Im RND-Interview

EVP-Chef Weber unterstützt Macron: Gespräche über nukleare Abschreckung in der EU nötig

Manfred Weber (CSU), Fraktionsvorsitzender der EVP im Europaparlament.

Manfred Weber (CSU), Fraktionsvorsitzender der EVP im Europaparlament.

Brüssel. Manfred Weber ist Vorsitzender der christdemokratischen EVP-Fraktion im Europaparlament. Der 50 Jahre alte Politiker aus Bayern ist auch Chef der Europäischen Volkspartei und stellvertretender Vorsitzender der CSU. 2019 wurde die EVP mit ihrem Spitzenkandidaten Weber die stärkste Fraktion im Europaparlament. Weber wollte nach der Wahl EU‑Kommissions­präsident werden, doch die Staats- und Regierungschefs der EU‑Staaten entschieden sich für Ursula von der Leyen.

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Herr Weber, in Ihrer europäischen christdemokratischen Parteienfamilie EVP scheint die Hütte zu brennen. Silvio Berlusconi, ein Putin-Freund, hat wieder einmal für große Empörung gesorgt, weil er russische Kriegspropaganda verbreitet hat. Müssen Sie Berlusconi oder seine Partei Forza Italia jetzt nicht aus der EVP rausschmeißen?

Silvio Berlusconi hat sich inakzeptabel geäußert. Wir haben das als EVP klar zurückgewiesen. Aber ich sehe auch, dass Forza Italia als Regierungspartei in Italien einen eindeutigen Kurs fährt und die Ukraine unterstützt. Darauf kommt es letztlich an.

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, immerhin eine Postfaschistin, hat Berlusconi deutlicher gerüffelt, als Sie es getan haben. Stimmt der Eindruck?

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Der Eindruck ist falsch. Als EVP haben wir die Äußerungen Berlusconis klar verurteilt.

Sie haben Meloni mehrfach getroffen. Was halten Sie von ihr?

Es ist gut, dass sich die neue italienische Regierung konstruktiv und aktiv zu Europa und unmissverständlich zur Ukraine positioniert hat. Und sie hat die finanziellen Sanktionen gegen die ungarische Regierung wegen der Rechts­staats­verstöße mitgetragen.

Sie scheinen von Meloni beeindruckt zu sein.

Darum geht es nicht. Meloni regiert die drittgrößte Volkswirtschaft in der EU. Italien ist enorm wichtig für die EU. Wir müssen eine Regierung, die rechtmäßig und unter Einhaltung aller demokratischer Standards gewählt wurde, einbinden. Ausgrenzung wäre falsch.

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Beunruhigt Sie es nicht, dass Melonis Fratelli d’Italia bekennende Postfaschisten sind?

Natürlich gibt es da noch Kräfte, mit denen ich nichts zu tun haben will. Aber auf der anderen Seite ist auch klar: Meloni fährt als Regierungschefin einen sehr pragmatischen und stabilen Kurs für Italien und für Europa. Das muss man auch anerkennen. Wir als EVP haben eine klare Brandmauer gezogen. Jeder, der mit uns zusammenarbeiten will, muss drei Bedingungen erfüllen: Er muss für die Europäische Union einstehen, für den Rechtsstaat und für die Ukraine. Wer das nicht macht, kann kein Partner für die EVP sein. Das schließt jede Kooperation mit der PiS in Polen, mit der AfD in Deutschland und mit den Rechtsextremen von Marine Le Pen in Frankreich kategorisch aus. An dieser Stelle will ich aber auch sagen: Ich würde mir sehr wünschen, dass wir einmal über die Probleme reden, die die Sozialdemokraten und Grünen mit dem äußersten linken Rand des politischen Spektrums haben.

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Ich wünsche mir eine Brandmauer, die auch zur linken Seite steht. Ich kann nicht nachvollziehen, dass die Grünen und die Sozialisten in Frankreich den Linkspopulisten Jean-Luc Mélonchon unterstützt haben. Das war alles, nur keine Abgrenzung von einem Mann, der im Wahlkampf offen zum Bruch Frankreichs mit der EU aufgerufen hat.

Welche Parteien, die im Europaparlament rechts von den Christdemokraten stehen, wollen Sie zu einer Allianz mit der EVP bewegen?

