Hong Konger Aktivisten auf der Anklagebank

Nach 700 Tagen in U-Haft: Prozess von Joshua Wong und Co. hat begonnen

Joshua Wong, ehemaliger Sprecher der Demokratie­bewegung Hongkongs.

Joshua Wong, ehemaliger Sprecher der Demokratie­bewegung Hongkongs.

Peking. Nach über zweijähriger Wartezeit hat am Montag nun einer der symbol­trächtigsten Prozesse in der Geschichte Hongkongs begonnen: 47 Aktivisten und Aktivistinnen droht nach dem kontroversen nationalen Sicherheits­gesetz eine potenziell lebenslange Strafe. 32 von ihnen sind seit über 700 Tagen in Untersuchungshaft – darunter auch der mittlerweile 26-jährige Ex-Studenten­führer Joshua Wong, das international bekannteste Gesicht der Demokratie­bewegung.

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Den Angeklagten wird vorgeworfen, im Vorfeld der – später wegen der Pandemie abgesagten – Parlamentswahl nicht genehmigte Vorwahlen organisiert zu haben. Damit hätte die Gruppe, so argumentiert die Staats­anwaltschaft, gegen das nationale Sicherheits­gesetz verstoßen, welches Peking der ehemals britischen Kronkolonie im Sommer 2020 aufgezwungen hatte. Die Behörden argumentieren, die 47 Aktivisten hätten eine „bösartige Verschwörung“ geplant, um die Stadtregierung zu untergraben und die Kontrolle über das Stadtparlament zu übernehmen.

Aktivist Joshua Wong bei einer Rede vor Demonstranten im Jahr 2019.

Aktivist Joshua Wong bei einer Rede vor Demonstranten im Jahr 2019.

„Es ist kein Verbrechen, gegen ein totalitäres Regime vorzugehen“

Über 30 der Angeklagten haben sich bereits schuldig bekannt, wohl vor allem, um das Strafmaß zu mindern. Ein gutes Dutzend jedoch führen den couragierten Kampf auch vor Gericht weiter. „Es ist kein Verbrechen, gegen ein totalitäres Regime vorzugehen“, sagte etwa der ehemalige Parlamentarier Leung Kwok Hung auf der Anklagebank. Der 66-Jährige, der sich in seiner Jugend als Trotzkist identifiziert hatte, galt einst mit seiner Langhaarfrisur und der obligatorischen Che-Guevara-T-Shirts als Ikone der Demokratie­bewegung.

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Vor dem Gerichts­gebäude hatte sich am Montag­morgen eine riesige Menschen­­schlange aus mehreren Hundert Schaulustigen und Foto­journalisten gebildet, die allesamt dem Prozess beiwohnen wollten. Offen zu protestieren traute sich jedoch nur eine einzige Gruppe: Eine Handvoll Vertreter der League of Social Democrats (LSD), einer basis­demokratischen Oppositions­partei, forderte mit einem Banner und einem Megafon die Freilassung der Gefangenen. Chan Po Ying, Vorsitzende der LSD, sagte der lokalen Presse, dass die Angeklagten doch nur die öffentliche Meinung der Hongkonger repräsentieren würden und dies doch unmöglich ein Verbrechen darstellen könne.

Honkgongs Protestbewegung ist längst niedergeschlagen

Darüber wird nun die Justiz entscheiden müssen. Das Urteil dürfte jedoch noch auf sich warten lassen, denn der Prozess ist auf mindestens 90 Tage angesetzt. Beobachtet wird er allerdings nicht nur von der Hongkonger Presse, sondern auch vom Ausland mit Argusaugen. Denn das Verfahren wird tiefe Einblicke geben über den Zustand der Hongkonger Rechts­staatlichkeit, auf die Hongkongs Regierung nach wie vor stolz ist. Bis vor wenigen Jahren noch galt die internationale Finanz­metropole zudem als Ort mit weitgehender politischer Meinungs­freiheit.

Seit der Implementierung des nationalen Sicherheits­gesetzes hat Peking dem jedoch längst ein Riegel vorgeschoben: Die Opposition wurde mundtot gemacht, und die regierungskritischen Zeitungen wurden geschlossen. Die Protest­bewegung, die 2019 jeden Samstag Hunderttausende auf die Straßen brachte, ist längst niedergeschlagen worden.

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Offiziell gilt zwar weiterhin das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“, mit dem Festlandchina Hongkong ein weitgehendes Maß an Autonomie verspricht, doch laut den Demokratie­aktivisten ist dies nichts weiter als blanker Hohn, die Freiheiten bestünden nur mehr auf dem Papier. Offen auszusprechen traut sich dies allerdings praktisch niemand aus dem oppositionellen Lager mehr, denn auch dies könnte nach dem nationalen Sicherheits­gesetz als Strafbestand ausgelegt werden.

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