Historiker über Putins Angriff: Sind ins Zeitalter des Imperialismus zurückgekehrt
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Der russische Präsident Wladimir Putin.
© Quelle: Alexei Nikolsky/POOL Sputnik Kre
Gießen. Der Gießener Osteuropahistoriker Thomas Bohn hält den Angriff Russlands auf die Ukraine für einen „Angriffskrieg auf einen souveränen Staat, wie es ihn in der europäischen Geschichte seit dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen 1939 nicht mehr gegeben hat. Wir sind quasi in das Zeitalter des Imperialismus zurückgekehrt“, sagte Bohn in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der russische Präsident Putin rechtfertige den Überfall aus der Perspektive des russischen Zarenreichs aus dem 18. und 19. Jahrhundert, sagte der Professor am Historisches Institut für Osteuropäische Geschichte an der Universität Gießen.
Er folge dem Sowjetpatriotismus der 1930er Jahre, der das Vielvölkerreich unter russische Dominanz zu stellen trachtete. Tatsächlich seien Russland, Belarus und die Ukraine bereits seit dem 16. Jahrhundert politisch getrennte Wege gegangen.
Historiker: „Zeit der Nationalstaaten ist vorbei“
„Die Zeit der Nationalstaaten ist vorbei“, betonte der Historiker. In der Ära der Globalisierung brauche man internationale Zusammenarbeit in allen Bereichen. Allerdings habe der Westen Fehler gemacht. Russland sei bei der Osterweiterung der EU ab 2004 „an den Rand gedrängt worden“.
Die Nato habe es versäumt, Russland stärker zu integrieren. Jedoch habe auch Putin „in seiner Rhetorik und in seinem Handeln immer wieder zu verstehen gegeben, dass er kein Freund der Demokratie ist“.
Selenskyj fordert EU-Aufnahme im Eilverfahren
Der ukrainische Präsident Selenskyj fordere jetzt die Aufnahme seines Landes in die EU im Eilverfahren. „In der Tat sollte die Welle der Sympathie, die den Ukrainern zurzeit weltweit entgegenströmt, nicht nur dazu genutzt werden, existentielle Hilfen zu leisten, sondern auch, um Strukturen für eine weitere demokratische Entwicklung zu ermöglichen“, forderte Bohn.
Als positiven Effekt des Krieges gegen die Ukraine sei es zu bewerten, dass sich die populistischen Regime innerhalb der EU „jetzt wieder deutlicher zu den Menschenrechten bekennen“.
RND/epd