Neue Rechtsregierung behindert NGOs

Italien: mehr Migranten trotz erschwerter Bedingungen für Seenotretter

Migranten mit Schwimmwesten, die von Freiwilligen des Rettungsschiffs „Ocean Viking“ während einer Rettungsaktion im Mittelmeer zur Verfügung gestellt wurden (Archivbild von August 2022).

Migranten mit Schwimmwesten, die von Freiwilligen des Rettungsschiffs „Ocean Viking“ während einer Rettungsaktion im Mittelmeer zur Verfügung gestellt wurden (Archivbild von August 2022).

Rom. In Ancona sind in den letzten Tagen gleich zwei Schiffe von privaten Hilfsorganisationen eingelaufen, um die von ihnen aus Seenot geretteten Geflüchteten an Land zu bringen: Zuerst legte die „Ocean Viking“ der Nichtregierungs­organisation SOS Mediterranée mit 37 Migranten an Bord an, am Tag danach die „Geo Barents“ von der Organisation Ärzte ohne Grenzen mit 73 Boots­flüchtlingen. Es war das erste Mal überhaupt, dass Ancona den privaten Rettungs­schiffen vom Innen­ministerium als sicherer Hafen zugewiesen wurde.

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Sichere Häfen sind weit von in Seenot geratenen Geflüchteten entfernt

Die gleiche Premiere erlebten in den ersten Wochen des neuen Jahres auch die Hafenstädte Ravenna, Livorno und mehrere andere. Den neuen „sicheren Häfen“ in Nord- und Mittel­italien ist gemein, dass sie alle von Bürger­meistern des Mitte-Links-Lagers regiert werden – und dass sie sich sehr weit weg befinden von dem Punkt, an welchem die in Seenot geratenen Geflüchteten gerettet wurden. Sowohl die „Ocean Viking“ als auch die „Geo Barents“ mussten über 1500 Kilometer auf zum Teil rauer See zurücklegen, um die Geretteten an Land zu bringen – das entspricht einer vier- bis fünftägigen Reise. „Die Zuweisung von derart weit entfernten Häfen verfolgt das einzige Ziel, unsere Schiffe so lange wie möglich vom zentralen Mittelmeer fernzuhalten und die Kosten unserer Einsätze zu erhöhen“, kritisiert Juan Matias Giles, Missionschef von Ärzte ohne Grenzen.

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Erschwerend für die Hilfsorganisationen kommt hinzu, dass sie neuerdings nur noch eine Rettungs­aktion durchführen dürfen und dann sofort den ihnen zugewiesenen Hafen ansteuern müssen. So lautet eine der zentralen Bestimmungen des neuen Verhaltens­kodex für die privaten Rettungs­schiffe, der von der Rechts­regierung von Giorgia Meloni zwischen Weihnachten und Neujahr beschlossen wurde. Die Vorschrift erklärt auch die vergleichsweise kleine Anzahl von Migranten, die sich an Bord der „Ocean Viking“ und der „Geo Barents“ befanden. Bisher hatten die NGO-Schiffe oft mehrere Rettungs­aktionen durchgeführt, ehe sie in der Regel mit hunderten von Migranten einen Hafen in Süditalien anliefen.

Italien versucht, Dublin-Abkommen zu umgehen

Eine weitere Bestimmung des Verhaltens­kodex sieht vor, dass die Migrantinnen und Migranten umgehend nach ihrer Rettung angeben müssen, in welchem Land sie einen Asylantrag stellen wollen. Damit versucht die italienische Regierung, das Abkommen von Dublin zu unterlaufen, welches vorsieht, dass dasjenige Land für das Asylverfahren zuständig ist, in welchem sie erstmals EU-Boden betreten. Crews, die sich nicht an den Kodex halten, können mit einer Geldstrafe von 50.000 Euro belangt werden; im Wiederholungsfall kann das Schiff beschlagnahmt werden.

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Für Giorgia Meloni und ihre ultrarechte Regierungs­koalition sind die privaten Retter ein „Pull-Faktor“, das heißt, ihre Präsenz ermutige Migranten, die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer anzutreten. Diese Theorie hat sich schon früher als wackelig erwiesen, und sie wird auch von den Flüchtlings­zahlen in den ersten zwei Wochen dieses Jahres widerlegt: Trotz der massiven Schikanen gegen die NGOs hat die Zahl der in Italien angekommenen Boots­flüchtlinge sprunghaft zugenommen: Bis zum 12. Januar sind bereits über 3000 Migranten in Italien gelandet, was einer Verzehnfachung gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres entspricht. Rund 90 Prozent von ihnen schafften die Überfahrt aus eigener Kraft, viele wurden von der italienischen Küstenwache und der Marine gerettet. Deren Schiffe dürfen nach den Rettungs­aktionen die nahen Häfen der süditalienischen Regionen Sizilien, Kalabrien und Apulien anlaufen.

Stadtpräsidentin: „Wir beklagen uns nicht“

Die linken Bürger­meisterinnen und Bürger­meister von Ancona, Ravenna und Livorno machen derweil gute Miene zum bösen Spiel: „Wir nehmen zur Kenntnis, dass Ancona nun ein sicherer Hafen für Flüchtlinge ist – wir beklagen uns nicht und werden unseren Teil zur Versorgung der Geflüchteten beitragen“, erklärte Valeria Mancinelli, Stadt­präsidentin von Ancona. Es erscheine ihr aber als etwas unlogisch, dass man die Migranten, die nach ihrer Landung ohnehin auf das ganze Land verteilt würden, erst zu einer 1500 Kilometer langen Seereise zwinge. Livornos Bürger­meister Luca Salvetti meinte ironisch, dass es sicher ein „Zufall“ sei, dass alle neuen sicheren Häfen von Linken regiert würden. Er warte jetzt darauf, dass auf dieser Liste auch La Spezia, Genua, Venedig und Triest erscheinen, die eine Rechts­regierung haben. Bisher wartet Salvetti vergeblich.

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