Was Scholz und Habeck in Kanada erreichen wollen
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Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts) und Wirtschaftsminister Robert Habeck reisen gemeinsam nach Kanada.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa-POOL/dpa
Unterwegs zum Verbündeten: Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck sind gemeinsam mit einer großen Wirtschaftsdelegation nach Kanada aufgebrochen.
Erst am frühen Mittwochmorgen werden sie in Berlin zurückerwartet. Im Fokus der Reise, so heißt es aus Regierungskreisen, stünden die erneuerbaren Energien. Mit Kanada will die Bundesregierung ein Abkommen schließen, das Deutschland für die Zukunft grünen Wasserstoff als Energieträger liefert.
Mehr Hilfen für die Ukraine
Wie bei allen internationalen Regierungsbesuchen in diesen Wochen steht auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine im Mittelpunkt. Konkret wollen Scholz und sein kanadischer Amtskollege Justin Trudeau über mehr Hilfen für die Ukraine sprechen, „politisch, finanziell und militärisch“, heißt es aus Regierungskreisen. Zuletzt gab es viel Kritik in Kanada, dass die Turbine für die Pipeline Nord Stream 1 trotz der Sanktionen dort gewartet wurde. Geholfen hat es wenig.
Die Turbine liegt in Deutschland und bislang gibt es keine Ausfuhrgenehmigung. Mit der Turbine habe Putin die westlichen Partner spalten wollen. Das sei ihm nicht gelungen, so die Einschätzung im Kanzleramt. Ob und welche Hilfen Kanada und Deutschland zusätzlich für die Ukraine leisten können, ließ das Kanzleramt vor Beginn der Reise offen.
Scholz: Gasturbine kann jederzeit geliefert werden – indirekter Vorwurf an Russland
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russland indirekt vorgeworfen, Vorwände für die ausbleibenden Gaslieferungen zu nutzen.
© Quelle: dpa
Strom für elf Millionen Haushalte möglich
Scholz reist auch mit dem Druck, dass in der deutschen Öffentlichkeit die Bereitschaft sinkt, Opfer für den Krieg in der Ukraine zu bringen. Konkreter sind die Vorstellungen für eine gemeinsame klimafreundliche Energiepolitik. Der Plan: Die Kanadier wollen künftig mithilfe großer Windparks grünen Wasserstoff herstellen und tonnenweise nach Deutschland exportieren. Bis zu 25 Millionen Tonnen jährlich seien exportierbar, heißt es aus dem Kanzleramt. Damit könnte man rund elf Millionen Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen. Die Pläne klingen vielversprechend, werden aber im bevorstehenden Energiekrisenwinter noch nicht für Linderung sorgen können – auch noch nicht im nächsten Winter.
In der Bundesregierung herrscht Realismus: „Wir reden von Jahren, in denen das erfolgen kann“, heißt es. Technologie und Infrastruktur für den grünen Wasserstoff sind bislang nicht so weit, dass dieser auch nur annähernd in Menge und Preis die früheren russischen Gaslieferungen ersetzen könnte. Scholz und Habeck werden nicht nur in den Millionenmetropolen Toronto und Montreal Station machen, sondern auch in die 6000‑Seelen-Gemeinde Stephenville reisen.
In Neufundland gibt es übrigens auch reichlich Ölvorräte. Ob Deutschland möglicherweise auch von dort Öl kaufen will, darüber schweigt man sich in Regierungskreisen aus. Es heißt nur, „im Fokus“ stünden die Erneuerbaren.
Das Städtchen Stephenville liegt in Neufundland, Kanadas östlichstem Zipfel – von hier aus ist der Sprung über den Atlantik nach Europa vergleichsweise klein. Der Kanzler und sein Vize werden sich vor Ort davon überzeugen können, dass die Pläne für die Wasserstoffproduktion noch nicht sehr weit fortgeschritten sind. Möglicherweise treffen sie auch auf eine Gruppe lokaler Demonstranten, die sich gegen den Bau der riesigen Windparks wehren.
Scholz in Kanada: Demokratische Rohstoff-Alternative zu Russland
Deutschland und Kanada teilten gemeinsame Werte, sagte der Bundeskanzler zum Auftakt seines Besuchs beim G7-Partner.
© Quelle: Reuters
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Wolfgang Kubicki: „Wir sollten Nord Stream 2 jetzt schleunigst öffnen“
Müssen Menschen im Winter frieren? Drohen Teile der Industrie stillzustehen? FDP-Vize Wolfgang Kubicki fordert im Interview mit RND-Korrespondent Tobias Peter die Öffnung von Nord Stream 2, um mehr russisches Gas ins Land zu bekommen. Und das ist nicht die einzige fundamentale Änderung, auf die Kubicki jetzt dringt.
Ceta soll ratifiziert werden
Und dennoch freut man sich in Berlin auf die Reise. „Wir sind uns sehr nahe“, lautet die Einschätzung der deutsch-kanadischen Beziehungen im Kanzleramt. Kanada ist G7-Partner, mit dem man die gleichen Werte teilt. „Es wird ein intensiver Besuch bei Freunden“, hieß es aus Regierungskreisen. Diese Einordnung ist etwas Besonderes, da der Begriff der Freundschaft aus der internationalen Politik fast verschwunden ist.
Zu den gemeinsamen Werten gehört, dass es nicht nur um den eigenen Vorgarten – unsere Energieversorgung und unsere Versorgung mit seltenen Rohstoffen – geht. Vielmehr wollen Trudeau und Scholz auch über die globalen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine beraten – insbesondere die Nahrungsmittelnot. Und es wird um die Frage gehen, wie man künftig mit China umgehen will.
Gut für die Gäste aus Deutschland: Das bisher nur vorläufig geltende Handelsabkommen Ceta zwischen Kanada und der EU soll nun endlich ratifiziert werden. Das Bundeskabinett hatte einen entsprechenden Gesetzentwurf Anfang Juli beschlossen. Die Partner aus Kanada waren schon schwer genervt vom Hin und Her der Europäer. Die ständige europäische Uneinigkeit und die vielen Wünsche nach Nachbesserungen erweisen sich in dieser Frage als Luxus aus Zeiten vor dem Krieg.
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