Faeser stellt Lagebericht vor: über 300 Rechtsextreme in den Sicherheitsbehörden
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Bundesinnenministerin Faeser (SPD) stellt bei einer Pressekonferenz das Lagebild zu Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden vor.
© Quelle: Britta Pedersen/dpa
Berlin. 327 Fälle von Rechtsextremisten, Reichsbürgern und Selbstverwaltern in Polizei, Bundeswehr und Geheimdiensten – eigentlich sollte einer Bundesinnenministerin bei diesen Zahlen nicht zum Lachen zumute sein. Trotzdem musste Nancy Faeser (SPD) ein Lachen unterdrücken, als Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang über die Mitgliedschaft in vom Verfassungsschutz beobachteten Parteien sprach und dabei natürlich von der AfD die Rede war.
Zwar sind AfD-Mitgliedschaften im am Freitag vorgestellten Bericht nicht zuletzt wegen des langen Rechtsstreits um die Beobachtung noch nicht erfasst, dennoch zeigen die Zahlen eine erhebliche Steigerung im Vergleich zum Bericht von vor zwei Jahren. Das liegt vor allem daran, dass mit der Methodik jetzt auch Fälle in der Bundeswehr erfasst werden. Auch eine stärkere Sensibilisierung innerhalb der Behörden spiele eine Rolle, so Verfassungsschützer Haldenwang.
Fallzahlen der Bundeswehr stechen heraus
Insgesamt hat der Verfassungsschutz 860 Fälle geprüft, die zwischen 2018 und 2021 erhoben wurden. Die meisten davon gab es in den Landesbehörden, auf die Bundesbehörden fielen nur 176 Prüffälle, allerdings wurden diese mit 138 in auffallend hoher Zahl bestätigt. Der Großteil davon fällt mit 108 Fällen auf die Bundeswehr, hier haben sich nur sieben Verdachtsfälle als nicht stichhaltig erwiesen.
„Ich gehe davon aus, dass vor uns nach wie vor ein großes Dunkelfeld liegt“, sagte die erste parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) dazu. Es müsse ein größeres Augenmerk auf neu als rechtsextremistisch eingestufte Parteien gelegt werden: „Die Vernetzungen der AfD in den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder müssen nun aufgearbeitet werden“, so Mihalic.
Trotzdem betont die Innenministerin, dass der große Teil der Bediensteten nicht in Opposition zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe. Sie konstatiert dennoch: „Jeder Verfassungsfeind bei den Sicherheitsbehörden erschüttert das Vertrauen in den Staat“.
Faeser will Verfassungsfeinde in Sicherheitsbehörden erkennen und bekämpfen
„Was besser ist, ist, dass wir eine einheitliche Methode jetzt zur Erfassung der Fälle in den Bundesländern und im Bund haben“, so Faeser.
© Quelle: Reuters
Faeser will als Konsequenz Disziplinarverfahren beschleunigen
Als Konsequenz wurden 500 arbeits- und disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet. Diese Disziplinarverfahren will Faeser nun noch in diesem Jahr deutlich beschleunigen. Dabei helfen könnte eine Beweislastumkehr, wie es sie bereits in Baden-Württemberg gibt. „Wir prüfen gerade, inwieweit das möglich ist“, so die Innenministerin.
Auch Schulungen sollen bei der Einstellung von Beamten und im Umgang mit Fällen von Rechtsextremismus helfen. „Mit dem Missverständnis, man könne das in den eigenen Reihen regeln, ist gründlich aufgeräumt worden“, sagte Haldenwang.
Putins deutsche Verteidiger: die neuen alten Parolen der Verschwörungsideologen
Im Zuge der Proteste der Corona-Leugner und Impfgegner ist oft eine Sympathie für Wladimir Putin zu beobachten. Mit Blick auf die Geschichte der Protestbewegung ist das nicht ganz neu: 2014 nach der Annexion der Krim trafen sie sich zu „Friedensmahnwachen“. Ein wichtiger Protagonist ist nun nach längerer Zeit wieder öffentlich aufgetreten.
Das erste Mal ist nun auch rechten Netzwerken bei Sicherheitsbehörden nachgegangen worden. Diese gebe es allerdings nicht innerhalb, sondern nur außerhalb der Behörden, betont die SPD-Politikerin. Laut Bericht haben über 60 Prozent der problematischen Beamten Kontakt zu rechtsextremen Netzwerken – der Verfassungsschutz zählt insgesamt 1.663 Verbindungen zu entsprechenden Personen, Veranstaltungen oder Chatgruppen.
Laut dem Präsidenten des Bundeverfassungsschutzes gebe es in einigen Fällen zwar regionale Zusammenhänge, wie in der Vergangenheit bei rechtsextremen Chats der Polizei in Hessen, bundesweite Verbindungen über verschiedene Behörden hinweg konnten allerdings nicht festgestellt werden, auch wenn Haldenwang angesichts der neuen Erkenntnisse dies ausdrücklich nicht ausschließen wollte.
„Wir sehen bisher einige lose Enden der rechtsextremen Netzwerke. Es ist notwendig, nun umso konsequenter und härter gegen die Netzwerke außerhalb und innerhalb von Behörden vorzugehen“, sagte die Innenexpertin der Linken, Martina Renner, dem RND. Auch sie fordert, die AfD und die Neue Rechte stärker zu berücksichtigen.
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