Abberufung aus Deutschland

Zu viel Porzellan zerschlagen: Warum Melnyk als Botschafter abberufen wurde

Der scheidende ukrainische Botschafter Andrij Melnyk.

Der scheidende ukrainische Botschafter Andrij Melnyk.

Die Abberufung von Andrij Melnyk als ukrainischem Botschafter in Deutschland war nun unausweichlich. Zuletzt hatte er den ukrainischen Nationalistenführer Bandera verteidigt, dessen Schergen im Zweiten Weltkrieg für ethnisch motivierte Vertreibungen und Tötungen polnischer und jüdischer Zivilisten verantwortlich waren.

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Diese Äußerungen waren der Tropfen, der auch für Kiew das Fass zum Überlaufen brachte. Kein anderes europäisches Land zeigt derzeit eine so große Solidarität mit der Ukraine wie Polen.

Melnyk sendete falsches Signal

Die Verteidigung des Nationalistenführers Bandera war international das völlig falsche Signal. Die Ukraine sucht und braucht dringend den Anschluss an den demokratischen Westen. Teil einer aufgeklärten Demokratie ist es, dass man sich den historischen Verfehlungen im eigenen Land stellt und sie nicht verbrämt. Als EU-Beitrittskandidat muss es für die Ukraine in einem Nachkriegs­szenario neben der Wiedererlangung ökonomischer Stabilität, dem Kampf gegen Korruption, der Sicherung von Presse- und Meinungsfreiheit auch dazugehören, den Nationalismus zu bekämpfen, der der Zugehörigkeit zu einer internationalen Gemeinschaft im Weg steht. Ein zweites Ungarn kann die EU nicht gebrauchen.

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In Deutschland ist Melnyk schon lange umstritten. Das war bereits der Fall, bevor Russland die Ukraine angegriffen hat. Der Diplomat, der es so gar nicht verstand, diplomatisch aufzutreten, wird Deutschland mit einer gemischten Bilanz verlassen. Seine Fehltritte sind bekannt. Um nur die Spitze des Eisbergs zu beschreiben: Er hatte behauptet, seine Landsleute hätten „keine Lust“ mehr, in Deutschland zu bleiben.

Vor dem Hintergrund, dass Hunderttausende Familien in Deutschland selbstlos ihre Haustüren für die aus dem Krieg Geflüchteten geöffnet hatten und vielfach bis heute bedingungslos helfen, war diese Aussage dazu geeignet, die Solidarität mit der Ukraine bröckeln zu lassen. Melnyk entschuldigte sich hinterher. Mit der Bezeichnung „beleidigte Leberwurst“ für den Kanzler schoss er ebenfalls völlig übers Ziel hinaus. Gleiches gilt für viele seiner martialischen Äußerungen in sozialen Netzwerken, die dem Wunsch des Westens entgegenliefen, die Ukraine zwar zu unterstützen, sich aber nicht aktiv an dem Krieg zu beteiligen.

Melnyk hat Öffentlichkeit wachgerüttelt

Melnyk wird auch fehlen. Er hat die deutsche Öffentlichkeit immer wieder wachgerüttelt und die tatsächlich notwendige deutsche Führungsrolle in Europa für den Kampf des Westens gegen den russischen Imperialismus angemahnt. Er war unbequem für die Bundesregierung. Jedes Zaudern bei den Waffenlieferungen und die Defizite beim Material der Bundeswehr zerrte er via Talkshows in die öffentliche Debatte. Er hat Deutschland in einem Ausmaß schwach, ängstlich und zaudernd dastehen lassen, das am Ende nicht mehr hilfreich für sein Anliegen war. Auch deshalb muss Melnyk gehen.

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Es ist bedauerlich, dass Melnyk mehr Porzellan zerschlagen hat, als er für seine Sache erreichen konnte. Die Ukraine wird in Europa und vor allem auch in Deutschland in den nächsten Monaten eine starke Stimme brauchen. Wenn Energiekrise und Inflation weiter anziehen, wird es für die Regierung schwieriger werden, in der Öffentlichkeit die Notwendigkeit der Sanktionen gegen Russland zu verteidigen. Schon jetzt versuchen beispielsweise die Rechtspopulisten von der AfD ihr Süppchen zu kochen auf der wachsenden Not der Bevölkerung, den Alltag zu finanzieren. Für den Kanzler wird es auch schwieriger werden, sein Versprechen einzuhalten, dass sich die Ukraine keinem russischen Diktatfrieden unterwerfen muss.

 

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