Lauterbach: „Im September werden wir angepasste Impfstoffe haben“
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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
Hannover/Berlin. Erst kürzlich hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erneut davor gewarnt, Corona-Infektionen in der laufenden Sommerwelle zu unterschätzen oder in Kauf zu nehmen. Dass man sich infiziere und danach dann für immer immun sei, habe sich nicht bestätigt, sagte Lauterbach dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Stattdessen könne man sich sehr leicht mit der aktuellen Virusvariante BA.5 anstecken, auch wenn man mit der vorherigen Variante BA.2 infiziert gewesen war.
Am Freitag beantwortete der SPD-Politiker im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio nun Nutzerfragen zur nationalen Corona-Politik und weiteren Gesundheitsthemen, die zuvor auf den „Bericht aus Berlin“-Accounts gesammelt worden waren.
Lauterbach über …
… an Omikron angepasste Impfstoffe:
„Die angepassten Impfstoffe verzögern sich. Aber die gute Nachricht ist: Sie kommen. Ich bin mit den Unternehmen im direkten Austausch. Hier spielen insbesondere Moderna und Biontech die entscheidende Rolle. Ich habe das Moderna-Werk in der Nähe von Boston besucht, bin mit dem Forschungsleiter im engen Austausch. Im September werden wir angepasste Impfstoffe haben. Was diese Impfstoffe im Vergleich zum jetzigen leisten können: Man senkt deutlich das Risiko, dass man sich überhaupt infiziert.“
… Schulschließungen:
„Ich bin niemand, der Sachen ausplaudert, weil wir noch verhandeln. Die Verhandlungen werden in Kürze abgeschlossen, dann kommt das Infektionsschutzgesetz. Ich habe mich daran immer gehalten, hier mache ich aber eine Ausnahme: Möglichkeiten für Schulschließungen wird es nicht mehr geben.“
Coronavirus: Verwirrung um den zweiten Booster
Zum jetzigen Zeitpunkt kann man die Frage, ob eine zweite Booster-Impfung sinnvoll ist oder nicht, nicht pauschal beantworten.
© Quelle: dpa
… die vierte Impfung für alle:
„Ich hatte im sogenannten Spitzengespräch mit dem ‚Spiegel‘ gesagt, dass es auch für unter 60-Jährige sinnvoll sein kann, eine vierte Impfung in Erwägung zu ziehen, wenn man ganz viele Kontakte hat, wenn ich zum Beispiel in einer Bar arbeite oder im Berghain (Technoclub in Berlin, d. Red.) beschäftigt bin. Es gibt viele, die haben so viele Risiken, dass eine Infektion quasi alternativ ist. Für diese besonders riskanten Berufe oder Tätigkeiten oder denjenigen, der einfach die Ruhe haben will, muss man das mit dem Hausarzt besprechen können. Die vierte Impfung für alle unter 60-Jährigen habe ich nie empfohlen. Das war eine Zuspitzung in Teilen der Medien. Ich bin mit meiner Empfehlung gar nicht weit weg von Herrn Mertens (Chef der Ständigen Impfkommission, d. Red.).“
… einen Impfstoff für unter Fünfjährige:
„Wir können nicht genau sagen, wann die europäische Zulassungsbehörde den Impfstoff für ganz Kleine zulässt. Ich hoffe, dass das schnell passiert, weil die Datenlage sehr gut ist. Beim Booster für die etwas älteren Kinder ist nicht gesichert, dass er unbedingt notwendig ist.“
… seine USA-Reise:
„Es gab eine ganz wichtige Erkenntnis, die ich gewonnen habe: Ein Professor von der Harvard-Universität, den ich von früher kannte und der Berater von Joe Biden geworden ist, hat sich sehr früh dafür eingesetzt, dass diejenigen, die älter sind oder Risikofaktoren haben und erkranken, schnell Medikamente bekommen; Paxlovid insbesondere. Das hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Sterblichkeit zurückgegangen ist. Dieses Medikament ist offenbar so wirksam, dass die Sterblichkeit um bis zu 80 Prozent gesenkt werden kann, wenn es früh genommen wird. Das ist definitiv etwas, das wir auch in Deutschland machen wollen. Dass man Medikamente besser einsetzen muss, ist ganz klar.“
