Streit über den Habeck-Plan: Was will er eigentlich genau?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/BDF7O3GFU5FUNMFGRXCS3CYECY.jpeg)
Ein Mitarbeiter einer Sanitär- und Heizungsbaufirma installiert eine moderne Gasbrennwerttherme in einem Einfamilienhaus.
© Quelle: Jan Woitas/dpa
Berlin. „Zerstörerisch“ seien die Pläne der Ampelkoalition, wetterte Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima. Das war vor knapp einem Jahr. Es ging darum, wie Deutschland unabhängiger von russischen Energielieferungen und zugleich klimafreundlicher im Gebäudebereich werden kann.
SPD, Grüne und FDP hatten im März 2022 angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Beschleunigung ihrer im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen beschlossen. Bereits im Januar 2022 informierte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) über eine Neujustierung der Ziele für installierte Wärmepumpen: Bis 2030 sollen danach in Deutschland sechs Millionen statt vier Millionen Anlagen installiert werden.
Im damals angekündigten Entlastungspaket wurde bereits festgelegt, dass schon ab dem Jahr 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Versprochen wurde auch, dass Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien ihre über 20 Jahre alten Heizungsanlagen austauschen können.
Umso erstaunlicher sind die Reaktionen von Verbänden, Koalitionspartnern und anderen Interessengruppen, die den Ende Februar geleakten Gesetzentwurf zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes überrascht zur Kenntnis nahmen oder erneut in der Luft zerrissen – und dies bis heute tun. Am Sonntag wird sich der Koalitionsausschuss mit der Kontroverse um Vorgaben für neue Heizungen beschäftigen.
In den Aussagen mischen sich inzwischen Dichtung, Wahrheit und handfeste politische Interessen. Worum geht es also im Kern in den Plänen Habecks? Und wie klimafreundlich sind sie wirklich?
Das Ziel
Das Gesetz wird gemeinsam von Bundesbau- und Bundeswirtschaftsministerium vorgelegt. Es soll dazu beitragen, fossile Energien wie Erdgas und Öl einzusparen, die Wärmewende im Gebäudesektor zu beschleunigen und damit den Klimaschutz aktiv zu unterstützen. Ziel ist der klimaneutrale Gebäudebestand bis spätestens 2045.
Habeck will praktikablen Übergang nach Verbot von Gasheizungen
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will bei der Umstellung von Öl- und Gasheizungen besondere Härten für die Betroffenen vermeiden.
© Quelle: dpa
Zweiter Effekt soll sein, die hohe volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Abhängigkeit von Gas und Erdöl zu mindern. Außerdem wollen die Regierenden damit einen Investitions- und Modernisierungsschub auf dem deutschen Binnenmarkt auslösen.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/R7X52IBGK5BZVHZXX4P5SPB5IA.jpg)
„Dann ist die Bude kalt“
2023 wird es einen letzten Run auf fossile Heizsysteme geben, für 2024 sind die Bücher der Handwerksbetriebe voll mit Aufträgen für Wärmepumpen. Mit Andreas Schuh, Geschäftsführer eines Berliner Unternehmens für Gebäudetechnik und Energiemanagement sprach das RND über die Auswirkungen der „Wärmewende“ und darüber, wie Heizungsbauer und Installateure dafür gerüstet sind.
Wie sieht es derzeit aus?
In Deutschland wird hauptsächlich mit Erdgas geheizt. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums werden jährlich 40 Prozent des verbrauchten Erdgases verbrannt, um Gebäude zu beheizen und mit warmem Wasser zu versorgen.
„Von den rund 41 Millionen Haushalten in Deutschland heizt nahezu jeder zweite mit Erdgas, gefolgt von Heizöl mit knapp 25 Prozent und Fernwärme mit gut 14 Prozent“, heißt es im Gesetzentwurf. Stromdirektheizungen und Wärmepumpen machten jeweils nicht einmal 3 Prozent aus. Die übrigen 6 Prozent würden auf Feuerungsanlagen für feste Brennstoffe wie Holz, Holzpellets, sonstige Biomasse und Kohle entfallen. „Bei den neu installierten Heizungen betrug der Anteil von Gasheizungen im Jahr 2021 sogar 70 Prozent.“
Was soll passieren?
Erneuerbares Heizen soll beim Einbau neuer Anlagen zur Pflicht werden. Das bedeutet, dass ab dem 1. Januar 2024 jede neu eingebaute Heizung mindestens 65 Prozent erneuerbare Energie nutzen soll.
Es wird aber im Gesetzentwurf zwischen Neubau und Bestandsgebäuden unterschieden. Im Neubau sind Wärmepumpen bereits die Standardlösung. Jedes Gebäude könne so geplant werden, dass die übrigen Erfüllungsoptionen (Hybridheizung, elektrische Wärmepumpe oder Fernwärme) ausreichten.
Ist das sinnvoll für den Klimaschutz?
„Hinsichtlich der notwendigen CO₂-Reduktionen ist es richtig, vom Ziel her zu denken und das politische Handeln daran zu orientieren“, sagte der Präsident des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), Jörg-Andreas Krüger. „Es ist parteiübergreifend unstrittig, schnellstmöglich aus dem fossilen Heizen auszusteigen.“
Besteht eine Austauschpflicht für Heizungen?
