Schwere Pandemiefolgen

Einblick in die Blackbox: Nordkoreas Wirtschaft geht es wohl noch schlechter

Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea und Generalsekretär der Arbeiterpartei (WPK).

Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea und Generalsekretär der Arbeiterpartei (WPK).

Seit der Pandemie ist Nordkoreas Wirtschaft mehr denn je eine riesige Blackbox: Das Regime in Pjöngjang hält seine wichtigsten ökonomischen Statistiken ohnehin unter Verschluss, und auch internationale NGOs sowie westliche Botschaften haben seit Covid allesamt das Land verlassen. Umso stärkere Bedeutung kommt seither der jährlichen Schätzung der südkoreanischen Zentralbank in Seoul zu, die am Mittwochmorgen ihre jüngsten Zahlen veröffentlichte. Die Indikatoren fielen mehr als deprimierend aus: Nordkoreas Bruttoinlandsprodukt ist demnach das zweite Jahr in Folge geschrumpft, wenn auch weniger langsam als noch 2020.

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Ein Rückblick: Im ersten Jahr der Pandemie erlitt das hermetisch abgeriegelte Land mit 4,5 Prozent den größten wirtschaftlichen Einbruch seit Ende der 90er-Jahre. 2021 schließlich konnte Nordkorea trotz niedriger Vergleichsbasis das Ruder nicht herumreißen, sondern rutschte um weitere 0,1 Prozent ab. Zumindest die Forst- und Landwirtschaft konnte sich dank der zuletzt vergleichsweise guten Wetterbedingungen etwas erholen. Alle anderen Branchen liegen weiter am Boden, insbesondere die Industrieproduktion sowie der Dienstleistungssektor.

China ist der einzig verbliebene Wirtschaftspartner

Die Misere hat vor allem mit der Corona-Pandemie zu tun, die zur vollständigen Abschottung der Landesgrenzen führte. Der Außenhandel beträgt derzeit lediglich magere 710 Millionen Dollar. Nach über zwei Jahren Isolation hatte Pjöngjang Anfang 2021 kurzzeitig den Frachtzugverkehr nach China geöffnet, dem einzig verbliebenen Wirtschaftspartner. Doch bereits im April wurde der Grenzübergang wieder geschlossen – offenbar aus Angst vor importierten Virusfällen.

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Die Paranoia ist nicht ganz unberechtigt, schließlich würde Corona in Nordkorea auf eine zu großen Teilen unterernährte, gesundheitlich vorbelastete und ungeimpfte Bevölkerung treffen, die nur in den großen Städten überhaupt Zugang zu medizinischer Versorgung hat. Erst Mitte Mai gaben die staatlichen Medien erstmals einen Covid-Ausbruch zu, wobei die offiziellen Angaben mehr als fragwürdig scheinen. Demnach hat es zwar insgesamt knapp 4,8 Millionen Erkrankte gegeben, doch nur ein paar wenige Todesfälle.

Wenn die wirtschaftliche Talfahrt weiter anhält, könnte sich im schlimmsten Fall eine humanitäre Tragödie wie zu den großen Hungersnöten der 90er-Jahre wiederholen. Damals sollen, ausgelöst durch den Niedergang der Sowjetunion, weit über eine Million Menschen an Mangelernährung und deren Folgen gestorben sein.

Schon jetzt befindet sich das nordkoreanische Bruttoinlandsprodukt deutlich unter dem Niveau von 2011, als Machthaber Kim Jong Un sein Amt antrat. In den ersten Jahren entpuppte sich der Jungdiktator noch als durchaus geschickter Wirtschafter, der mit zaghaften Marktreformen – etwa bei landwirtschaftlichen Betrieben – moderate Erfolge erzielen konnte. Der anhaltende Abwärtstrend begann jedoch nicht erst mit der Corona-Pandemie, sondern bereits im Jahr 2016 – just also, als das Regime wieder regelmäßig Raketentests durchführte und sein Atomprogramm vorantrieb.

Ist eine Wiedervereinigung möglich?

Die darauffolgenden Sanktionen der Vereinten Nationen haben sich seither derart verschärft, dass selbst Menschenrechts-NGOs vor deren humanitären Auswirkungen für die Landbevölkerung warnten. Kim Jong Un weiß natürlich, dass er mit seinem als Lebensversicherung angesehenen Nuklearprogramm kein nachhaltiges Wirtschaftswachstum erzielen wird. Dennoch hält er an seinem militärischen Kurs auf absehbare Zeit fest: Es wird erwartet, dass das Militär schon sehr bald die erste Atomwaffe seit 2017 testen wird.

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Eine Frau blickt in Südkorea durch den Stacheldrahtzaun auf die nördliche Seite.

Eine Frau blickt in Südkorea durch den Stacheldrahtzaun auf die nördliche Seite.

Dabei hat selbst die neue, konservative Regierung in Seoul weiterhin ihre Hand ausgestreckt. Südkoreas neuer Außenminister Park Jin signalisierte, dass man „gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft an einem kühnen Plan arbeitet, die nordkoreanische Wirtschaft und die Lebensqualität der Bevölkerung dramatisch zu verbessern“. Voraussetzung sei allerdings, dass Pjöngjang zuvor eine Abrüstung seines Atomprogramms anstrebt.

Gerade der Blick ins benachbarte Südkorea, das seit Ende des Korea-Kriegs von einer verminten Demarkationslinie abgeschirmt wird, ist mehr als ernüchternd: Nach knapp 70 Jahren Trennung beträgt das Jahreseinkommen eines durchschnittlichen Nordkoreaners nur mehr 3,5 Prozent verglichen mit dem wohlhabenden und demokratischen Süden.

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