Nach Bitte der Ukraine: Warum die Chance auf eine Sperrung des Bosporus gering ist
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16. Februar in Istanbul: Das Patrouillenschiff Dmitri Rogatschew der russischen Schwarzmeerflotte durchquert den Bosporus auf dem Weg zur russischen Flotte im Schwarzen Meer.
© Quelle: Emrah Gurel/AP/dpa
Athen. Anfang des Monats waren sechs russische Kriegsschiffe und ein U-Boot durch den Bosporus ins Schwarze Meer gefahren, um dort an einem Manöver vor der ukrainischen Küste teilzunehmen. Aus heutiger Sicht dürfte das ein Schritt zur Vorbereitung des russischen Angriffs auf die Ukraine gewesen sein.
Nun richtete der ukrainische Botschafter in Ankara eine eindringliche Bitte an die türkische Regierung: Sie solle den Bosporus und die Dardanellen für russische Kriegsschiffe sperren, forderte Vasyl Bodnar. Die Meerengen sind Passagen zwischen dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer.
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Die türkische Regierung reagierte auf die Bitte der Ukraine bisher hinhaltend. Man prüfe die Möglichkeiten, die sich aus der Konvention von Montreux ergeben, erklärte ein Sprecher der Regierungspartei in Ankara.
Der 1936 von der Türkei, Großbritannien, Frankreich, der Sowjetunion und sechs weiteren Staaten unterzeichnete Vertrag von Montreux gibt der Türkei die volle Souveränität über die Dardanellen und den Bosporus. Er garantiert Handelsschiffen die freie Durchfahrt der Meerengen.
Für Kriegsschiffe von Nichtanrainerstaaten gelten besondere Bestimmungen hinsichtlich Größe, Anzahl und der zeitlichen Dauer ihres Aufenthalts im Schwarzen Meer. Im Kriegsfall oder wenn ihr ein Angriff droht, kann sie die Passage von Kriegsschiffen nach eigenem Ermessen regeln, auch für solche von Anrainerstaaten wie Russland.
Manche Völkerrechtsexperten meinen, dass die Türkei nach den Bestimmungen des Vertrages von Montreux jetzt die Meerengen für russische Schiffe sperren könnte. Dass sie es tut, ist aber unwahrscheinlich. Erdogan verurteilte zwar den russischen Einmarsch und sicherte der Ukraine in ihrem Kampf für territoriale Integrität seine Unterstützung zu. Eine Sperrung der Meerengen würde jedoch einen Konflikt mit Moskau heraufbeschwören – und den möchte Erdogan nicht riskieren.
Er hofft immer noch, einen Bruch mit Russland zu vermeiden. Das klingt auch aus den Worten des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu durch. Er sagte am Freitag der Zeitung „Hürriyet“, die Türkei könne die Meerengen zwar unter bestimmten Voraussetzungen für Kriegsschiffe der beteiligten Konfliktparteien sperren.
Auch in diesem Fall hätten aber nach dem Vertrag von Montreux russische Kriegsschiffe das Recht auf Passage, um zu ihren Heimathäfen im Schwarzen Meer zurückzukehren. Russische Kriegsschiffe, die zur Schwarzmeerflotte gehören, dürften demnach aus dem Mittelmeer kommend die Meerengen durchfahren.
Praktisch ist die Debatte um eine Sperrung des Bosporus allerdings ohne große Bedeutung. Nach Einschätzung von Militärexperten hat Russland seinen Flottenaufmarsch im Schwarzen Meer bereits abgeschlossen und braucht keine zusätzlichen Einheiten aus dem Mittelmeer nach Norden zu verlegen.