Lauterbach will in Frage der Impfpflicht „neutral“ sein – das ist blanker Hohn

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, nimmt an der Videokonferenz des Expertenrats der Bundesregierung zur Corona-Pandemie teil.

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, nimmt an der Videokonferenz des Expertenrats der Bundesregierung zur Corona-Pandemie teil.

Berlin. Der Bundeskanzler setzt bei der Einführung einer Impfpflicht gegen das Coronavirus auf eine „weise“ und „zügige“ Entscheidung der Bundestagsabgeordneten. Und auch sein Bundesgesundheitsminister möchte nun doch nicht selbst einen Antrag schreiben. Dem Bundestag einen eigenen Entwurf vorzulegen wäre „keine so kluge Idee“, begründet Karl Lauterbach seine plötzliche politische Zurückhaltung. Damit fallen die beiden in Zeiten einer Pandemie wichtigsten Politiker als mutig vorangehende Führungskräfte aus.

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Es ist erst recht keine so kluge Idee, sich als Bundesregierung hinter dem Parlament zu verstecken und abzuwarten, welche Vorschläge von dort so kommen und sich dann den schönsten Entwurf herauszusuchen. Und den Eindruck zu vermitteln, aus Angst vor dem eigenen Scheitern die Verantwortung beim Bundestag abzuladen.

Olaf Scholz und Karl Lauterbach haben doch sehr genaue Vorstellungen, wie eine Impfpflicht ausgestaltet werden sollte. Scholz will alle Erwachsenen impfen lassen, aber „schlanke Strukturen“ etablieren. Lauterbach sagt es deutlicher: Impfpflicht ohne Impfregister.

Mit einer Datenerfassung befürchten manche Menschen Überwachung, gerade sie müssten doch erfahren, wo die Regierung selbst Grenzen ziehen will. Was bedeuten „schlanke Strukturen“? Und ab wenn wird die Pflicht gelten? Wie werden Verstöße sanktioniert? Wer kontrolliert was?

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Die Verantwortung für die Politik, die über die Belange der Bürgerinnen und Bürger entscheidet, trägt grundsätzlich zuvorderst die Regierung. Erst recht in Krisenzeiten. Scholz wird beinahe täglich an sein selbstbewusstes Versprechen erinnert, wonach Führung bekomme, wer Führung bei ihm bestelle. Das ist allerdings schon elf Jahre her, und die SPD kämpfte damals aus der Opposition heraus um die Machtübernahme in der Hansestadt Hamburg.

Verantwortung für die gesamte Bundesrepublik zu übernehmen ist eine andere Liga, aber das Prinzip ist dasselbe. Wer regieren will, muss auch den Ton angeben wollen, eine Linie präsentieren und auf diese Weise Orientierungshilfe leisten. Es müssen wahrlich nicht alle mit allem einverstanden sein, aber man muss überhaupt erst einmal wissen, was der Bundesregierung vorschwebt und warum.

Lauterbach versucht zu beschwichtigen, dass eine Impfpflicht nicht die jetzige Omikron-Welle brechen könne, sondern eher die nächsten Wellen verhindere. Also in etwa ab Herbst. Das hilft nicht, sondern hinterlässt den fatalen Eindruck, dass wir Zeit genug hätten in dieser Krise.

Viele Menschen sind am Rande ihrer Kräfte oder ihrer Geduld oder ihrer Zuversicht oder alles zusammen. Das Virus kann viel mehr als nur die Gesundheit angreifen. Reicht in der Corona-Krise das Geld? Behalte ich meine Arbeitsstelle? Hält die Familie zusammen? Gibt es eine Rückkehr zum normalen Schulalltag? Wann sind Besuche in Krankenhäusern und Altenheimen nicht auch noch beschwert mit Beschränkungen und Verboten?

Der Gesundheitsminister hat sich entschieden, in der Frage Impfpflicht „neutral“ zu sein. Das ist blanker Hohn. Soll der Klimaschutzminister neutral bei der Energiewende sein? Die Innenministerin bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus? Die Außenministerin bei Menschenrechtsverletzungen?

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Lauterbach ist mit seinem Plädoyer für die Impfpflicht ohnehin nicht neutral. Das riesige Gesundheitsministerium verfügt obendrein über eine exorbitante Expertise und hat alle Möglichkeiten, gemeinsam mit dem Justizministerium einen verfassungsfesten Gesetzentwurf vorzulegen. Die Abgeordneten könnten den dann verbessern.

Umgekehrt könnten einer Regierung, die neutral sein will, die Dinge schnell aus der Hand genommen werden. Zaudern verträgt sich nicht mit Regieren.

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