Energieunternehmen verzehnfachten Gewinne

Italien hat eine Übergewinnsteuer – doch die Konzerne verweigern sich

Seine Übergewinnsteuer funktioniert (noch) nicht so, wie sie sollte: Italiens geschäftsführender Ministerpräsident Mario Draghi.

Seine Übergewinnsteuer funktioniert (noch) nicht so, wie sie sollte: Italiens geschäftsführender Ministerpräsident Mario Draghi.

Das Prinzip der Übergewinnsteuer ist einfach: Die Energiekonzerne, die sich dank des Krieges in der Ukraine und der gestiegenen Energiepreise eine goldene Nase verdienen, zahlen auf ihre Extraprofite eine Steuer, deren Ertrag dann über staatliche Verteilmechanismen Betrieben und einkommensschwachen Familien zugute kommt, die von der Preisexplosion bei Gas, Strom und Mineralöl besonders betroffen sind. In Italien haben etliche Großkonzerne ihre Gewinne wegen der Krise glatt verzehnfacht – hauptsächlich, indem sie Gas, das sie bereits vor der Krise eingekauft und gelagert hatten, zu den neuen Marktpreisen an die Konsumenten und Konsumentinnen verkauften.

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Zur Ermittlung der Extraprofite wurden die Gewinne der Energieunternehmen zwischen dem 1. Oktober 2020 und dem 30. April 2021 (vor der Krise) mit den Gewinnen zwischen dem 1. Oktober 2021 und dem 30. April 2022 verglichen. Das Resultat: Laut Schätzungen der Regierung haben die Konzerne dank der Krise um 42 Milliarden Euro höhere Gewinne erzielt. Davon wollte Premier Mario Draghi 25 Prozent (oder 10,5 Milliarden Euro) abschöpfen.

Übergewinnsteuer: Insgesamt rund 11.000 Unternehmen betroffen

Betroffen von der Übergewinnsteuer sind alle Unternehmen im Energiebereich, deren Gewinne sich im fraglichen Zeitraum um 5 Millionen Euro oder mehr erhöht haben – insgesamt rund 11.000 Unternehmen. Die erste Steuerrate (40 Prozent oder 4,2 Milliarden Euro) ist am 30. Juni fällig geworden, die zweite Rate (60 Prozent oder 6,3 Milliarden Euro) muss bis Ende November an den Fiskus überwiesen werden.

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Soweit das Prinzip. Die Praxis sieht anders aus: Die meisten Unternehmen haben die Frist der ersten Rate verstreichen lassen und gar nichts bezahlt. Der bisherige Ertrag der Übergewinnsteuer beträgt bis heute wenig mehr als eine Milliarde Euro. Stattdessen haben sich die Konzerne Anwälte und Anwältinnen genommen und gegen die Steuer Beschwerde beim Verwaltungsgericht in Rom eingelegt. Sie zweifeln nicht die Steuer als solche an (sagen sie), sondern deren Berechnung, die „verfassungswidrig“ sei. Außerdem könne sich schon in kurzer Zeit ein gegenteiliger Effekt bei den Gewinnen einstellen: Heute müssten die Konzerne auf Geheiß der Regierung zu den aktuellen Spitzenpreisen ihre Speicher auffüllen – mit Gas, das sie möglicherweise schon im Winter zu deutlich geringeren Preisen an die Verbraucher und Verbraucherinnen verkaufen müssten.

Er läuft und läuft und läuft: In ungeahnte Höhen könnte in diesem Jahr manch ein Gas- oder Stromzähler schnellen.  

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Die Energiepreise steigen weiter und werden eine immer größere Belastung für die Verbraucher. In Niedersachsen fordern deshalb nun die Landesregierung und Wirtschaft eine Deckelung des Strompreises. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann macht einen konkreten Vorschlag.

Draghi droht Konzernen massive Strafsteuern an

Regierungschef Mario Draghi, der bei der Übergewinnsteuer von Anfang an sehr entschlossen vorging, lässt sich von den Argumenten der Konzerne nicht beeindrucken: Er hat den säumigen Unternehmen massive Strafsteuern angedroht für den Fall, dass sie die erste Rate nicht bis Mittwoch begleichen. Unterstützt wird er dabei von den meisten Parteien und auch von der größten Gewerkschaft des Landes, dessen Führer Maurizio Landini bereits eine Erhöhung der Steuer von 25 auf 100 Prozent fordert. Ob sich die Konzerne dem politischen Druck beugen werden, bleibt abzuwarten. Das juristische Seilziehen wird sich auf jeden Fall in die Länge ziehen: Der Entscheid des Verwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Steuer wird am 8. November fallen; zuletzt wird sich wohl auch noch das Verfassungsgericht damit befassen müssen.

Darauf kann die Regierung freilich nicht warten: Angesichts des erneuten Anstiegs des Gaspreises fordern Unternehmerverbände, Konsumentenschützende und Parteien ein sofortiges neues Hilfsdekret im Umfang von 20 bis 30 Milliarden Euro für Unternehmen und Familien. Der italienische Gewerbeverband warnt, dass 120.000 Betriebe wegen der gestiegenen Energiepreise schließen müssten, sollten staatliche Hilfen ausbleiben. Ohne Übergewinnsteuer sind die geforderten Maßnahmen aber nicht finanzierbar, und Mario Draghi, der bisher sämtliche staatlichen Hilfen ohne Neuverschuldung finanzieren konnte und der außerdem nach seinem Sturz im Juli nur noch geschäftsführend im Amt ist, lehnt Hilfspakete auf Pump weiterhin strikt ab. Das nächste Hilfsdekret dürfte deswegen deutlich bescheidener ausfallen als die beiden bisherigen, die zusammen rund 45 Milliarden Euro gekostet haben.

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