Scholz: „Verfolgen Debatte über Israels Justizreform mit großer Sorge“
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r.) und Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, geben im Bundeskanzleramt eine Pressekonferenz.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu kritisch zu den innenpolitischen Entwicklungen im Nahoststaat geäußert. „Als demokratische Wertepartner und enge Freunde Israels verfolgen wir diese Debatte sehr aufmerksam – und das will ich nicht verhehlen – mit großer Sorge“, sagte Scholz am Donnerstag mit Blick auf die umstrittene Justizreform in Israel.
„Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes demokratisches Gut, darin sind wir uns einig“, unterstrich der SPD-Politiker. „Unser Wunsch ist, dass unser Wertepartner Israel eine liberale Demokratie bleibt“, betonte Scholz. Er wünsche sich, dass über den jüngsten Kompromissvorschlag des israelischen Staatspräsidenten Izchak Herzog „das letzte Wort noch nicht gesprochen ist“, sagte der Bundeskanzler. Dieser hatte am Mittwochabend einen Kompromiss im Streit über die Justizreform vorgeschlagen, der nach seinen Worten gleichzeitig das Parlament und die Regierung stärken sowie eine unabhängige Justiz gewährleisten soll. Netanjahu hatte diesen vor seiner Abreise nach Berlin jedoch zurückgewiesen.
Netanjahus rechtsreligiöse Regierung will die kontroverse Reform bis Ende des Monats im Schnellverfahren durchsetzen. Ziel ist die gezielte Schwächung der unabhängigen Justiz. Kritiker sehen dadurch die Gewaltenteilung als Pfeiler der Demokratie in Gefahr. Seit mehr als zwei Monaten gibt es deshalb heftige Proteste.
Sorge über Nahost-Spannungen
Scholz zeigte sich auch bestürzt über die zunehmende Spannung zwischen Israel und Palästinensern. Er betonte, Deutschland setze weiter auf eine Zweistaatenlösung, die beide Parteien miteinander aushandeln müssten. Er rief dazu auf, „von einseitigen Handlungen Abstand zu nehmen“, die diesem zuwiderlaufen würden. Scholz stockte kurz und machte dann in Richtung Netanjahu deutlich: „Dazu gehört auch der Bau neuer Siedlungen.“ Gleichermaßen rief er die palästinensische Führung auf, ihrer Verantwortung eines „friedlichen und demokratischen Palästinas“ nachzukommen.
Hintergrund ist die von der israelischen Regierung forcierte Rückkehr israelischer Siedler in vier Siedlungen im nördlichen Westjordanland, die vor fast zwei Jahrzehnten geräumt worden waren. Das Parlament stimmte in der Nacht zu Dienstag in erster Lesung für eine entsprechende Gesetzesänderung.
Dass die Justiz geschwächt werde, wies Netanjahu als Behauptung zurück. „Israel ist eine liberale Demokratie, und wir werden eine liberale Demokratie bleiben“, betonte er. Eine unabhängige Justiz sei nicht eine allmächtige Justiz. „Wir werden alles Notwendige tun, um das Ungleichgewicht zu korrigieren.“ Nach seinen Worten solle dies durch die geplante Reform nicht geändert werden. „Wir werden keinen Zentimeter davon abweichen“, so der israelische Ministerpräsident.
Scholz: „Putin muss seinen Angriffskrieg beenden“
Eingangs seines Statements betonte Scholz die deutsch-israelische Beziehung. Diese sei „eng, vielfältig und vor allem einzigartig“. Dass Deutschland und Israel nach den Menschenrechtsverbrechen der Schoah heute Freunde, strategische Partner und Verbünde sind, sei „ein kostbares Geschenk“. Dies sei nicht selbstverständlich, er sei auch deshalb Israel „sehr dankbar“. Deutschland habe angesichts der Geschichte eine Verantwortung und „eine immerwährende Verpflichtung für die Zukunft“ gegenüber dem Land, zu der Deutschland stehe. Man setze sich dafür ein, jüdisches Leben in Deutschland zu stärken und zu fördern, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und sich aktiv gegen Antisemitismus zu stellen.
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Außenpolitisch zeigte sich Scholz besorgt über die Entwicklungen in Israels Nachbarstaat Iran. „Uns eint die Sorge darüber, dass Iran neue Schritte der Eskalation gegangen ist und eine sehr hohe Anreicherung von Uran betrieben hat“, sagte Scholz. Man sei sich einig, dass der Iran nicht in den Besitz von Atomwaffen gelangen dürfe. Kritik äußerte er auch an der Waffenunterstützung Russlands durch das Mullahregime. „Wir fordern Iran auf sein destruktives Treiben einzustellen.“ Dazu gehöre auch die Gewalt gegen das eigene Volk.
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Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine rief er Russlands Präsidenten einmal mehr zu Frieden auf. „Putin muss seinen Angriffskrieg beenden und Truppen aus der Ukraine zurückziehen“, so Scholz. „Deutschland, Europa und Israel stehen fest an der Seite der Ukraine.“
Netanjahu-Besuch von Protesten begleitet
Netanjahu ist bereits am Mittwochabend in Berlin gelandet. Vor dem gemeinsamen Statement mit dem Bundeskanzler am Donnerstag hatten die beiden Regierungschefs am Berliner Mahnmal Gleis 17 den Opfern des Holocausts gedacht. Zudem stand ein gemeinsames Mittagessen auf dem Plan. Später wird Netanjahu zu einem Besuch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue erwartet.
Der Besuch des israelischen Ministerpräsidenten in Berlin wurde von Protesten begleitet. Diese richteten sich unter anderem gegen eine von Netanjahus rechtsreligiöser Regierung geplanten Justizreform. Wird die Gesetzesänderung umgesetzt, könnte das israelische Parlament Beschlüsse des höchsten Gerichts aufheben. Kritikerinne und Kritiker sehen darin eine Gefahr für die Gewaltenteilung. In Israel formiert sich bereits seit Wochen lautstarker Protest von Bürgerinnen und Bürgern gegen das Vorhaben der Regierung.