Jacinda Ardern: Rücktritt nach kraftraubenden Jahren
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Jacinda Ardern, Premierministerin von Neuseeland, hat ihren Rücktritt angekündigt.
© Quelle: Warren Buckland/New Zealand Hera
Sydney. Jacinda Ardern selbst begründete ihren Rücktritt damit, dass sie nicht mehr ausreichend „Energie“ für den Job als Premierministerin habe. Es sei jetzt „die richtige Zeit“ für sie zurückzutreten. Sie gestand aber auch ein, dass sie sich darauf freue, für ihre Tochter Neve da zu sein, wenn diese die Schule beginne und dass sie endlich ihren Partner Clarke heiraten wolle.
Zwar kommt der Rücktritt der Sozialdemokratin inmitten ihrer zweiten Amtszeit überraschend, doch die Umfragen waren seit Monaten nicht mehr aufseiten der Politikerin. Die Chancen für eine dritte Amtszeit des Politstars waren zuletzt deutlich gesunken.
Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern will zurücktreten
Die 42-jährige Politikerin, die zeitweise mit Tränen kämpfte, sagte, ihre fast sechs Jahre als Premierministerin seien eine harte Zeit gewesen.
© Quelle: Reuters
Die National Party, die zuvor neun Jahre lang die Geschicke des Landes gelenkt hatte, bevor Ardern die Sozialdemokraten wieder wie ein Phönix aus der Asche steigen ließ, hat inzwischen wieder eine gute Chance, mithilfe eines Koalitionspartners erneut die Regierung zu bilden. Somit könnte der Rücktritt Arderns, der auch große Veränderungen innerhalb der Labour Partei mit sich bringen wird, durchaus auch strategisch sein, um ihrer Partei bei der Wahl im Oktober eine bessere Chance zu geben.
Arderns Amtszeiten waren voller Krisen
Ardern war über Jahre hinweg extrem beliebt gewesen. Zeitweise war der Hype um ihre Person so groß, dass die Medien von einer „Jacindamania“ sprachen. Die Gründe für ihre Beliebtheit sind nun vermutlich auch die Gründe dafür, dass der Politikerin die „Energie“ ausging: Denn seit ihrem Amtsantritt 2017 musste Ardern eine Terrorattacke, einen Vulkanausbruch sowie den Ausbruch der Corona-Pandemie bewältigen. Alle drei Krisen meisterte sie mit exzellenter Kommunikation und viel Empathie.
Ihre Handhabe der Pandemie sei geradezu eine „Meisterklasse in Krisenführung“ gewesen, urteilte die neuseeländische Forscherin Suze Wilson einst in einer Analyse im akademischen Magazin „The Conversation“. Dieses exzellente Krisenmanagement brachte der Politikerin eine mehrmalige Nominierung für den Nobelpreis ein und katapultierte sie auf die Titelbilder der britischen „Vogue“ und des „Time Magazine“. Auch dass sie während ihrer Zeit als Premierministerin ein Kind zur Welt brachte, erregte weltweite Medienaufmerksamkeit.
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Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern spricht im Oktober 2021 auf einer Pressekonferenz nach einer Kabinettssitzung. Nach drei neuen Corona-Infektionsfällen verkündete sie in Teilen Neuseelands wieder strengere Beschränkungen im Alltagsleben.
© Quelle: Mark Mitchell/Mark Mitchell/NZME
Pandemie brachte die Wende
Dass Arderns Stern letztendlich anfing zu verglühen, hat vielfältige Gründe: Laut Stephen Levine, einem Politikexperten der Victoria University of Wellington, der ein Buch über Jacinda Ardern und ihre Politik veröffentlicht hat, war ausgerechnet die Covid-Pandemie dafür verantwortlich, die einst zu ihrem Aufstieg beigetragen hatte.
„Im Jahr 2020 konnte die Regierung die Pandemie eindämmen, was zu niedrigen Fallzahlen und einer geringen Zahl von Todesfällen im Zeitraum 2020–21 führte“, erklärte der Politikexperte in einem Interview im vergangenen Jahr. 2020 starben 25 Neuseeländer an Covid-19, 2021 26 Menschen. „Die Regierung – und die Premierministerin – wurden im In- und Ausland hoch gelobt.“ Die Wahlen 2020 lieferten dementsprechend einen Erdrutschsieg für Arderns Sozialdemokraten.
Mitte 2021 jedoch nahm die Unzufriedenheit über wiederholte Lockdowns nach Covid-Ausbrüchen zu. Vor allem eine länger andauernde Ausgangssperre in der größten Stadt des Landes, Auckland, wurde dort – laut Levine – alles andere als positiv aufgenommen.
Zudem war der Erfolg der Maßnahmen nicht von Dauer: Mit der schrittweisen Öffnung des Landes stiegen auch die Fallzahlen – ähnlich wie in den meisten anderen Ländern. „Das bedeutet nicht, dass die Premierministerin unbeliebt ist oder ihren Fähigkeiten kein Respekt mehr entgegengebracht wird“, sagte Levine damals. Doch es bedeutete, dass in Neuseeland die Magie und Mystik um Jacinda Ardern, die „Jacindamania“, weitgehend abklang.
Arderns größte Stärke: ihre Empathie
Jahrelang kämpfte Ardern gegen Krisen – Letzteres bedeutete aber auch, dass drängende andere Themen teils vernachlässigt wurden. Zwar sind die früher stratosphärisch hohen Preise für Immobilien deutlich abgeflacht, doch steigende Hypothekenzinsen und hohe Kosten für Baumaterialien erschwerten vielen den Hausbau oder -kauf nach wie vor. Vor allem die hohe Inflation, die zuletzt auf über 7 Prozent geklettert ist und damit so hoch ist wie schon seit über 30 Jahren nicht mehr, hat das Leben vieler Durchschnitts-Neuseeländer und -Neuseeländerinnen erschwert.
Ardern wird aufgrund ihrer Professionalität, ihrer Kommunikationsfähigkeit und ihrer Empathie in Zeiten der Krise in die Geschichtsbücher eingehen. Vor allem die Empathie ist eine der Eigenschaften, für die die Politikerin erinnert werden möchte, wie sie am Donnerstag zum Ausdruck brachte. Was ihr Rücktritt für die anstehenden Wahlen bedeuten wird, ist noch unklar. Einen Nachfolger gibt es für sie noch nicht.
Die Opposition hat sich nach einigen eher chaotischen Jahren aber wieder deutlich stärker aufgestellt. Während die Konservativen zuvor in relativ kurzer Zeit mehrere Parteivorsitzende ausgetauscht hatten, hat sich die Partei mit dem neuen Vorsitzenden Christopher Luxon wieder stabilisiert.