Opferberatungsstellen warnen vor hoher Dunkelziffer

Immer mehr politische Gewalt: „Das ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft“

Feuer in einem Asylheim. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der rechts motivierten Straftaten gestiegen.

Feuer in einem Asylheim. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der rechts motivierten Straftaten gestiegen.

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Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Gewalttaten mit politischem Hintergrund in Deutschland angestiegen: 58.916 Delikte verzeichnete das Bundeskriminalamt (BKA), das sind 7 Prozent mehr als im Vorjahr und damit ein neuer Höchststand. Die aktuelle Statistik zur politisch motivierten Kriminalität stellte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Dienstag gemeinsam mit dem Präsidenten BKA, Holger Münch, in der Bundespressekonferenz in Berlin vor.

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Vorläufige Zahlen zu Körperverletzungen mit politischem Motiv waren bereits im Februar bekannt geworden. Diese Zahlen waren noch vorläufig, da bis zur Veröffentlichung der Statistik noch Nachmeldungen und Änderungen möglich seien, erklärte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion.

Aufgeheiztes gesellschaftliches Klima Grund für Anstieg

Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden und Bundesinnenministerin Nancy Faeser sind die Straftaten vor allem ein Spiegelbild der Gesellschaft und deren Konflikte. Der Jahresanfang 2022 sei noch von der Corona-Pandemie geprägt gewesen, bis zu dem Angriff Russlands auf die Ukraine, der laut Faeser für die innere Sicherheit Deutschlands eine „Zeitenwende“ markierte.

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Es gebe einen starken Anstieg von Straftaten, die nicht rechts oder links einzuordnen seien. „Die Hintergründe sind vielfältiger und diffuser“, sagte Faeser. Konkret handele es sich bei den Delikten um Verstöße gegen das Versammlungsrecht, Beleidigungen und Bedrohungen – auch gegen Polizistinnen und Polizisten.


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67 Prozent mehr Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte

Eine hohe Gefahr gehe weiterhin vom rechten Spektrum aus: Im Jahr 2022 gab es 12 Prozent mehr rechte Gewaltdelikte. 41 Prozent aller Opfer politisch motivierter Straftaten wurden demnach 2021 von Rechtsextremisten attackiert – das ist laut Faeser mit Abstand der größte Anteil der Gewaltdelikte. Auch die Hetze gegen Geflüchtete hat der Statistik zufolge zugenommen: 1420 Schutzsuchende wurden verletzt, das ist ein Anstieg von 9 Prozent. Asylunterkünfte wurden im vergangenen Jahr häufiger zu Angriffszielen, hier gebe es einen Anstieg um 67 Prozent.

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Besonders besorgniserregend sei, dass die Zahl der Straftaten, die durch sogenannte „Reichsbürger“ begangen wurden, um fast 40 Prozent auf 1865 gestiegen seien. Ermittlungen und Festnahmen in der Szene zeigten immer wieder die „Irrationalität und Gefährlichkeit“, sagte Faeser. Bei einer Maßnahme im März wurde ein Polizeibeamter durch einen „Reichsbürger“ schwer verletzt.

Mehr Straftaten durch Klimaaktivisten

Im Linksextremismus gebe es laut Faeser „keinen Grund zur Entwarnung“, zwar sank die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr um 31 Prozent. Jedoch sei der Anteil politisch linker Gewalttaten weiterhin sehr hoch.

Einen Anstieg von 73 Prozent auf 1716 Straftaten verzeichneten die Sicherheitsbehörden im Kontext von Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Ein großer Teil davon erfolge im Zuge von Straßenblockaden und anderen Aktionen der Letzten Generation. Faeser kritisierte das scharf: „Ich habe nicht das geringste Verständnis dafür.“ Die Klimakrise müsse demokratisch bekämpft werden, dafür sei der Rückhalt innerhalb der Gesellschaft notwendig.

Opferberatungsstellen warnen vor hoher Dunkelziffer

Antisemitische Straftaten sind laut der Sicherheitsbehörden zwar zurückgegangen, jedoch gebe es auch hier keinen Grund zur Entwarnung. 2021 habe es einen traurigen Höchststand gegeben. Die Zahl der antisemitischen Hassdelikte sank 2022 zwar um knapp 13 Prozent, war allerdings mit 2641 Straftaten immer noch relativ hoch. Mehr als 80 Prozent der antisemitischen Straftaten wurden von der Polizei dem rechten Spektrum zugeordnet, immer mehr seien auch von islamisch geprägten Antisemitismus gezeichnet.

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Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) hat bereits vor der Vorstellung der bundesweiten Statistik zur politisch motivierten Kriminalität vor einer Untererfassung rechter Gewalttaten gewarnt. „Wir müssen aus der Erfahrung der letzten zwei Jahre davon ausgehen, dass das Ausmaß der Untererfassung rechter Gewalt durch die Polizei und Ermittlungsbehörden dramatisch zugenommen hat“, sagte VBRG-Vorstandsmitglied Robert Kusche, der die sächsische Opferberatungsstelle „Support“ leitet, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Stattdessen hat sich das Ausmaß der politisch motivierten Kriminalität, die vermeintlich ‚nicht zuzuordnen‘ ist, in nur zwei Jahren quasi verdreifacht“, kritisierte Kusche.


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