Menschenrechtler: Inhaftierter Kreml-Kritiker wird vermisst
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Andrej Piwowarow, Oppositionspolitiker und ehemaliger Leiter der kremlkritischen Organisation „Offenes Russland", steht während einer Gerichtsverhandlung hinter einer Glaswand (Archivbild).
© Quelle: -/AP/dpa
Tallinn. Der in Russland inhaftierte Kreml-Kritiker Andrej Piwowarow wird von Freunden und Angehörigen seit einem Monat vermisst.
Piwowarow, der im vergangenen Juli wegen seiner Aktivitäten für die Menschenrechtsgruppe Open Russia zu vier Jahren Haft verurteilt wurde, wurde nach Angaben seiner Lebensgefährtin Tatjana Usmanowa im Dezember von einem Haftzentrum in Südrussland verlegt. In den folgenden Wochen schrieb er gelegentlich Briefe aus verschiedenen Städten an Freunde und Angehörige. Wohin der 41-Jährige verlegt werden sollte, blieb unbekannt.
Sein letzter Brief sei am 18. Januar angekommen, sagte Usmanowa der Nachrichtenagentur AP. Darin habe er geschrieben, dass er in einem Gefängnis in St. Petersburg, seiner Heimatstadt, sei, und demnächst in eine Strafkolonie nach Karelien gebracht werden solle. „Danach - Stille“, sagte Usmanowa. Briefe und offizielle Anfragen bei Gefängnissein in Karelien und der Umgebung St. Petersburgs seien unbeantwortet geblieben. Piwowarows Verbleib sei unbekannt und sie sorge sich um ihn. „Wir wissen nicht, ob er am Leben ist; ob es ihm gut geht; ob er gefoltert oder anders misshandelt wird“, sagte Usmanowa. „Wir wissen nichts, und es ist extrem hart.“
Menschenrechtler fordern Freilassung
Amnesty International bezeichnete Piwowarows Situation als „Verschwindenlassen“. Russland-Direktorin Natalija Swjagina forderte die Behörden auf, Piwowaros Aufenthaltsort zu nennen und ihn freizulassen. Der Menschenrechtler verbüße „eine ungerechte Strafe wegen politisch motivierter Beschuldigungen für ein "Verbrechen", das es im internationalen Recht nicht gibt“, sagte sie in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung. Piwowarow waren „Aktivitäten für eine unerwünschte Organisation“ vorgeworfen worden.
Gefangenenverlegungen können im russischen Justizsystem Wochen dauern. Eine AP-Anfrage zu Piwowarows Verbleib bei der russischen Justizvollzugsbehörde blieb zunächst unbeantwortet. Er wurde im Mai 2021 vor dem Start eines Passagierflugzeugs nach Warschau in St. Petersburg verhaftet. Seine Organisation hatte sich wenige Tage zuvor aufgelöst, nachdem die Behörden sie als „unerwünschte Organisation“ eingestuft hatten.
„Die, die nicht gegangen sind, sind so wie ich hinter Gittern.“
In einem schriftlichen Interview mit der Nachrichtenagentur AP schrieb er im Dezember, bis zum Sommer 2022 sei das „politische Feld (in Russland) komplett gesäubert“ worden. „Die, die nicht gegangen sind, sind so wie ich hinter Gittern.“ In seinem Haftzentrum hätten sich 150 Häftlinge der privaten Wagner-Gruppe angeschlossen, um in der Ukraine zu kämpfen - in der Hoffnung, so einer langen Haft zu entgehen.
Über die Opposition in Russland sagte er: „Zurückblickend erkennt man, dass wir nicht alle Prioritäten richtig gesetzt haben. Sich auf Korruption, Autoritarismus, (Menschen-) Rechtsverletzungen konzentrierend haben wir den aufkommenden Militarismus übersehen.“
RND/AP