… den Plan für Herbst und Winter:
„Wir haben intensiv seit Monaten daran gearbeitet. Ich bin daher auch nicht in den Urlaub gereist. Wir haben eine große Strategie zur Impfkampagne, die neuen Impfstoffe spielen da eine große Rolle. Außerdem haben wir die Testverordnung auf den Weg gebracht, sodass es kostenlose Tests gibt für diejenigen, die in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern hineingehen. Wir haben ein System aufgebaut, dass aus allen Krankenhäusern tagesaktuell die Daten kommen, wie viele Betten noch frei sind. Wir haben ein Konzept für die Kinder in Vorbereitung und das Infektionsschutzgesetz – also eine riesige Latte.“
… die Long-Covid-Therapie:
„Es steht schon im Koalitionsvertrag, dass wir ein Angebot schaffen wollen von Long-Covid-Ambulanzen. Aber man muss eines ganz klar sagen: Wenn jetzt die Frage ist, welches Medikament bei Long Covid hilft. Was ja bei Jüngeren oft der Fall ist, dass man sich nicht mehr so gut konzentrieren kann und das chronische Erschöpfungssyndrom hat. Das kann das Leben komplett verändern und führt oft dazu, dass man seinen Beruf nicht fortführen kann. Dagegen haben wir einfach keine Medikamente. Es wird allerdings viel geforscht. Und wenn ein Unternehmen ein Medikament bringen kann, das bezahlt sich im ersten halben Jahr. Das wäre mit höchstem Gewinn vermittelbar.“
… neue Schutzmaßnahmen:
„Wir werden jetzt über viele Monate hohe Fallzahlen haben und müssen dann mit Schutzmaßnahmen arbeiten, die relativ weit gehen. Daher habe ich auch daran gedacht: Wollen wir uns nicht die paar Monate Sommer gönnen, in denen es noch einmal ein bisschen zurückgeht? Ich habe die Sommerwelle sehr früh gesehen und auch angekündigt. Aber mir war klar, dass sie nicht so gravierend sein wird.“
Lauterbach zu Corona-Maßnahmen: Derzeit „keinerlei Anlass, die Isolationsregeln zu verändern“
Gesundheitsminister Karl Lauterbach will zudem in Kürze ein neues Konzept zu Corona-Schutzregelungen für den Herbst präsentieren.
© Quelle: dpa
… Endometriose:
„Das Bundesgesundheitsministerium ist kein Forschungsministerium. Trotzdem ist Endometriose eine Krankheit, die ich gut kenne. Ich weiß, dass sie vom Leidensdruck unterschätzt wird. Sie ist früher oft als Menstruationsbeschwerden abgetan worden. Es ist eine schwere Erkrankung, die die Lebensqualität deutlich einschränkt und für die wir noch keine guten Medikamente haben. Ich habe sehr klar schon früher erkannt, dass die Krankheit falsch eingeschätzt wird. Wir wissen nicht wirklich, wie der Mechanismus funktioniert. Ich würde mich freuen, wenn Frau Stark-Watzinger (Bundesbildungs- und Forschungsministerin, d. Red.) das aufgreifen würde und würde das gerne begleiten. Ich könnte den medizinischen Teil liefern.“
… Menstruationsurlaub:
„Das ist eine Frage an den Arbeitsminister, ihm möchte ich da nicht vorgreifen. Menstruation ist ja keine Krankheit.“
… den Pflegenotstand:
„Ich habe eine große Wertschätzung für Pflegekräfte. Wir haben über viele Jahre über die Überlastung gesprochen, jetzt kommt das erste Gesetz zur Entlastung der Pflegekräfte (mehr freie Tage und Urlaub, d. Red.). Wenn die Pflege Entlastung findet, kommen mehr Kräfte zurück, weil die Arbeitsbedingungen besser sind. Der Pflegeberuf ist ja wieder attraktiver geworden, davon werden dann mehr auch in der Pflege bleiben wollen. Außerdem muss der Job aufgewertet werden. In zehn Jahren werden wir hoffentlich eine besser finanzierte Pflege und kürzere Arbeitszeiten haben – und man wird Sachen machen dürfen, die jetzt Ärzten vorbehalten sind.“
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