausdrücklich nicht gestattet war. Danach kam es zu den Übergriffen.

Der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, sieht vor allem Versammlungsbehörden und Gerichte in der Pflicht. Diese müssten aus dem Leipziger Fiasko lernen und verhindern, dass die Polizei vor faktisch unlösbare Aufgaben gestellt werde. Querdenken lehne den Staat ab, der es ihnen möglich mache, zu demonstrieren, sagte er. „Die Bewegung will die Staatsmacht vorführen, will entsprechende Bilder präsentieren. Das macht es so schwierig. Wenn die Polizei eingreift, wird das sofort als Polizeigewalt bezeichnet.“

Querdenken-Rechtsanwalt Ralf Ludwig sagte dem RND hingegen, die Demonstration sei friedlich verlaufen. Ein gewaltsames Durchbrechen von Polizeiketten sei gar nicht nötig gewesen, da die Polizei keine ernsthaften Anstrengungen unternommen habe, den untersagten Demonstrationszug zu unterbinden. „Hätte die Polizei den Zug stoppen wollen, hätte sie es tun können“, betonte er.

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Polizei sah keine Handhabe

Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze hatte das Gegenteil erklärt. Man hätte Gewalt anwenden müssen, sagte er. Tatsächlich steht die sächsische Polizei wegen Nachgiebigkeit gegenüber Rechtsextremisten seit Jahren in der Kritik.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich besorgt. „Die Bilder vom Wochenende aus Leipzig beunruhigen mich sehr“, sagte Klein dem RND. Die Kritik an den Maßnahmen zum Infektionsschutz sei zwar von der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gedeckt, auch wenn er dafür vor dem Hintergrund der Gefährlichkeit der Covid-19-Pandemie kein Verständnis habe.

„Ich erwarte jedoch von den Organisatoren dieser Versammlungen, dass sie sich klar und deutlich von Rechtsextremisten abgrenzen und diese ausschließen. Dies ist bisher nicht geschehen, an der Querdenken-Demonstration am Wochenende sind zahlreiche Rechtsextremisten mitgelaufen, die zum Teil massive Gewalt gegen Journalisten und Polizisten ausgeübt haben.“

Der Beauftragte sagte weiter, er gehe davon aus, „dass der Verlauf der Demonstration auf die versammlungsrechtliche Beurteilung zukünftiger Anmeldungen Auswirkungen haben wird“.

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