Lafontaine, Wagenknecht und die Linke: nur noch „mütend“

Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine.

Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine.

Berlin. Dem Chef der Thüringer Staatskanzlei, Benjamin Hoff (Linke), entfuhr am Donnerstag bei Twitter ein Stoßseufzer. „In Deutschland gibt es eine Partei die Linke“, schrieb er, „daneben – so scheint es – eine davon politisch selbständige und unabhängige Einheit Linksfraktion und darin dann noch Sahra Wagenknecht. Das ist, was viele Mitglieder so ‚mütend‘ macht.“

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Dabei muss man wissen, dass das Wort „mütend“ eine verbale Neuschöpfung der sozialen Netzwerke ist, die sich im Zuge der Corona-Krise herausgebildet hat und eine Mischung bezeichnet aus müde und wütend. Ferner schadet es nicht zu wissen, dass Hoff mit der Linken-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow verbündet ist, die wie er aus Thüringen kommt und so ähnlich denken dürfte. Nicht ganz so gut kann er mit dem Linksfraktions­vorsitzenden Dietmar Bartsch, der mit Wagenknecht von 2015 und 2019 gemeinsam amtierte.

Kipping verlässt Bundestagsfraktion

Der Unmut über Wagenknecht ist mal wieder gepaart mit dem Unmut über ihren Mann Oskar Lafontaine. Denn beide haben in den letzten Monaten zunehmend kritische Positionen zur Corona-Politik der Bundes­regierung eingenommen. Nicht nur für Hoff ist das Maß längst voll. Ein führender Linken-Vertreter des Berliner Landes­verbandes sagte kürzlich hinter vorgehaltener Hand, wenn die Partei auf der Bundesebene so weitermache, dann werde sie bei der nächsten Bundestags­wahl 2025 nicht mehr 4,9 Prozent bekommen wie voriges Jahr, sondern nur noch 3 Prozent oder weniger.

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Die einstige Partei­vorsitzende Katja Kipping trat unlängst die Flucht an. Sie verließ die Bundestags­fraktion und ist jetzt Sozialsenatorin in der Hauptstadt.

Der 78-jährige Lafontaine war erst kürzlich bei der von dem Schauspieler Volker Bruch gegründeten Initiative „Alles auf den Tisch“ zu sehen, deren umstrittene Videos nun Berichten zufolge teilweise von Youtube aus dem Netz genommen wurden. Er beklagte dort eine „Ausgrenzung der Ungeimpften“ und eine Verengung des Meinungs­korridors, in dem Kritiker der Maßnahmen nicht mehr gehört würden.

Lafontaine: Ich habe an das Impfen geglaubt

Weiter monierte der ehemalige SPD-Vorsitzende, der die Partei später verließ und als Konkurrenz die Linke mitbegründete, das zentrale Problem sei der Mangel an Pflegekräften, der wiederum auf schlechte Bezahlung zurückzuführen sei.

Dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND) sagte Lafontaine: „Ich habe an das Impfen geglaubt.“ Aber die wichtigste Erwartung, dass sich auf diesem Wege Herden­immunität herstellen ließe, habe sich nicht erfüllt. Zu inner­parteilichem Unmut äußerte er sich nicht. Bekanntlich ist Lafontaine aber der Meinung, dass die Linke Kritik an den Corona-Maßnahmen nicht allein der AfD überlassen dürfe.

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Der Partei kann das bis zu einem gewissen Grad egal sein. Lafontaine, der noch als Vorsitzender der saarländischen Landtags­fraktion amtiert, ist medial kaum mehr präsent. Überdies tritt er bei der Landtags­wahl im März nicht wieder an. Die politische Karriere des 1999 zurückgetretenen Bundes­finanz­ministers ist zu Ende.

Bei Wagenknecht ist das anders. Zwar ist die mittlerweile 52-Jährige nicht mehr Fraktionschefin, aber sie ist unverändert Bundestags­abgeordnete, tritt regelmäßig im Fernsehen auf, schreibt Bücher und hat auch mit eigenen Online­auftritten eine enorme Reichweite.

Wagenknechts Popularität rührt vielfach gerade aus dem Gegensatz zur Linken her. Darum schmerzt es viele Partei­freundinnen und Partei­freunde, wenn sie impfkritische Positionen bezieht und etwa die aktuellen Restriktionen im Parlament als „verfassungs­widrig“ bezeichnet. Ende des Jahres wurde Wagenknecht ein Auftritt beim nordrhein-westfälischen Landesverband verwehrt.

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Torte im Gesicht

Der Konflikt um Corona und das Impfen ist einer von vielen. Ob Euro- oder Flüchtlingskrise – stets nahm das Paar abweichende Positionen ein. Beim Magdeburger Parteitag 2016 bekam Wagenknecht eine Torte ins Gesicht. Unterdessen sorgte ihre Sammlungs­bewegung „Aufstehen“ für Empörung. Mit Kipping und dem damaligen Co-Vorsitzenden Bernd Riexinger lag Wagenknecht notorisch über Kreuz.

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Solange Sahra Wagenknecht die Linke nicht von sich aus verlässt, dürfte der Streit weitergehen. Die Partei könnte ihn mit ihrer Existenz bezahlen.

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