Tagung bis 2 Uhr nachts: Das hat der Bundestag in seiner Mammutsitzung beschlossen
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Der Plenarsaal während der Sitzung des Deutschen Bundestags am 07.07.2022 in Berlin.
© Quelle: IMAGO/Christian Spicker
Berlin. In seiner vorletzten Plenarsitzung vor der Sommerpause hat der Bundestag einen Rekord aufgestellt. Parlamentsvizepräsidentin Aydan Özoguz (SPD) erklärte die Sitzung, die am Donnerstag um 9.00 Uhr begonnen hatte, erst am Freitagmorgen um 1.58 Uhr für geschlossen. Die bislang längste Sitzung der laufenden Legislaturperiode war im Mai bereits um 0.23 Uhr zu Ende gegangen.
Zu später Stunde trafen die Abgeordneten aber noch eine Reihe von wichtigen Entscheidungen. Welche das waren, lesen Sie hier im Überblick.
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Mehr Kohlekraftwerke gegen die Gaskrise
Wegen der Gaskrise hat der Bundestag den Weg dafür frei gemacht, mehr Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung heranzuziehen. Ziel dieser Maßnahme ist es, Gas einzusparen und einzuspeichern. Gleichzeitig beschlossen die Abgeordneten am späten Donnerstagabend, staatliche Hilfen für angeschlagene Energieunternehmen wie Uniper zu erleichtern. Als Option kann zudem ein Umlagesystem geschaffen werden, damit Preissprünge beim Gas für Energieversorger gleichmäßiger an Kunden weitergeben werden können - als Ersatz für bisher mögliche Regeln. Die Bundesregierung will aber vermeiden, dass dieses Instrument zum Einsatz kommen muss.
Die vom Bundestag beschlossenen Gesetzesänderungen sollen am Freitag noch durch den Bundesrat. Sie sind eine Reaktion auf die starke Drosselung russischer Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1. Um Gas einzusparen, soll nun weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden. Stattdessen sollen Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen, die gegenwärtig nur eingeschränkt verfügbar sind, vor der Stilllegung stehen oder sich in der Reserve befinden.
Afghanistan-Abzug soll in Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden
Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und die anschließende Evakuierungsmission werden von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet. Der Bundestag beschloss am frühen Freitagmorgen die Einsetzung des zwölfköpfigen Gremiums.
Durch die Auswertung von Dokumenten und die Befragung von Zeugen soll der Ausschuss in den kommenden Monaten klären, welche Fehler damals gemacht wurden und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. „Dabei ist es nicht unser Ziel, Schuldige zu suchen, sondern alles dafür zu tun, dass die offensichtlich begangenen Fehler in der Zukunft nicht noch einmal gemacht werden“, sagte der designierte Ausschussvorsitzende Ralf Stegner (SPD).
Die Bundeswehr hatte Afghanistan im Juni 2021 nach fast 20 Jahren verlassen. Im August beteiligte sich Deutschland dann an einem internationalen Evakuierungseinsatz, nachdem die militant-islamistischen Taliban binnen kürzester Zeit die Macht am Hindukusch übernommen hatten.
Bergungsarbeiten in Afghanistan laufen schleppend – Hilfe kommt nur langsam
Auch Tage nach dem Beben, versuchen noch immer Menschen mit bloßen Händen, die Trümmer ihrer Häuser zu räumen. Die Hilfe kommt sehr langsam ins Krisengebiet.
© Quelle: Reuters
Neben der Ampel-Koalition stimmten auch CDU und CSU für den Antrag zur Einsetzung des Ausschusses. Kritik am Untersuchungsauftrag kam lediglich von AfD und Linken. Sie forderten, die Sinnhaftigkeit des gesamten Afghanistan-Einsatzes zu überprüfen und nicht nur den überstürzten Abzug. Nach dem Willen der Parlamentsmehrheit soll diese Frage jedoch von einer Enquete-Kommission beantwortet werden, über deren Einsetzung der Bundestag am Freitagnachmittag abstimmen soll.
