Wie Gerhard Schröder und andere Sozialdemokraten Russland dienten
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Altbundeskanzler Gerhard Schroeder (rechts, SPD) und der russische Präsident Wladimir Putin bei einer gemeinsamen ICE-Fahrt von Hamburg nach Schleswig im Jahr 2004.
© Quelle: imago images/photothek
Berlin. Die SPD versucht langsam, die Kurve zu kriegen. Kanzler Olaf Scholz ruft im Bundestag die „Zeitenwende“ aus. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist in die ukrainische Hauptstadt Kiew. Der Parteivorsitzende Lars Klingbeil knüpft zarte Bande zu den Sozialdemokraten Osteuropas.
Dennoch hat die Partei schwer zu tragen an dem, was zwei Journalisten der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Reinhard Bingener und Markus Wehner, in ihrem neuen Buch „Die Moskau-Connection“ nennen – Untertitel: „Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit“ (von Russland). Beide stellten es am Montag in Berlin vor – unterstützt von der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).
Die Autoren machen zunächst klar, dass die Rücksichtnahme auf Russland deutlich weiter zurückreicht als die Kanzlerschaft Gerhard Schröders, die 1998 begann. So weisen sie darauf hin, dass führende SPD-Politiker bereits für die Verhängung des Kriegsrechts in Polen, die der Sicherung russischer Herrschaft diente, verständnisvolle Worte fanden. Das war 1981.
„Man hätte es früher wissen müssen“
Freilich verwandelte der eher antiamerikanische Altkanzler die Kooperation mit Moskau in regelrechte Kumpanei. Der Anteil russischer Gaslieferungen stieg; Gasspeicher wurden dem russischen Unternehmen Gazprom überlassen. Ja, Schröder sorgte dafür, dass die Kumpanei über seine Amtszeit hinaus fortexistierte – so jedenfalls die Sicht der Autoren. Als der Mann aus Hannover 2005 abtreten musste, bugsierte er seinen Vertrauten Frank-Walter Steinmeier in das Amt des Außenministers. Mit dabei in der Moskau-Connection war auch Sigmar Gabriel, vor allem als Bundeswirtschaftsminister. Sie rannten beim russischen Präsidenten und Schröder-Buddy Wladimir Putin offene Türen ein.
Weitere Namen fallen: darunter der des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil oder jener von Matthias Platzeck, der im vorigen Jahr aufgrund allzu naiver Russland-Verklärung als Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums zurücktrat. Zugleich betonen Bingener und Wehner, dass die von Willy Brandt und seinem Vertrauten Egon Bahr ersonnene Entspannungspolitik für viele Ältere in der SPD unverändert „ein Heiligtum“ und nicht aufgearbeitet sei.
Strack-Zimmermann teilt die grundlegenden Einschätzungen des „FAZ“-Duos. „Man hätte es nicht nur früher wissen können, man hätte es früher wissen müssen“, sagte sie mit Blick auf den aggressiven Charakter Putins und beklagte, dass die Diskussion unter anderem historisch völlig entgleite – beispielsweise wenn gegen Russland gerichtete deutsche Panzer heute in Verbindung gebracht würden mit gegen Russland gerichteten deutschen Panzern im Zweiten Weltkrieg.
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Strack-Zimmermann: Rolle von Angela Merkel unterbelichtet
Gleichwohl meldete die FDP-Frau auch Kritik an dem Buch an. Sie sieht die Rolle der Schröder-Nachfolgerin Angela Merkel unterbelichtet. Überdies zweifelt die Liberale an dem Glauben der Autoren, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zusätzliches Licht in die fatale Moskau-Connection bringen würde. Schließlich seien die Fakten im Wesentlichen bekannt. Derweil nimmt Strack-Zimmermann den Bundespräsidenten in Schutz. Steinmeier sei von seinen eigenen Irrtümern „sehr berührt“, sagte sie. Letzteres lässt sich von Schröder wahrlich nicht behaupten.
Konsens herrschte auf dem Podium in der Einschätzung, dass außenpolitische Naivität dramatische Folgen haben kann und die Geschichte der verfehlten deutschen Russland-Politik noch lange nicht auserzählt ist. Das einschlägige Geflecht, so die Diagnose, sei in Teilen bis heute wirksam.
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