Pflegebedürftige müssen immer mehr aus eigener Tasche zahlen

Eine Heimbewohnerin wird in einem Pflegeheim von einer Pflegerin begleitet.

Eine Heimbewohnerin wird in einem Pflegeheim von einer Pflegerin begleitet.

Berlin. Pflegebedürftige müssen für einen Heimplatz immer mehr aus der eigenen Tasche dazu zahlen. Innerhalb von nur elf Monaten stieg die Eigenbeteiligung im Bundesdurchschnitt um mehr als 110 Euro auf nunmehr fast 1930 Euro im Monat. Der Anstieg beträgt damit über sechs Prozent – mehr als viermal so viel wie der Zuwachs bei den Verbraucherpreisen. Das ergab eine aktuelle Auswertung der „Pflegedatenbank“ des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV), die die Informationen von mehr als 11.000 der etwa 13.000 Pflegeheime in Deutschland enthält. Sie liegt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor. Am stärksten stiegen die Eigenbeteiligungen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Hier kletterten die Beträge, die die Pflegebedürftigen selbst aufbringen müssen, um etwa zehn Prozent.

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Am tiefsten in die eigene Tasche greifen müssen derzeit die Pflegebedürftigen in Nordrhein-Westfalen. Hier lag der Eigenanteil zum 1. September dieses Jahres bei 2406 Euro. Am 1. Oktober 2018 waren es noch 2309 Euro. Es folgen das Saarland mit 2301 (2178) Euro sowie Baden-Württemberg mit 2250 (2116) Euro. Im Mittelfeld liegen unter anderem Berlin mit 1931 (1856) Euro, Hessen mit 1936 (1783) Euro oder Brandenburg mit 1646 (1526) Euro. Am preiswertesten sind Heimplätze derzeit in Mecklenburg-Vorpommern, wo 1346 (1238) Euro bezahlt werden müssen. Das sind rund 1000 Euro weniger als in Nordrhein-Westfalen.

Pflege ist nur „Teilkaskoversicherung“

Anders als früher zahlen die Pflegebedürftigen seit einer 2017 in Kraft getretenen Pflegereform für einen Heimplatz einen Eigenanteil, der unabhängig von der Schwere der Pflegebedürftigkeit ist. Es gibt also für alle Bewohner eines bestimmten Heimes eine identische Zuzahlung. Der Fachbegriff dafür lautet Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil (EEE). Er beträgt nunmehr im Schnitt 744 Euro.

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Durch den einheitlichen Betrag soll verhindert werden, dass Patienten in einer Pflegeeinrichtung schlechter gestellt werden, wenn ihr Pflegegrad steigt. Hinzu kommen die Kosten für Unterkunft (im Bundesschnitt nunmehr 443 Euro) und Verpflegung (301 Euro) sowie die gesondert in Rechnung gestellten Investitionskosten für Erhalt und Modernisierung der Einrichtung (440 Euro). Aus der Summe dieser vier Beträge ergibt sich der insgesamt von den Pflegebedürftigen zu zahlende Eigenanteil. Die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, die nur eine "Teilkaskoversicherung" ist, sind dabei schon abgezogen.

Den größten Anteil am Anstieg der Eigenanteile haben wachsende Personalkosten. Diese machen gut 80 Prozent der Aufwendungen in einem Pflegeheim aus. Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit steigen die Einkommen der Fachkräfte in der Altenpflege derzeit stärker als im Schnitt aller Branchen. Allerdings ist das Niveau sehr niedrig. Den größten Nachholbedarf bei den Löhnen gibt es insbesondere in den neuen Ländern, was das starke Wachstum der Eigenbeteiligung dort erklärt. Parallel dazu steigen vielerorts auch die Unterkunfts- und Verpflegungskosten.

Eigenanteile werden noch weiter steigen

Hinzu kommt, dass jedes Bundesland eigene Vorgaben dafür hat, wie viel Personal ein Heim haben muss. Auch damit sind die Unterschiede zwischen den Ländern zu erklären. Erwartet wird, dass die Kosten für die Pflegebedürftigen weiter steigen. So strebt die große Koalition an, dass künftig in der Altenpflege bundesweit Tariflöhne gezahlt werden. Dazu haben Union und SPD bereits die gesetzlichen Grundlagen geschaffen. Nach Schätzungen des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung könne das dazu führen, dass die Eigenanteile im Schnitt um bis zu 350 Euro im Monat auf dann fast 2300 Euro klettern.

PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther warb angesichts der Entwicklung für den Abschluss einer privaten Pflege-Zusatzversicherung. „Je früher man damit anfängt, desto günstiger ist es“, sagte er dem RND. Zudem gebe es bei vielen Zusatzversicherungen eine staatliche Förderung von bis zu 33 Prozent.

SPD, Grüne, Linkspartei, Gewerkschaften und Sozialverbände verlangen hingegen eine gesetzliche Deckelung der Eigenbeteiligung. Die Krankenkassen fordern einen Steuerzuschuss an die Pflegeversicherung, um den Eigenanteil zu begrenzen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte in der vergangenen Woche im Interview mit dem RND angekündigt, im ersten Halbjahr des kommenden Jahres einen Vorschlag für eine Finanzreform in der Pflegeversicherung vorzulegen. „Das Thema Eigenanteile im Pflegeheim ist ein Riesenthema“, sagte der CDU-Politiker. Es gehe um den richtigen Ausgleich zwischen der Verantwortung von Familien für die Pflege und deren Leistungsfähigkeit, sagte der Minister weiter. „Wir wollen die Familien nicht allein lassen“, so Spahn. Wichtig sei aber auch, die Belastung der Beitragszahler im Blick zu behalten. „Wir müssen das austarieren“, so Spahn. Derzeit beträgt der Satz für die Pflegeversicherung 3,05 Prozent. Kinderlose zahlen 3,3 Prozent.

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