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Ich habe einen klaren Trennungsstrich der EVP zu Orban gezogen, ich werde die EVP sicher nicht nach rechts verschieben. Wir sind die Partei der bürgerlichen Mitte. Deshalb werden wir auch mit demokratischen Konservativen zusammenarbeiten. Ich denke da zum Beispiel an die Partei des tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala, die der EVP nicht angehört. Fiala hat eine großartige EU‑Rats­präsidentschaft hingelegt. Und in Tschechien ist es auch gelungen, den früheren Ministerpräsidenten Babis als Staatspräsident zu verhindern.

Sie werben um neue Mitglieder. Machen Sie das, weil Sie fürchten, dass die Christdemokraten bei der Europawahl in gut einem Jahr nicht wieder stärkste Fraktion im Europaparlament werden könnten?

Nein, darum geht es nicht. Wir haben sehr gute Chancen, wieder die stärkste politische Kraft im Parlament zu werden, und das ist unser Ziel. Mir geht es darum, jene Parteien an- oder einzubinden, die zu unserer großen christdemokratischen Volkspartei passen. Dass es da mitunter Reibungsflächen gibt, ist doch ganz klar, wir sind eine breite Volkspartei. Aber wir müssen gemeinsam an dem Projekt arbeiten, die EU nach vorne zu bringen. In Kriegszeiten gilt das noch mehr als in Friedenszeiten.

„Mein Land kennt keine Moral mehr“

Immer mehr Verbrecher an der Front, immer mehr Gewalt gegen Zivilisten: Die russische Journalistin Ksenyia Kirillova sieht in ihrem Land „das komplette Verschwimmen aller moralischen Maßstäbe“. Dies sei, warnt sie, nicht nur für die Ukraine gefährlich, sondern auch für Russland selbst.

Was haben Sie konkret vor?

Wir Christdemokraten müssen Führungskraft zeigen, damit die Menschen in Europa uns vertrauen. Wir müssen die illegale Migration in den Griff bekommen. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Industrie Europa nicht verlässt und unser Kontinent Zukunfts­chancen bietet. Wir müssen Klima- und Umweltschutz mit einer funktionierenden Wirtschaftspolitik zusammenbringen. Wir müssen für sozialen Zusammenhalt sorgen. Die Menschen müssen spüren, dass dieses Europa nicht nur ein Europa des Geldes ist, sondern ein Europa, das sich gegenseitig stützt und stärkt, wenn es in Krisenzeiten darauf ankommt. Und wir müssen wehrhafter werden und uns mehr als bisher um die Verteidigung kümmern. Es geht um die Sicherung des European Way of Life.

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Was halten Sie von dem Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dass Europa auf eigene atomare Abschreckung setzen soll?

Präsident Macron hat den Verbündeten in der EU bereits zum zweiten Mal ein Dialogangebot gemacht. Es wäre angesichts der unmittelbaren Bedrohung Europas ein großer Fehler, dieses nicht anzunehmen. Vor allem, dass die Bundesregierung nicht positiv darauf eingeht, ist sehr irritierend. Die Grünen lehnen diese Debatte zum Beispiel aus rein ideologischen Gründen ab. Heute garantieren zum Glück die USA unsere Sicherheit. Aber die Europäer müssen sicherheitspolitisch endlich stärker auf eigenen Beinen stehen. Dazu gehört ein starker europäischer Verteidigungspfeiler, auch in der Nato, und im Extremfall die nukleare Abschreckung.

Heute garantieren zum Glück die USA unsere Sicherheit. Aber die Europäer müssen sicherheitspolitisch endlich stärker auf eigenen Beinen stehen.

Wer soll als Spitzenkandidatin oder Spitzenkandidat der EVP bei der Europawahl im Mai 2024 antreten?

EU‑Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nimmt als Amtsinhaberin sicher die Poleposition ein. Sie hat ihren Job bislang sehr gut gemacht. Warum also sollte sie sich nicht erneut um das Amt bewerben? Aber von der Leyen hat noch nicht erklärt, ob sie sich eine zweite Amtszeit vorstellen kann. Wir müssen also noch ein wenig abwarten. Die Entscheidung fällt spätestens beim Wahlparteitag der EVP im nächsten Januar.

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