Keine Parlamentsmehrheit für Lieferung von 200 Fuchs-Panzern
Die Forderung von CDU und CSU, der Ukraine kurzfristig 200 Transportpanzer vom Typ Fuchs zu liefern, hat im Bundestag keine Mehrheit gefunden. Das Parlament stimmte in der Nacht zum Freitag gegen einen entsprechenden Entschließungsantrag der Unionsfraktion. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte bereits im Vorfeld der Abstimmung vor einem „Ausplündern“ der Bundeswehr gewarnt. „Wir unterstützen die Ukraine mit allem, was möglich und verantwortbar ist. Aber wir müssen die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands gewährleisten“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
+++ Lesen Sie alle aktuellen News und Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine in unserem Liveblog +++
Bundestag macht den Weg für europäische Hopfen-Beihilfen frei
Deutschlands Hopfen-Produzenten sollen auch künftig eine millionenschwere EU-Förderung erhalten. Dieses Ziel verfolgt eine Gesetzesnovelle, die der Bundestag am frühen Freitagmorgen einstimmig verabschiedet hat. Wenn jetzt noch der Bundesrat zustimmt, können auch in Zukunft jährliche Beihilfen von knapp 2,2 Millionen Euro fließen. Wegen der gemeinsamen Agrarpolitik der EU-Staaten hatte Brüssel eine nationale Rechtsgrundlage für die Zahlungen verlangt. Deshalb müssen Bundestag und Bundesrat das Hopfengesetz entsprechend überarbeiten.
Nächtlicher Hammelsprung
Die AfD hat nachts um halb zwei einen Hammelsprung im Bundestag erzwungen. Kurz vor der letzten Abstimmung der Plenardebatte zweifelte sie in der Nacht zum Freitag die Beschlussfähigkeit des Parlaments an. Streng genommen muss dafür nämlich mehr als die Hälfte der 736 Abgeordneten anwesend sein - was zu nächtlicher Stunde eigentlich nie der Fall ist.
Der Hammelsprung
Der sogenannte Hammelsprung ist ein parlamentarisches Abstimmungsverfahren, bei dem aufgrund vorheriger unklarer Stimmergebnisse die Abgeordneten den Plenarsaal zunächst verlassen müssen. Im Anschluss betreten die Abgeordneten durch eine der mit Ja, Nein bzw. Stimmenenthaltung bezeichneten Türen den Saal erneut. Dadurch können die Mehrheitsverhältnisse ebenso eindeutig geklärt werden wie die Zahl der anwesenden Parlamentarier. Der Name „Hammelsprung" entspringt einem Bild, das über der Tür für „Ja“ im Reichstagsgebäude hängt. Es zeigt eine Geschichte aus der griechischen Sage, wobei Hammel eine wichtige Rolle spielen. (Quelle: dpa/bpb)
Das wird am Freitag im Parlament wichtig
An diesem Freitag entscheidet der Bundestag über die deutsche Zustimmung zum Nato-Betritt von Schweden und Finnland. Die Abgeordneten befassen sich mit einem Gesetzentwurf, den die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP gemeinsam mit der oppositionellen Union vorgelegt hat. Eine Ratifizierung durch das deutsche Parlament vor der Sommerpause gilt als sicher.
Der Schritt Schwedens und Finnlands ist eine unmittelbare Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Am Dienstag hatten die Botschafter der 30 Bündnisstaaten im Hauptquartier in Brüssel in Anwesenheit der Außenminister der beiden nordischen Länder bereits die sogenannten Beitrittsprotokolle unterzeichnet. Diese durchlaufen nun die nationalen Ratifizierungsprozesse, um wirksam zu werden. Kanada und Estland haben dies bereits vollzogen. Als Unsicherheitsfaktor gilt vor allem die Türkei.
Bei einem anderen Tagesordnungspunkt, der am Freitag im Bundestag ansteht, arbeiten CDU und CSU ebenfalls mit der Regierungskoalition zusammen: Das Parlament will eine Enquete-Kommission einsetzen, die mit wissenschaftlicher Begleitung den fast 20 Jahre andauernden Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan beleuchtet. Der designierte Kommissionschef Michael Müller (SPD) mahnte für künftige Auslandseinsätze eine präzisere Zielsetzung an. In Afghanistan sei es in den ersten zehn Jahren um den Kampf gegen den Terror gegangen. Für die zweiten zehn Jahre habe es jedoch keinen eindeutigen neuen Auftrag gegeben, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
RND/dpa