Matteo Renzi: Ein Ex-Premier sieht rot

Der frühere italienische Regierungschef Matteo Renzi (Archivbild).

Der frühere italienische Regierungschef Matteo Renzi (Archivbild).

Rom. In seiner Heftigkeit erinnert der von Renzi losgetretene Krieg gegen die Staatsanwälte an die Kreuzzüge, die ein anderer Ex-Premier, Silvio Berlusconi, gegen die „roten Roben“ geführt hatte. Berlusconi, der in Dutzenden von Prozessen angeklagt war und zum Teil immer noch ist, hatte die Staatsanwälte und Richter jeweils als „Krebsgeschwür“ und „Staat im Staat“ bezeichnet und ihnen vorgeworfen, vom Gerichtssaal aus seine demokratisch gewählte Regierung stürzen zu wollen.

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Matteo Renzi steht dem Cavaliere diesbezüglich nicht um vieles nach. Als die Staatsanwaltschaft von Florenz am Mittwoch einen Prozess gegen ihn beantragte, eilte Renzi in die Politiktalkshow „Porta a Porta“ des Staatssenders RAI, um der Nation mitzuteilen, dass er seine drei Ankläger vor Gericht zerren und auf Schadensersatz verklagen werde.

Außerdem verlas er ein Disziplinarurteil gegen einen der Staatsanwälte, in welchem dieser der sexuellen Belästigung einer Kollegin bezichtigt wird. „In jedem anderen Beruf wäre er entlassen worden und für sechs Jahre ins Gefängnis gewandert. Ihm dagegen wurde lediglich geringfügig die Rente gekürzt“, ereiferte sich Renzi.

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Den Zorn des Ex-Premiers haben sich die Staatsanwälte mit dem Vorwurf zugezogen, Renzi habe über seine frühere Stiftung Open illegal Parteispenden kassiert. Tatsächlich hatte die Stiftung zwischen 2012 und 2018 etwa 7 Millionen Euro an Zuwendungen für seine politischen Aktivitäten erhalten – von Unternehmern und Privatpersonen. Renzi, der von 2014 bis 2016 Regierungschef war, bestreitet, dass es sich dabei um Parteispenden gehandelt habe: Open sei ja keine Partei, sondern eine private Stiftung gewesen.

Renzi kritisiert Staatsanwälte

Renzi wirft den Staatsanwälten vor, sich auf ihn und seine Familie eingeschossen zu haben. „Die sind voreingenommen, ich traue denen nicht“, erklärte er. Gänzlich aus der Luft gegriffen scheinen Renzis Zweifel an der Überparteilichkeit der Staatsanwälte nicht: Vor der Anklage gegen ihn hatte die Justiz von Florenz bereits gegen seine Eltern und seinen Schwager ermittelt. Einer der Ankläger, die nun gegen Renzi ermitteln, hatte schon seinen Vater unter Hausarrest gestellt; die Maßnahme ist später durch eine Prüfinstanz widerrufen worden.

„Bis ich in die Politik ging, waren wir eine normale, ehrbare Familie gewesen. Jetzt werden wir behandelt, als wären wir eine Bande von Gangstern“, betonte der Ex-Premier. Renzi mag mit seinen Vorwürfen wie so oft über das Ziel hinausschießen – aber das Problem, das er anspricht, ist real: In der italienischen Justiz steckt der Wurm drin. Immer wieder machen Staatsanwälte mit spektakulären Anklagen gegen Politiker Schlagzeilen, meist unmittelbar vor Wahlen, und die Prozesse enden dann oft entweder mit Freisprüchen oder Verjährung. „Giustizia all‘orologeria“ nennt man dies in Italien: „Justiz mit Zeitzünder“.

Ein weiteres Problem sind extrem lange Verfahrensdauern, die faktisch einer Rechtsverweigerung gleichkommen und ausländische Investoren in die Flucht schlagen. Neben dem chronischen Personalmangel an den Gerichten, einem barocken Prozessrecht und mangelnder Digitalisierung krankt das Justizsystem vor allem an einem: an fehlender Kontrolle.

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Der „Consiglio Superiore della Magistratura“ (CSM), das Selbstverwaltungsorgan der italienischen Justiz, bestimmt autonom über die Karrieren von Richtern und Staatsanwälten und entscheidet insbesondere auch in Disziplinarfragen. Das heißt: Die italienische Justiz kontrolliert sich selber. Und weil im CSM die eine Krähe der anderen nicht die Augen aushackt, müssen Richter und Staatsanwälte selbst bei schwerwiegenden Verfehlungen oder Versäumnissen kaum je mit einer ernsthaften Sanktion rechnen.

Regierung will Justiz reformieren

Neben den Reformen des Zivil- und Strafprozessrechts, mit der die überlangen Verfahrensdauern verkürzt werden sollen, arbeitet die Regierung von Mario Draghi derzeit auch an einer Reform des CSM. Damit will die Regierung unter anderem der „Politisierung“ der Justiz etwas Einhalt gebieten.

Die Reformen kommen aber wegen ihrer politischen Brisanz nur sehr schleppend voran. Das könnte sich jedoch schnell ändern: Schon nächste Woche wird das Verfassungsgericht über ein Referendum entscheiden, das die italienische Justiz revolutionieren könnte. Die Lega und die Bürgerrechtspartei Più Europa fordern unter anderem die Einführung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit der Richter und eine regelmäßige Überprüfung ihrer Arbeit. Erachtet das Verfassungsgericht das Volksbegehren als zulässig, könnte schon in diesem Frühling darüber abgestimmt werden.

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