Ermittler rätseln über Durchsuchungsfund: Führte einer der festgenommenen „Reichsbürger“ eine Feindesliste?
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Der Bundestag in Berlin.
© Quelle: Getty Images
Berlin. Eine bei einem der Verdächtigen aus der „Reichsbürger“-Szene gefundene Liste mit Namen von Prominenten gibt den Ermittlern Rätsel auf. Aus Sicherheitskreisen hieß es am Freitag, zu welchem Zweck diese Liste erstellt worden sei, müsse noch aufgeklärt werden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur steht noch nicht fest, ob es sich dabei um eine sogenannte Feindesliste handelt. Darüber hatte zunächst die „taz“ berichtet.
Bei den darauf verzeichneten Personen soll es sich um 18 bekannte TV‑Persönlichkeiten der öffentlich-rechtlichen Sender und Personen aus der Politik handeln – unter anderem um Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die SPD‑Chefin Saskia Esken, SPD‑Generalsekretär Kevin Kühnert und CDU‑Chef Friedrich Merz. Insgesamt sollen sich sieben Mitglieder des Bundestages auf der Liste befinden, sie alle seien am Mittwochmorgen vom Bundeskriminalamt über den Sachverhalt informiert worden, heißt es.
Dem Vernehmen nach war die Liste im vergangenen April bei einer Hausdurchsuchung gefunden wurden. Sie soll bei einem Mann entdeckt worden sein, der zu den am Mittwoch Festgenommenen gehört.
Bundestag beschäftigt mit „Reichsbürger“-Razzia
Der Bundestag beschäftigt sich indes in der kommenden Woche gleich in mehreren Sondersitzungen mit der Großrazzia. Auf Antrag der Unionsfraktion soll der Fall am Montag sowohl im Innenausschuss als auch im Rechtsausschuss erörtert werden. Die Grünen dringen außerdem darauf, dass die nun aufgedeckten Pläne der Gruppe in einer Aktuellen Stunde im Plenum des Bundestages thematisiert werden.
Frühere AfD-Abgeordnete Malsack-Winkemann bei Razzia in Reichsbürgerszene festgenommen
Zu den Verdächtigen, die bei der bundesweiten Razzia gegen die sogenannte Reichsbürger-Szene festgenommen wurden, gehört auch eine Berliner Richterin.
© Quelle: dpa
„Das enttarnte Terrornetzwerk hat nach derzeitiger Kenntnis gezielt Angriffe auf den Deutschen Bundestag und damit das Herz der Demokratie vorbereitet“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, am Freitag. Daher sollte sich der Bundestag bald „mit der Bedrohung der Demokratie durch Netzwerke von ‚Reichsbürgern‘ und anderen Rechtsextremisten“ befassen.
Dabei müsse nicht nur über die laufenden Ermittlungen gesprochen werden, sondern auch über politische Konsequenzen sowie über sicherheitspolitische Maßnahmen und den gesellschaftlichen Handlungsbedarf. „Die Ampelpartner werden Anfang der Woche in ihren Fraktionsvorständen über die Aktuelle Stunde entscheiden“, kündigte die Innenpolitikerin an.
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„Durchgestochene Ermittlungsinterna gefährden die Ermittlungen“
Die Unionsfraktion im Bundestag will im Rechtsausschuss auch über eine Weitergabe von Informationen vor der Razzia sprechen. „Durchgestochene Ermittlungsinterna gefährden die Ermittlungen und schaden dem Rechtsstaat“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Günter Krings (CDU), dem Nachrichtenportal „T‑Online“. „Sofern Medienvertreter von den durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen und Festnahmen vorab informiert gewesen sein sollten, muss dies untersucht und aufgeklärt werden.“
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte: „Einsätze wie der, der da gelaufen ist, sind immer auch mit einer möglichen Gefährdung der Einsatzkräfte verbunden.“ Eine Vorab-Weitergabe von Informationen dazu sei „unverantwortlich“.
Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch bei einem der größten Polizeieinsätze in der Geschichte der Bundesrepublik in elf Bundesländern sowie in Italien und Österreich 25 Menschen festnehmen lassen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Bei den drei anderen geht es um Unterstützung. Die Bundesanwaltschaft sprach zudem von 27 weiteren Beschuldigten. „Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen.
Steinmeier: Behörden werden Schlüsse aus Terrorermittlungen ziehen
Nach der Großaktion gegen die Mitglieder der sogenannten Reichsbürger-Szene zeigte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überzeugt, dass die Behörden den Umtrieben weiter auf den Grund gehen. „Ich bin mir sicher, dass die Sicherheitsbehörden dem sehr genau nachgehen werden und ihre Schlüsse daraus ziehen werden“, sagte Steinmeier am Freitag in Berlin.
„Wir sind eine liberale Demokratie, in der Freiheit, Pressefreiheit, Informationsfreiheit nicht nur rechtlich garantiert wird, sondern auch tagtäglich in Anspruch genommen wird“, sagte Steinmeier. „Aber wir sind – und wollen es sein – auch eine wehrhafte Demokratie, die sich zur Wehr gegen diejenigen setzt, die diese Demokratie insgesamt nicht nur kritisieren, infrage stellen und sogar aktiv bekämpfen“, sagte Steinmeier weiter. „Wenn die Sicherheitsbehörden Hinweise darauf haben, Verdachtsmomente haben, dass hier Bewegungen, Vereinigungen im Gange sind, die genau dieses zum Ziel haben, dann kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nur sagen: Dankbarkeit all denjenigen, die an der Erforschung, Ermittlung mitgewirkt haben und die Maßnahmen aus den jüngsten Tagen eingeleitet haben.“
RND/tdi/dpa