Nein, heißt es im Habeck-Ministerium. Bestehende Heizungen müssen nicht ausgetauscht werden. Sofern eine bestehende Heizung ordnungsgemäß funktioniere, könne diese weiterhin genutzt werden. Auch Reparaturen seien weiter möglich.
Selbst wenn beispielsweise nach einer Havarie die Erdgas- oder Ölheizung irreparabel sei, gebe es „pragmatische Übergangslösungen und mehrjährige Übergangsfristen“. Der Umstieg auf eine Erneuerbaren-Heizung müsse nicht ad hoc erfolgen.
Vorübergehend könne etwa eine gebrauchte, fossil betriebene Heizung eingebaut werden, wenn innerhalb von drei Jahren nach Ausfall der alten Heizung planmäßig auf eine Heizung umgestellt wird, die die Erneuerbaren-Vorgabe erfüllt. Es besteht immer die Möglichkeit, den Gaskessel auch nach Ablauf der drei Jahre im Rahmen einer Hybridheizung weiterhin für die Lastspitzen zu nutzen.
Gibt es ein Verbot für Gasheizungen?
Auch das wird im Bundeswirtschaftsministerium verneint. „Die vorgesehene Regelung ist technologieoffen“, heißt es im Gesetzentwurf. „In bestehenden Gebäuden können auch weiterhin Gasheizungen eingebaut werden, wenn sie mit 65 Prozent grünen Gasen oder in Kombination mit einer Wärmepumpe betrieben werden.“
Es gebe somit mehrere Möglichkeiten, mit verschiedenen Technologien die Vorgabe für das Heizen mit erneuerbaren Energien zu erfüllen.
Aber wer kann sich das leisten?
Der Umstieg soll durch Förderung für untere und mittlere Einkommensgruppen unterstützt werden, wird im Ressort von Robert Habeck betont. Die Notwendigkeit sehen auch Naturschützerinnen und Naturschützer. „Natürlich sind Härtefälle abzufedern und auch Fragen der grundsätzlichen Verfügbarkeit von Geräten spielen eine Rolle“, so Nabu-Präsident Krüger.
Laut einer allgemeinen Härtefallregelung muss die Pflicht zum Einbau einer Heizung mit mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nicht erfüllt werden, wenn dies für den Gebäudeeigentümer eine besondere Härte darstellt. Das trifft zum Beispiel zu, wenn es aus besonderen Gründen wirtschaftlich unzumutbar ist, die Pflicht im konkreten Fall zu erfüllen.
Und wie sieht das bei den teuren Wärmepumpen aus?
Ziel der Förderung ist es nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums, sicherzustellen, dass die Kosten einer Wärmepumpe „insbesondere auch von einkommensschwachen Haushalten und Bürgerinnen und Bürgern mit mittleren Einkommen“ getragen werden könnten. Das Heizen mit erneuerbaren Energien soll durch eine Kombination aus Förderung der Heizung und vergünstigten Wärmepumpen-Stromtarifen unter dem Strich nicht teurer werden als mit fossilen Verbrennungsheizungen, steht im Gesetzentwurf.
Der Einbau einer Wärmepumpe, Biomasseheizung oder der Anschluss an ein Wärmenetz soll demnach grundsätzlich weiterhin bezuschusst werden, um die Differenz zur günstigeren Gasheizung zu verringern. Auch energetische Sanierungen zur Verringerung des Heizenergiebedarfs würden weiterhin gefördert.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/ZNLNDJ5P6NE4VPKTLEDAE5SKZY.jpeg)
Eine Luftwärmepumpe hängt bei Schnee und Eis an einer Hauswand in einem neu entstehenden Einfamilienhausgebiet.
© Quelle: Jan Woitas/dpa
Das Bundeswirtschaftsministerium setzt ebenfalls auf Angebote für Liefer-/Leasing-/Miet- und Pachtmodelle für Heizungen auf Basis von erneuerbaren Energien. Anbieter liefern beispielsweise die Wärmepumpen, bauen sie in die Gebäude ein und warten und betreiben die Anlagen. Der Gebäudeeigentümer zahlt im Gegenzug dafür eine monatliche Rate über die vereinbarte Vertragslaufzeit. Das würde Gebäudeeigentümern Vorabzahlungen der Investitionskosten sparen – sie müssten sich auch nicht um den Betrieb der Heizung kümmern.
Dann zahlen Mieter die Zeche?
Das soll verhindert werden, betont das Habeck-Ministerium. Vermieter und Vermieterinnen sollen im Rahmen der Betriebskostenabrechnung die Bezugskosten für Biomethan nur in Höhe des Grundversorgertarifs Gas an die Mieterinnen und Mieter weitergeben dürfen. Dies soll analog auch bei Pellets und fester Biomasse gelten. Hier sei dann der Referenzpreis für Festbrennstoffe entscheidend.
Beim Einbau von Wärmepumpen durch den Vermieter soll folgendes gelten: „Um Mietende in energetisch schlechteren Gebäuden vor zu hohen Betriebskosten bei dem Einbau einer weniger effizienten Wärmepumpe zu schützen, sollen die Investitionskosten für eine Wärmepumpe nur dann im Rahmen der Modernisierungsumlage umlagefähig sein, wenn die Wärmepumpe einen Wirkungsgrad von mindestens 2,5 erreicht. Anderenfalls könnten nur 50 Prozent der Investitionskosten umgelegt werden.“