Lars Klingbeil, Saskia Esken, Kevin Kühnert: So sortiert die SPD sich neu

Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär (von rechts), Saskia Esken, SPD-Parteivorsitzende, und Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender, aufgenommen im Rahmen des SPD-Bundesparteitages in Berlin.

Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär (von rechts), Saskia Esken, SPD-Parteivorsitzende, und Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender, aufgenommen im Rahmen des SPD-Bundesparteitages in Berlin.

Berlin. Wird Olaf Scholz die SPD unterwerfen und auf Kanzlerkurs bringen? Oder aber legen ihn die Jusos an die kurze Leine? Beides seien groteske Zerrbilder, ruft Kevin Kühnert beim SPD-Parteitag den Delegierten zu.

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„Fraktion und Regierung sind für uns als SPD unsere Hände, die Wirklichkeit formen und verändern können“, sagt Kühnert. Er sei froh, dass vorn wieder zwei solcher Hände säßen, die an erster Stelle im Land Verantwortung übernehmen könnten, fügt der 32-Jährige hinzu – und blickt auf Kanzler Olaf Scholz. Die Partei wiederum sei Kopf und Herz der sozialdemokratischen Bewegung.

Also alles super bei der SPD? Die Sozialdemokraten haben am Samstag eine neue Parteispitze gewählt. Dabei wirkte die Partei, die nach vielen Monaten lähmend schlechter Umfragewerte plötzlich die Bundestagswahl gewann, wie ein Abiturient, der nach dem überraschenden Bestehen der Prüfung irgendwie nicht richtig losgelöst feiern kann.

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Eine erstaunliche Zahlenbilanz

Lars Klingbeil und Saskia Esken werden künftig gemeinsam die SPD als Doppelspitze führen. Klingbeil erhält 86,3 Prozent der Stimmen. Das ist ordentlich, aber nicht berauschend. Für Saskia Esken, die bisher mit Norbert Walter-Borjans die Parteispitze bildete, stimmen 76,7 Prozent. Das ist wenig in der Situation des lange unerwarteten Erfolgs. Kevin Kühnert, einst Anführer des Widerstands gegen die große Koalition, wird mit 77,8 Prozent neuer Generalsekretär und damit Nachfolger Klingbeils in diesem Amt.

Klingbeil ist einer der Architekten der erfolgreichen Wahlkampagne. Er kann auch auf eine erstaunliche Zahlenbilanz verweisen: In seinen vier Jahren als Generalsekretär hat er mit acht Vorsitzenden (kommissarische Parteichefs inklusive) zusammengearbeitet. Es gab sechs Parteitage, 39 Regionalkonferenzen, zwei Koalitionsverhandlungen und zwei Mitgliederentscheide. Jetzt soll dauerhaft mehr Stabilität herrschen.

Die Geschichte eines Bandzitats

„Nur weil man sich so dran gewöhnt hat, ist es nicht normal. Nur weil man es nicht besser kennt, ist es nicht egal.“ Mit diesen Textzeilen der Band „Kettcar“ hat Klingbeil im Jahr 2017 sein Amt als Generalsekretär angetreten. Vier Jahre später benutzt er sie in seiner Bewerbungsrede für den Posten des Parteichefs wieder.

Damit will der 43-Jährige sagen: Die SPD kann sich jetzt nicht auf ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl ausruhen, sondern muss weiter an sich arbeiten. „Ein Sieg bei der Bundestagswahl, das reicht mir nicht, ich will mehr“, ruft Klingbeil den Delegierten zu.

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„Ihr seht hier eine sehr, sehr glückliche Parteivorsitzende“, sagt Saskia Esken – da kennt sie ihr Wahlergebnis noch nicht. „Ich bin sicher, wir würden uns beseelt in den Arm nehmen. Wenn, ja wenn da nicht Corona wäre“, sagt sie auf dem Parteitag, der zum großen Teil digital stattfindet.

An der Seite von Norbert Walter-Borjans hat sie vor zwei Jahren Olaf Scholz im Kampf um den Parteivorsitz besiegt – später machten die beiden ihn zum Kanzlerkandidaten. Esken, die vor zwei Jahren Zweifel daran ließ, ob sie in Scholz einen standhaften Sozialdemokraten sehe, spricht Scholz nun „sozialdemokratisches Herzblut“ zu.

Der Feminist Klingbeil

Die 60-Jährige kündigt an, sie wolle weiter für mehr Geschlechtergerechtigkeit kämpfen – auch in der SPD. „Ich weiß mit Lars einen echten Feministen an meiner Seite“, sagt Esken. Und dann direkt an Klingbeil gewandt: „Offenbar hat das noch niemand zu dir gesagt.“

Es ist eine hochspannende Konstellation, aus der heraus die SPD jetzt geführt wird. Klingbeil und Kühnert nennen sich gegenseitig Freunde, obwohl sie aus unterschiedlichen Lagern in der SPD kommen. Esken verdankt ihre erste Wahl ins Amt der Vorsitzenden vor zwei Jahren vor allem der Unterstützung des damaligen Juso-Chefs Kühnert.

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Wie groß ist das Vertrauen?

Warum gibt es am Samstag nicht einfach einen Feierparteitag mit Traumergebnissen für alle, die kandidieren? Ist das gegenseitige Vertrauen zwischen den Parteiflügeln vielleicht doch nicht so groß? Esken nehmen bis heute einige übel, dass sie sich vor zwei Jahren als weitgehend unbekannte Abgeordnete den Parteivorsitz zutraute. Bei Klingbeil, dem ein deutlich stärkeres Wahlergebnis zugetraut wurde, wird manch ein Parteilinker vielleicht auch taktisch mit Nein gestimmt haben – damit er nicht zu stark wird.

Und was macht Olaf Scholz? Er betont, es werde in den Jahren der Regierung darum gehen, das Versprechen von Respekt in der Gesellschaft wahrzumachen. „Das stand eben nicht nur auf dem Plakat. Das haben wir ganz tief ernst gemeint“, sagt er in seiner ersten Rede als Bundeskanzler auf einem SPD-Parteitag. Er kündigt an, dass der Mindestlohn schnell kommen werde. Und dass er den Klimawandel so bekämpfen wolle, dass es in Deutschland auch in 20 bis 30 Jahren noch gute Arbeitsplätze gebe.

Wir wollen die Zwanzigerjahre prägen, die jetzt vor uns liegen.

Saskia Esken,

SPD-Chefin

„Wir wollen die Zwanzigerjahre prägen, die jetzt vor uns liegen“, sagt Scholz. Er sagt, die Menschen müssten sich darauf verlassen können, dass die SPD in der Regierung das tue, was sie angekündigt habe. Von den wenigen, die in der aktuellen Corona-Lage bei dem Parteitag im Saal sein können, erhält er stehenden Applaus.

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Kevin Kühnert wiederum erinnert die SPD an eine Botschaft, die Andrea Nahles der Partei nach ihrem Sturz als Vorsitzende hinterließ: „Bleibt beieinander und handelt besonnen.“ Denn das Land brauche die SPD.

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