Scholz wehrt sich: Warum der Kanzler brüllen muss
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Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag bei einer SPD-Veranstaltung in Falkensee.
© Quelle: IMAGO/photothek
Der Bundeskanzler kann sich beherrschen, zurücknehmen und die Ampelkoalition streiten lassen, ohne einzugreifen. Manchmal wirkt es unterkühlt, wie er auf Konflikte in seiner Regierung reagiert. Ruhig, sachlich und durchaus mit dem Habitus, dass er der Einzige ist, der die Dinge durchschaut und auch richten wird. Olaf Scholz kann aber auch eine kurze Zündschnur haben.
Dann wird er laut und beschimpft Demonstrierende. Das war im vorigen Jahr bei einer Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes so und jetzt am Wochenende bei einer SPD-Veranstaltung. In beiden Fällen ging es um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Und um Hass, der dem Kanzler und seiner Ampelregierung wegen der deutschen Waffenlieferungen an Kiew entgegenschlägt.
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Scholz musste in beiden Fällen schon deshalb selber ins Mikrofon brüllen, weil man sonst nur die „Kriegstreiber“- und „Lügner“-Verunglimpfungen aus dem Publikum gehört hätte, die ihm galten. Es ist gut, dass er das nicht hat geschehen lassen. Denn es ist richtig, dass es in diesem Fall nur einen Kriegstreiber, vielmehr Kriegsverbrecher, gibt, und der heißt Wladimir Putin.
„Wenn ihr Verstand in euren Hirnen hättet“
Und auch die Formel „Frieden schaffen ohne Waffen“ sollten sich die Russland-Freunde unter den Demonstrierenden sinnvollerweise vor der russischen Botschaft als Appell an Putin aus der Seele schreien, wenn sie es denn ernst damit meinten – Scholz rief, „wenn ihr irgendeinen Verstand in euren Hirnen hättet“. Das ist für einen Bundeskanzler allerdings eine Umdrehung zu viel, wenn man nicht zeigen will, dass man einen Teil der Bürgerinnen und Bürger für nicht mehr erreichbar hält.
Die Bundesregierung muss aufpassen, dass diese Gruppe nicht immer größer wird. Die AfD steigt in den Umfragen ganz ohne eigenes Zutun, in Ostdeutschland ist sie demnach schon stärkste Kraft. Und dort sind im nächsten Jahr drei Landtagswahlen.
Die lange angekündigte ukrainische Gegenoffensive könnte in Kürze beginnen, Präsident Wolodymyr Selenskyj sagt, sein Land sei bereit, die von russischen Besatzern eingenommenen Gebiete zu befreien. Männer, Frauen und Kinder in der Ukraine werden weiterhin einen hohen Blutzoll dafür zahlen, die eigene Existenz und die Sicherheit in Europa zu verteidigen.
Es ist zu hoffen, dass die Waffen der westlichen Staaten ausreichen, um Russland jetzt zurückzuschlagen und Friedensverhandlungen zu ermöglichen, bevor den Unterstützern in Europa die Luft ausgeht und bevor die USA in den Präsidentschaftswahlkampf ziehen. Nicht auszudenken, was passiert, falls Donald Trump wieder ans Ruder kommt, der sich nach eigenen Worten „großartig“ mit Putin verstanden hat. Auch in den USA gibt es viele Menschen, die lieber soziale Projekte im eigenen Land finanziert sehen würden als Waffen für die Ukraine, weit weg in Europa.
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„Das ist Mord!“: Scholz verteidigt Ukraine-Politik nach „Kriegstreiber“-Rufen
„Kriegstreiber“, „Hau ab!“, „Frieden schaffen ohne Waffen“, riefen sie ihm zu: Bei einem SPD-Europafest in Falkensee sah sich Olaf Scholz mit Störern konfrontiert. Der Kanzler ließ sich nicht niederbrüllen – und machte deutlich, was er von den Rufern hält.
Putin, der Mörder
Scholz hat in seiner öffentlichen Rage noch etwas anderes getan. Er ist so weit gegangen zu sagen, dass „Putin unglaublich viele Bürgerinnen und Bürger, Kinder und Alte in der Ukraine getötet hat“. Das sei „Mord“. Putin, der Mörder. Dazu zählt dann auch das zweijährige Mädchen, das nun bei einem Angriff auf einen Vorort von Dnipro getötet wurde.
Es wird sehr schwer werden, mit einem Mörder über Frieden zu verhandeln. Das wird erst möglich sein, wenn auch in seinem Land gesehen wird, dass er die eigenen, oft jungen Männer eiskalt in den Tod schickt, und er an Unterstützung verliert. Oder wenn er versteht, dass er gegen die Ukraine nicht gewinnen kann, weil der Westen sie nicht mehr fallen lassen wird. Erst wenn der Täter um seine eigene Zukunft fürchten muss, wird er den Rückzug antreten. Denn sterben möchte er nicht. Das sollen nur die anderen.