Nach der Omikron-Welle: Amerika lässt die Masken fallen

Sitzt zwischen den Stühlen: Auch Demokraten drängen Präsident Joe Biden inzwischen zu einer Lockerung der Maskenvorschriften. Seine Berater aber warnen.

Sitzt zwischen den Stühlen: Auch Demokraten drängen Präsident Joe Biden inzwischen zu einer Lockerung der Maskenvorschriften. Seine Berater aber warnen.

Washington. Normalerweise ist die nicht öffentliche U-Bahn unter dem Washingtoner Kapitol ein Ort der ebenso geschäftigen wie gepflegten politischen Kultur. Abgeordnete und Senatoren eilen mit Papieren unterm Arm und dienstbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Schlepptau zu den Zügen, die selbstfahrend auf zwei Gleisen zu den Bürogebäuden der Parlamentarier gleiten.

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Anfang dieser Woche aber spielte sich an einer Wagentür eine unschöne Szene ab. Die demokratische Abgeordnete Joyce Beatty machte nach eigenen Angaben einen Kollegen höflich auf die geltende Maskenpflicht aufmerksam und bat ihn, einen Mund-Nasen-Schutz anzulegen. Das passte dem Republikaner Hal Rogers aus dem konservativen Kentucky gar nicht. „Leck mich am Arsch!“, beschimpfte der 84-Jährige seine afroamerikanische Kollegin.

Die Empörung war groß. Rogers musste sich entschuldigen. Doch der Vorgang illustriert, wie hitzig in den USA nicht nur über das Impfen, sondern auch über das Maskentragen gestritten wird. Lange verlief die ideologisch hochgerüstete Front klar zwischen den Republikanern, die den Virenschutz als Symbol für Unterdrückung und Unfreiheit verteufelten, und den Demokraten, die sich auf die Wissenschaft beriefen. Doch nun fallen die Corona-Infektionszahlen drastisch, der Druck aus der Bevölkerung wird größer, die Gouverneure geben nach – und plötzlich gibt es Differenzen auch im liberalen Lager.

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In New York City gilt weiter die Maskenpflicht

„Die Covid-Wolken verziehen sich“, jubelte Kathy Hochul, die demokratische Gouverneurin von New York, am Mittwoch: „Es wird Zeit, dass wir uns anpassen.“ Gemeinsam mit drei anderen Bundesstaaten hob New York die Maskenpflichten in Gebäuden auf. Fünf andere Bundesstaaten – darunter Kalifornien und Oregon – hatten schon ein paar Tage zuvor die Mund-Nasen-Schutz-Vorschrift für Geschäfte, Büros und teilweise auch Schulen aufgehoben.

Derweil warnt Rochelle Walensky, die Chefin der bundesstaatlichen Gesundheitsbehörde CDC vor übereilten Lockerungen: „So ermutigend die Trends sind – wir sind noch nicht am Ziel.“

Die jüngste Omikron-Welle ist ein paar Wochen früher als in Deutschland durch die USA gerauscht. Auf dem Höhepunkt Mitte Januar wurden mehr als eine Million Neuinfektionen am Tag gemeldet. Inzwischen ist diese Zahl landesweit auf 227.000 geschrumpft. Auch die Zahlen der Corona-Patientinnen und -Patienten in den Krankenhäusern sinken. Besonders deutlich ist der Rückgang im Nordosten. Waren in New York Anfang Januar noch fünfmal so viele Ansteckungen verzeichnet worden wie im vergangenen Winter, liegt die Quote inzwischen bei 40 Prozent. Bei geimpften Personen verläuft die Covid-Erkrankung meist relativ milde.

Vor diesem Hintergrund wächst der Druck für eine Lockerung der bisherigen Maskenregeln. In vielen republikanischen Bundesstaaten gab es solche Vorschriften nie. Texas und Florida haben sie mitten in der Pandemie sogar ausdrücklich verboten. Nun heben demokratische Gouverneure die Verpflichtung zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes in Gebäuden auf. Damit wollen sie vor allem die Rückkehr der Angestellten in die Büros befördern und das Einkaufen angenehmer machen.

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Auseinandersetzungen zwischen Lehrern und Eltern

Tatsächlich wird der ohnehin schon wilde Flickenteppich von Regularien jetzt noch undurchsichtiger. Während nämlich die Bundesstaaten New York und Kalifornien die Maskenpflicht aufheben, gilt sie in den Metropolen New York und Los Angeles sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln weiter.

Die Schulbezirke müssen nun vielerorts selbst entscheiden, ob sie Masken im Unterricht vorschreiben, was zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Lehrern und Eltern führt. Auch der Einzelhandel kann selbst festlegen, wie viel Schutz er seinen Kundinnen und Kunden bieten will. Die Supermarktkette Walmart erklärte, sie überprüfe ihre bisherige Vorschrift.

Die Expertinnen und Experten des Weißen Hauses verfolgen die Entwicklung mit sehr gemischten Gefühlen. Nach der offiziellen Empfehlung der CDC soll in Gebieten mit „hohen Ansteckungsraten“ ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Trotz sinkender Zahlen fallen noch 99 Prozent des Landes in diese Kategorie. „Die Zahlen sind weiter unvorhersehbar“, mahnt Anthony Fauci, der Corona-Berater von Präsident Joe Biden, zur Vorsicht und fordert Geduld: „Falls die Zahlen weiter sinken und keine neue Variante aufkommt, könnte sich das Land in eine Richtung entwickeln, die wir als neue Normalität bezeichnen würden.“

Noch aber ist für Fauci dieser Punkt nicht erreicht. So gelten auch die bundesstaatlichen Maskengebote für Flugzeuge und die Bahn weiter. „Wir wissen, dass die Menschen die Pandemie und das Maskentragen satthaben“, räumt Präsidenten-Sprecherin Jen Psaki ein. Doch im Weißen Haus erinnert man sich noch allzu gut an den Unabhängigkeitstag des vorigen Jahres, als der Präsident voreilig das Ende der Pandemie feierte. „Wir folgen nicht der Geschwindigkeit der Politik, sondern dem der Daten“, versichert Psaki daher tapfer.

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Doch der Druck auf Biden – auch aus den eigenen Reihen – wächst. Im Kapitol, kündigen demokratische Abgeordnete inzwischen an, werde wohl zu Beginn der Sitzungsperiode im März die Maskenpflicht fallen.

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