Palmer droht Scholz: Migration in den Griff bekommen, „oder es drohen Leistungsstreichungen“
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Boris Palmer hat klare Forderungen an den Kanzler gerichtet.
© Quelle: IMAGO/ULMER Pressebildagentur
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer sowie der Landrat des Landkreises Miltenberg in Bayern, Jens Marco Scherf (Grüne), haben einen Hilferuf an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wegen der Flüchtlingspolitik gerichtet. „Entweder gelingt es, die Migration zu strukturieren und zu steuern und somit die Zugangszahlen an Geflüchteten in den Kommunen wieder deutlich zu reduzieren, oder es drohen Leistungsstreichungen“, warnten sie in einem Schreiben an den Kanzler vom Dienstag, das der „Süddeutsche Zeitung“ vorliegt. Die Streichungen von Leistungen beträfen dann nicht nur auf den „Kreis der neu zugewanderten Personen“, sondern im Zweifelsfall die gesamte Bevölkerung.
In dem sechsseitigen Papier fordern die beiden Kommunalpolitiker dem Bericht zufolge, dass nicht schutzbedürftige Flüchtlinge gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden. Flüchtlinge ohne Bleiberecht sollten nur Sachleistungen beziehen dürfen und in den Aufnahmeeinrichtungen des Bundes und der Länder verbleiben. Die Unterbringung von Geflüchteten habe bereits eine kritische Größe erreicht, „die zu spürbaren Verdrängungseffekten besonders in unteren Einkommensgruppen führt“.
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Der Bund soll zahlen
Bereits im Januar hatten Scharf und Palmer einen Appell veröffentlicht, in dem sie einen Kurswechsel in der Migrationspolitik der Grünen Parteispitze forderten. Das Schreiben, dem sich Hunderte Gleichgesinnte anschlossen, blieb ohne Wirkung. Der neue Hilferuf an den Kanzler unterstreicht die alten Forderungen. In dem Schreiben vom Dienstag fordern die Kommunalpolitiker eine „Reduktion regulärer Migration“ und mahnen, dass der Bund die die tatsächlichen Kosten der Kommunen übernehmen müsse. Sonst, so Palmer und Scherf, könnte es wegen der „finanziell bedingten Einschränkung kommunaler Angebote“ zu „sozialen Verwerfungen“ kommen.
„Als Landrat und Oberbürgermeister erleben wir derzeit vor Ort, wie die kommunale Daseinsvorsorge und Leistungsangebote für unsere Bevölkerung sowie das bürgerschaftliche Engagement aufgrund der großen Zahl neu zugewanderter Personen bis an ihre Grenze belastet und teilweise überlastet werden“, heißt es in dem Appell.
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Bessere Integrationskonzepte nötig
Die Grünen-Politikern fordern zudem, dass der Bund bessere Grundvorraussetzungen für Integration schafft. Die aktuelle Wartezeit für Sprach- und Integrationskurse beträgt derzeit meist einige Monate – in den Augen von Palmer und Scherf: „unverantwortlich“. Das Angebot von beispielsweise Berufsintegrationsklassen und Vorbereitungsklassen müsse besser ausgebaut werden. Auch fordern sie einen beschleunigten Zugang der Geflüchteten zum Arbeitsmarkt.
In den Augen von Scherf und Palmer drängt die Zeit: „Zur Erhaltung der Akzeptanz der Flüchtlingshilfe bitten wir Sie daher dringend, diesen zentralen Vorschlag rasch umzusetzen“, appellieren die beiden Politiker in dem Schreiber an Kanzler Scholz.
Parteiinterner Zwist
Es ist zu erwarten, dass das Schreiben parteiintern nicht viel Zuspruch findet. Boris Palmers Mitgliedschaft ruht bis Ende des Jahres, wegen seinem parteiinternen Streit mit den Grünen. Auch Scherf ist nicht unumstritten: Der Landrat ist seit 2014 im Amt und polarisiert seit dem mit seiner Kritik an der Migrationspolitik der Partei.
In der vergangenen Woche hatten im Südwesten bereits der Gemeinde-, Städte- und der Landkreistag Baden-Württemberg gefordert, die Kommunen zu entlasten sowie Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge neu zu organisieren. Dabei sprachen sie sich auch für nationale Ankunftszentren für Geflüchtete aus. Sollten die Menschen nicht bleiben dürfen, müssten sie direkt aus den Ankunftszentren heraus abgeschoben werden, hieß es in einer der Forderungen der Verbände.
RND/rix/dpa