Manfred Weber und Giorgia Meloni: eine riskante Annäherung
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Manfred Weber, Chef der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, steht in der Kritik.
© Quelle: IMAGO/Future Image
Die italienische Regierung veröffentlichte Anfang Januar ein bemerkenswertes Foto von Giorgia Meloni und Manfred Weber: Die Ministerpräsidentin Italiens und der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) lächeln strahlend, während sie die Hände schütteln. Die Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d‘Italia legt ihre andere Hand fast schon freundschaftlich auf Webers Oberarm. Das Foto entstand bei seinem zweiten Besuch bei Meloni.
Der Niederbayer Weber, Fraktionsvorsitzender der EVP und Chef der europäischen Parteienfamilie, sucht nach neuen Verbündeten – inzwischen auch im Lager der Rechtspopulisten und Postfaschisten. Warum?
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Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni regiert in einem Rechtsbündnis.
© Quelle: Andreea Alexandru/AP/dpa
Spätestens seit der Europawahl 2019 ist ein Grundpfeiler der konservativen Parteienfamilie in Europa weggebrochen. Die französischen Konservativen, die mit der deutschen CDU/CSU die EVP dominiert haben, sind damals gewissermaßen in der Versenkung verschwunden. „Webers Vorgehen ist stark von machtpolitischen Faktoren geprägt“, sagt ein EVP-Insider. „Weber hat eine Liste mit Parteien aus der EKR-Fraktion in der Schublade, die er abarbeitet.“
Die EKR ist die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer. In ihr tummeln sich unter anderem Abgeordnete der AfD, Postfaschisten wie Melonis Fratelli d‘Italia und Separatisten von der belgischen Nieuw Vlaamse Alliantie. Die dominante Stellung in der EKR aber nimmt die polnische Regierungspartei PiS ein. Sie stellt 23 der 64 EKR-Abgeordneten. In Brüssel ist zu hören, dass manche EKR-Mitglieder deswegen murren.
Vorgehen hat seinen Preis
Hier setzt Weber offenbar an. EKR-Parteien, so sein Kalkül, könnten in Richtung EVP umschwenken. Doch das Vorgehen hat seinen Preis. Die Annäherung an Meloni und andere Rechtsausleger habe in der EVP „für heftigen Unmut“ gesorgt, heißt es. Der frühere EVP-Chef Donald Tusk etwa findet die Avancen Webers kontraproduktiv. Er will im Herbst die PiS aus der Regierung in Warschau verjagen. Auch die belgischen Konservativen in der EVP sind über Webers Gespräche mit den flämischen Nationalisten in der EKR alles andere als erfreut.
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Webers Sprecher verwies auf Anfrage des RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) auf ein Statement, das der EVP-Chef dem „Münchner Merkur“ kürzlich gab. „Italien gehört zum Kern in Europa. Es muss möglich sein, mit der dortigen Regierung zu reden, wenn sie konstruktiv in Europa mitarbeiten will“, sagte Weber. „Alles andere würde die EU spalten.“
Nicht alle lehnen das europäische Projekt ab – im Gegenteil. Die EVP-Partei Forza Italia etwa ist im vergangenen Jahr in eine Koalition mit Melonis Partei in Italien eingetreten. Weber, der auch CSU-Vize ist, unterstützte Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi.
Söder rügte Weber
Dafür watschte CSU-Chef Markus Söder seinen Parteikollegen öffentlich ab. Der bayerische Ministerpräsident beschwor die Brandmauer gegen „neofaschistische Gruppen“ und betonte, es sei nicht die Aufgabe bürgerlicher Parteien, rechtsradikale Regierungen zu ermöglichen. Für Söder war das auch seine Chance, sich von seinem Kontrahenten Weber abzugrenzen und vor allem mittiger zu positionieren.
Söders Blick dürfte da in Richtung Bayern-Wahl am 8. Dezember gegangen sein. Söder will erneut Ministerpräsident werden. Für die CSU sehen die Umfragen gut aus, sie steht stabil auf Platz eins. Eine Wiederholung von 2018, als Söder versucht hatte, die Rechtspopulisten zu kopieren und die CSU massiv an Stimmen einbüßte, will man aber unbedingt vermeiden. Dass politische Gegner den Kurs von Weber im Wahlkampf nutzen werden, gilt in der CSU als wahrscheinlich. Zudem sorgen sich die Christsozialen, dass die AfD Aufwind bekommt. Auch deswegen hat sich die CSU dem Vernehmen nach in der Debatte über die Silvesterkrawalle nicht auf eine Integrationsdiskussion eingelassen.
Als bürgerliche Volkspartei der Mitte grenze sich die EVP sehr klar von allen Radikalen ab, sagte Weber dem „Münchner Merkur“. „Nur mit proeuropäischen Kräften, die den Rechtsstaat respektieren und die Ukraine unterstützen, kann es eine Zusammenarbeit geben“, unterstrich er. „Es braucht eine Brandmauer gegenüber den rechten Radikalen. Jede Kooperation mit der AfD in Deutschland ist undenkbar.“
Von seinem europapolitischen Vorgehen lässt sich Weber dennoch nicht abbringen. Um auch künftig Einfluss auf die Besetzung wichtiger Posten im EU-Betrieb zu haben, will Weber die EVP so stark machen wie möglich. Derzeit führen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zwei EVP-Frauen zwei der höchsten Posten in Brüssel. Ob das nach der Europawahl im Mai 2024 so bleibt, ist offen. Die Konservativen in Europa haben in den vergangenen Jahrzehnten viele Wählerinnen und Wähler verloren.
Aus machtpolitischer Sicht sei es durchaus sinnvoll, neue Verbündete zu suchen. „Weber versucht, einen Keil in die EKR zu treiben“, heißt es in der EVP. Er habe aber versichert, dass potenzielle Überläufer klipp und klar „proeuropäisch, pro Rechtsstaat und pro Ukraine“ sein müssten.
Seine Avancen gegenüber Meloni erinnern Insider an den Umgang mit der Fidesz-Partei des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán. Lange Zeit hielt Weber seine schützende Hand über Fidesz – um den Einfluss der EVP-Fraktion im Europaparlament nicht zu verringern. Erst, als es gar nicht mehr ging, ließ Weber Statuten ändern und drängte die Partei des Budapester Rechtsauslegers zum Austritt. Die Annäherung ging also schief.