Kai Wegner: Berlins nächstes Wahldesaster
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Regiert bald im Roten Rathaus: Kai Wegner von der CDU.
© Quelle: Christoph Soeder/dpa
Berlin. Es ist ein denkbar schlechter Start für Kai Wegner. Der 50-Jährige, der am Donnerstag erst im dritten Wahlgang zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt wurde, kann sich nicht sicher sein, wie er das schlussendlich geschafft hat. Unklar ist, ob AfD-Abgeordnete Wegner zum Bürgermeister wählten - und ob Wegner ohne die AfD eine Mehrheit bekommen hätte. Die AfD behauptet, mindestens die Hälfte ihrer 17 Abgeordneten hätten für Wegner gestimmt.
Wahldebakel im Abgeordnetenhaus
In den ersten beiden Wahlgängen hatte es für den Versicherungskaufmann und Unternehmensberater nicht gereicht: Zunächst fehlten ihm 9 Stimmen zur Mehrheit, im zweiten Wahlgang noch eine. Die Wahlen sind geheim, denkbar aber ist, dass die Gegner bei der SPD zu suchen sind: Schon beim Mitgliederentscheid hatte sich nur eine knappe Mehrheit der Sozialdemokraten von 54,3 Prozent für das schwarz-rote Bündnis ausgesprochen. Allerdings gilt auch die CDU als notorisch zerstritten.
Dabei hat der Senat eigentlich keine Zeit für Streit. Weil die Abgeordnetenhauswahl wegen Wahlpannen wiederholt werden musste, bleiben dem CDU-Politiker mit seinem Koalitionspartner SPD nur drei Jahre, um seine Pläne durchzusetzen. „Es geht darum, dass wir gemeinsam hart daran arbeiten, dass Berlin jeden Tag ein Stückchen besser wird“, schrieb Wegner vor einigen Tagen auf Twitter.
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Wegner hatte nach der Wahlwiederholung alles daran gesetzt, Regierungschef zu werden. In der Berliner CDU hieß es, er sei der SPD massiv entgegengekommen, um das Bündnis möglich zu machen. Der CDU-Mann wollte sich diese Chance nicht entgehen lassen: Er ist der erste Christdemokrat, der seit mehr als 20 Jahren ins Rote Rathaus einzieht. Es ist der Höhepunkt seiner Karriere. Den Großteil seines politischen Werdegangs verbrachte er im Bundestag: Von 2005 bis 2021 war er Abgeordneter und beschäftigte sich unter anderem mit der Wohnungspolitik. In seiner Fraktion war er als baupolitischer Sprecher tätig. 2021 trat er dann als CDU-Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl an und landete in dem Stadtstaat in der Opposition. Dass er nur zwei Jahre später Regierungschef wird, überrascht selbst eigene Parteifreunde.
Der Christdemokrat wuchs im Berliner Bezirk Spandau auf. Er ist ein klassisches CDU-Gewächs: Als Jugendlicher trat er in die Junge Union und in die CDU ein. Zwei Jahre lang führte er die Schülerunion in Berlin, danach wurde er Vorsitzender des JU-Kreisverbandes Spandau und später auch Chef der JU Berlin. Von Parteikollegen wie dem hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein wird er als „typischer Berliner“ beschrieben: „ein bisschen rau, aber ein toller Kerl“. Wegner gilt als Netzwerker, als einer, der Kontakte gut pflegen kann.
Doch er hat auch Kritiker. Einer davon sitzt mittlerweile selber in der Führung der Bundespartei: Generalsekretär Mario Czaja. Im Jahr 2021 warf Czaja Wegner einen Rechtsruck und Nähe zum als rechtsradikal kritisierten Ex-Verfassungsschutzchef und CDU-Mitglied Hans-Georg Maaßen vor. „Die Berliner CDU ist in den letzten Jahren weit nach rechts gerückt“, sagte Czaja, der selbst aus der Hauptstadt stammt, damals.
Wegner muss aus einem Vertrauensvorschuss einen Vertrauensbeweis machen
Der Zusammenhalt in der Berliner CDU ist zwar unter Wegner etwas besser geworden. Dennoch hat der Landesverband bei der Bundes-CDU nicht den besten Stand. Wegner weiß, dass es diese Zweifler gibt. Auf die Frage, wie groß die persönliche Genugtuung ist, ins Rote Rathaus einziehen zu können, sagte er vor einigen Wochen dem „Tagesspiegel“: „Ich weiß, dass nicht jeder daran geglaubt hat, ich aber habe das immer getan.“
Weitere Herausforderungen kommen noch auf ihn zu: Nach der Chaos-Wahl 2021 hat die CDU vor allem von der Wechselstimmung profitiert, wie Umfragen zeigen. So wählten laut Infratest Dimap 96 Prozent der neuen CDU-Wähler die Partei, „damit sich endlich etwas ändert“. Dass er es schaffen kann, aus einem Vertrauensvorschuss einen Vertrauensbeweis zu machen, wie er es selbst kürzlich formulierte, muss er in den nächsten drei Jahren zeigen - mit einer SPD, die nicht geschlossen hinter dem Bündnis steht. Und mit dem Vorwurf, die AfD habe ihn zum Bürgermeisteramt verholfen.