Olympiaattentat 1972 in München: Hinterbliebene sagen Teilnahme an Gedenkfeier ab
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Ein bewaffneter Polizeibeamter im Trainingsanzug sichert im Olympischen Dorf in München den Block, in dem Terroristen die israelischen Geiseln festhalten (Archivbild).
© Quelle: Horst Ossinger/dpa
Die Hinterbliebenen der Opfer des Attentats auf die israelische Olympiamannschaft 1972 werden nicht zur Gedenkfeier Anfang September nach München kommen. Wie die Sprecherin der Opferfamilien, Ankie Spitzer, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Abend bestätigte, haben sie in einem Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) erklärt, der Veranstaltung zum 50. Jahrestag des Anschlags fernzubleiben. Zuerst hatte die „New York Times“ über die Absage berichtet.
Grund für den Boykott der Opferfamilien ist die Enttäuschung über aus ihrer Sicht zu geringe Entschädigungszahlungen. Die elf Familien mit insgesamt 34 Angehörigen hatten zunächst 1972 insgesamt 1,5 Millionen Euro und 2002 nochmals 3 Millionen Euro erhalten, von denen nach ihrer Rechnung nach Abzug von Anwalts- und Gerichtskosten jeder Familie nur knapp 30.000 Euro geblieben waren.
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Streit über Entschädigung: „Es droht die größte anzunehmende Blamage“
50 Jahre nach den Olympischen Spielen von München droht ein Eklat zwischen Deutschland und Israel: Die Familien der Opfer des Attentats weisen ein neues Entschädigungsangebot der Bundesregierung zurück. Es könnte zum Boykott der Gedenkfeier am 5. September kommen.
In dem Brief, der dem RND vorliegt, üben die Hinterbliebenen in scharfem Ton massive Kritik an den deutschen Behörden. „Wir, die Familien der Opfer des Massakers bei den Olympischen Spielen 1972 in München, möchten Sie informieren, dass wir Ihre Einladung zu den Gedenkfeiern am 5. September 2022 ablehnen müssen.“ Es gebe, so heißt es in dem Brief weiter, eine „Grenze für jene eklatanten Lügen der deutschen Regierung, die wir ertragen können“.
Entgegen anderslautender Beteuerungen des Bundesinnenministeriums habe nie jemand mit den Familien oder ihren Anwälten über eine Entschädigung verhandelt. „50 Jahre des Missbrauchs, der Lügen, Demütigungen und Zurückweisung durch die deutsche Regierung und im Besonderen durch die bayerischen Behörden sind wirklich mehr als genug für uns.“ Man werde, so endet der Brief, „der deutschen und bayerischen Regierung nicht erlauben, Bettler aus uns zu machen“.
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Bei den Olympischen Spielen 1972 in München zeigt sich die israelische Mannschaft bei der Gedenkfeier nach dem Attentat auf israelische Sportler in tiefer Trauer.
© Quelle: IMAGO/Horstmüller
Millionenangebot der Bundesregierung wurde von Opferfamilien abgelehnt
Zuletzt hatte die Bundesregierung ein neues Angebot über insgesamt 10 Millionen Euro vorgelegt, über das die Familien jedoch „verärgert und enttäuscht“ seien, wie Spitzer sagte. Es geht ihnen dabei vor allem um die Kinder der Toten und ihre Absicherung: Über ihr Leben habe sich das Attentat „wie ein Schatten“ gelegt, sagte Spitzer. Bei der Geiselnahme der palästinensischen Terrororganisation Schwarzer September am 5. September 1972 und einem dilettantischen Befreiungsversuch der deutschen Polizei sind elf israelische Sportler sowie ein deutscher Polizist ums Leben gekommen.
In ihrem neuen Angebot hatte die Bundesregierung vor wenigen Wochen neben den 10 Millionen Euro auch eine umfassende historische Aufarbeitung sowie die Öffnung aller Archive angekündigt. Um beides hatten die Angehörigen lange Zeit vergeblich gekämpft. Kritischer Punkt der Verhandlungen aber blieb das Geld: Die Angehörigen verlangten pro Familie 10 Millionen Euro und beriefen sich dabei auf internationale Standards. Deutschland, so argumentierten sie, müsse das Geld auch nicht selbst zahlen, sondern solle auf eingefrorene libyische Konten zurückgreifen. Das Auswärtige Amt wiederum erklärte dies für juristisch nicht möglich. Außerdem sah sich die Bundesregierung vor der Schwierigkeit, dass sie die israelischen Angehörigen besser gestellt hätte als die Hinterbliebenen deutscher Opfer etwa nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz.
Die Absage der Opferfamilien und der Streit um die Entschädigung könnte nun auch zu einer Belastungsprobe für die deutsch-israelischen Beziehungen werden: Nach Angaben der Familien hat der israelische Präsident Jitzchak Herzob am Abend ihnen gegenüber bestätigt, die Gedenkfeier in München ebenfalls zu boykottieren und nicht, wie geplant, zu diesem Anlass nach Deutschland zu reisen.
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