Strategisch wichtiges Ziel

Militärexperte Christian Mölling: Ukraine wird weiteren Angriff auf Krim-Brücke verüben

Kertsch: Ausgebrannte Waggons stehen auf einem beschädigten Teil der Krim-Brücke, die das russische Festland und die Halbinsel Krim über die Meerenge von Kertsch verbindet.

Kertsch: Ausgebrannte Waggons stehen auf einem beschädigten Teil der Krim-Brücke, die das russische Festland und die Halbinsel Krim über die Meerenge von Kertsch verbindet.

Mehr als eine Woche nach der Explosion der Kertsch-Brücke zwischen Russland und der Krim rollen nun auch wieder Lastwagen über die Verbindung. Die Fahrzeuge sollen allerdings vor der Überfahrt kontrolliert werden, wie der Vizeregierungschef Marat Chusnullin erklärte. Am 8. Oktober hatte eine Detonation die symbolisch bedeutende und strategisch wichtige Brücke erschüttert. Ein Teil der Fahrbahn stürzte ein, doch noch am selben Abend nahm Russland den Bahn- und Pkw-Verkehr wieder auf. Der Kreml warf dem ukrainischen Geheimdienst vor, einen Anschlag mit einer Lastwagenbombe verübt zu haben. Kiew bestätigte die Vorwürfe nicht.

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„Ich gehe davon aus, dass die Ukraine einen zweiten Versuch unternehmen wird, die Krim-Brücke zu zerstören“, sagt der Militärexperte Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Denn für Kiew ist die Brücke ein militärstrategisches Ziel. Mit Zügen und Lkw bringt Russland große Teile des Nachschubs zu den russischen Truppen auf die Krim und in die Südukraine.

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Schlangen von mehr als 1000 Lastwagen

„Die Krim-Brücke hat einen hohen logistischen Wert“, bestätigt auch Oberst Andreas Schreiber von der Führungsakademie der Bundeswehr. Der Großteil der Versorgung der russischen Streitkräfte im Süden werde mit der Bahn über die Krim-Brücke abgewickelt. Eine weitere Bahnlinie verläuft zwar auch über die von Russland annektierten Gebiete, liegt aber laut Schreiber „im Feuerbereich der ukrainischen Artillerie“.

Bereits die Teilzerstörung der Brücke hat Russland offenbar schwer getroffen. Die Ukraine ist demnach in der Lage, tief in von Russland besetztem Gebiet präzise Angriffe zu verüben. Selbst Ziele, die äußerst gut gesichert und von Russland stark verteidigt werden, sind vor der ukrainischen Rückeroberung nicht sicher. „Die Schäden an der Brücke verlangsamen weiterhin die Lieferungen von russischem Material und Personal in die Südukraine“, analysiert der US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW). Satellitenbilder zeigten zuletzt eine Schlange von mehr als 1000 Lastwagen auf der russischen Seite der Brücke, die tagelang darauf warteten, die Meerenge nun mit der Fähre statt über die Brücke zu überqueren. Wie aus den Satellitenbildern hervorgeht, sollen auch Militärlastwagen auf die Fähre angewiesen sein.

Russland antwortet mit Raketen

Auf 8000 bis 10.000 Tonnen schätzt Oberst Schreiber Russlands Verbrauch an Munition an einem einzelnen Tag entlang der gesamten Front. „Wenn man dann eine solche Linie abschneidet oder stark reduziert, macht sich das natürlich bemerkbar.“ Vor allem wenn man bedenkt, betont Schreiber, dass die ukrainischen Streitkräfte im südlichen Cherson immer wieder die russischen Munitionsdepots „aufklären und vernichten“.

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Die Explosion auf der Krim-Brücke war für den russischen Präsidenten Wladimir Putin gleichzeitig eine nationale Demütigung. Das Symbol der imperialen Wiedereingliederung der Krim an Russland, ein äußerst teures Prestigeprojekt, war vor den Augen der Welt explodiert. Es war Putins Herzensprojekt, er selbst steuerte zur Eröffnung des Bauwerks den ersten Lkw über die Brücke.

Teilweise Zerstörung der Krim-Brücke führt zu tagelangen Wartezeiten
 Russia. OCTOBER 9, 2022. Vehicles queue outside the port of Kavkaz in the Krasnodar Region to use a ferry service to Crimea across the Kerch Strait. Early on October 8, a truck exploded on a bridge linking Crimea to mainland Russia causing fuel tanks of a freight train to catch fire. Three people have died. Yelena Zadvornaya/TASS PUBLICATIONxINxGERxAUTxONLY 55260443

Bei Wartezeiten von bis zu fünf Tagen wird die Stimmung unter den Lkw-Fahrern immer gereizter.

Als Reaktion auf die Explosion an der Kertsch-Brücke hatte Moskau mit groß angelegten Raketenangriffen auf ukrainische Städte und zivile Infrastruktur begonnen. „Die Raketenangriffe sind Terrorangriffe auf die ukrainische Bevölkerung und zeugen von der puren Zerstörungswut der Russen nach dem Angriff auf die Krim-Brücke“, sagt DGAP-Experte Mölling dem RND. Einen militärischen Nutzen hatten die Angriffe nicht. Ihr einziger Zweck war Rache und Terror.

Mölling sieht die Russen heute aber vor einem neuen Dilemma: „Wenn sie den Angriff auf die Krim-Brücke als neue Offensive zur Rückeroberung der Krim interpretieren, müssen sie ihre Kräfte neu verteilen.“ Das stelle die russische Armee aber vor ein Problem, da sie immer weniger Kräfte zur Verfügung habe und die Truppen an anderen Fronten ausdünnen müsste.

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