Zur Not auch auf dem Rechtsweg

„Polen wird seine Ansprüche weiterverfolgen“: Vizeaußenminister bekräftigt Reparationsforderungen gegen Deutschland

Blick auf das zerstörte Warschau. Mit der Vorstellung eines Gutachtens über die Höhe der im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden will Polen Entschädigungsforderungen an Deutschland Nachdruck verleihen.

Blick auf das zerstörte Warschau. Mit der Vorstellung eines Gutachtens über die Höhe der im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden will Polen Entschädigungsforderungen an Deutschland Nachdruck verleihen.

Berlin. Polen wird seine Reparationsforderungen gegenüber der Bundesrepublik für im Zweiten Weltkrieg durch die deutsche Besatzung erlittenen Zerstörungen aufrechterhalten und wenn nötig auch auf rechtlichem Wege durchsetzen. Das bekräftigte der polnische Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sęk am Dienstag gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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„Da die Haftung Deutschlands unbestritten und nicht verjährt ist, wird Polen seine Ansprüche weiterverfolgen und auf einen angemessenen Rechtsweg hinwirken“, sagte Szynkowski vel Sek. „Obwohl Deutschland die Möglichkeit der Geltendmachung solcher Ansprüche in Frage stellt, werden wir Forderungen stellen, um die Angelegenheit zu regeln“, betonte der Außenpolitiker.

Polen beziffert Schäden auf 1,3 Billionen Euro

Am 83. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen in der vergangenen Woche hatte eine bereits 2017 vom polnischen Parlament eingesetzte Arbeitsgruppe einen über 500 Seiten umfassenden Bericht vorgelegt, der die durch Deutschland angerichteten Schäden auflistet und auf 1,3 Billionen Euro beziffert.

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Szynkowski Vel Sek kündigte an, dass Kopien des Berichts an über 700 Bundestagsabgeordnete, wichtige Ministerien und Behörden der Bundesrepublik verschickt werden. „Wir hoffen, dass die deutsche Regierung ein ernsthaftes Interesse an diesem Problem zeigt“, sagte der Vizeaußenminister. Eine Möglichkeit wäre der Abschluss eines entsprechenden bilateralen Abkommens nach dem Vorbild ähnlicher Verträge, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mit anderen Ländern geschlossen habe.

Deutschland beruft sich auf Potsdamer Abkommen von 1945

Im Potsdamer Abkommen von 1945 hatten sich die vier Siegermächte geeinigt, dass die Sowjetunion aus der sowjetischen Besatzungszone im Osten Deutschlands entschädigt wird und Polen davon einen Anteil zukommen lässt. Bis 1953 wurden nach Schätzungen etwa 3000 Betriebe demontiert und zusätzlich Güter aus laufender Produktion abtransportiert. Warschau argumentiert aber, dass Polen seinen Anteil durch Kohlelieferungen an die Sowjetunion habe ausgleichen müssen.

Die Einigungen innerhalb des Ostblocks fielen in die Regierungszeit des polnischen Kommunisten Bolesław Bierut (1892-1956), der von 1947 bis 1952 Staatspräsident der Volksrepublik Polen und von 1948 bis 1956 Generalsekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) war.

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„Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen.“

Szynkowski vel Sęk nannte es „peinlich für die deutsche Seite, sich auf die rechtlich fehlerhafte Erklärung der totalitären, stalinistischen Bierut-Regierung von 1953 zu berufen und zu behaupten, sie sei die Grundlage der geltenden europäischen Ordnung“. Das Fehlen anderer Argumente als die der außergesetzlichen Erklärungen des verbrecherischen kommunistischen Regimes zeige nachdrücklich, dass die Wiedergutmachungsverantwortung Deutschlands geltend bleibe.

„Wir haben nie auf Reparationen verzichtet, wir haben sie nie erhalten, und niemand hat Polen jemals für die durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Verluste entschädigt“, betonte der Außenpolitiker. „Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen. Wenn ein Land einem anderen enormen Schaden zufügt, muss es diesen Schaden nach der Kriegsniederlage wiedergutmachen.“

Wir haben nie auf Reparationen verzichtet, wir haben sie nie erhalten, und niemand hat Polen jemals für die durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Verluste entschädigt

Szymon Szynkowski vel Sęk, Vizeaußenminister Polen

Das Argument Zwei-plus-Vier-Vertrag lässt Polen nicht gelten

Auch das Argument der Bundesregierung, dass mit dem 1990 zwischen der BRD, der DDR und den Siegermächten USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich unterzeichneten Zwei-plus-Vier-Vertrag das Reparationsthema abgeschlossen sei, lässt die polnische Seite nicht gelten: „Der Vertrag behandelte die Fragen der Kriegsreparationen und der Wiedergutmachung in Bezug auf Deutschland überhaupt nicht“, sagte Szynkowski vel Sek. Das Dokument habe sich mit der Beendigung des Zweiten Weltkriegs befasst, Polen sei kein Unterzeichner dieses Vertrages gewesen.

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Mit Blick auf mögliche Belastungen des deutsch-polnischen Verhältnisses sagte Szynkowski vel Sek, gute Beziehungen baue man auf Wahrheit, nicht auf Schweigen, Halbwahrheiten und die Behauptung, es sei nichts geschehen. Polen habe im Zweiten Weltkrieg rund 5,2 Millionen Menschen verloren und erhebliche materielle Verluste erlitten.

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„Beziehungen auf ein solides Fundament stellen“

„Das sind Tatsachen, die in den deutsch-polnischen Beziehungen nie aufgearbeitet wurden“, sagte der Außenpolitiker. „Wir haben das Recht und die Pflicht, von Deutschland historische Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für unsere Verluste zu fordern. Wir wollen die Beziehungen neu definieren und sie auf ein solides Fundament der Wahrheit stellen.“

Auf die Frage, warum das Gutachten erst jetzt veröffentlicht wurde, obwohl die Kommission bereits 2017 eingesetzt worden war, sagte Szynkowski vel Sek, man habe so lange gebraucht, um alle Fakten zu dokumentieren und möglichst genaue Berechnungen anzustellen. Die Publikation bestehe aus drei umfangreichen Bänden, die die Arbeit des vom Parlament eingesetzten Teams und des im Dezember 2021 gegründeten Instituts für Kriegsverluste zusammenfassen.

Rund 30 Sachverständige, darunter Historiker, Wirtschaftswissenschaftler und Immobiliengutachter hätten an dem Bericht mitgewirkt. „Dank der Bemühungen aller beteiligten Personen und Institutionen ist der Bericht zuverlässig, glaubwürdig und hervorragend dokumentiert“, betonte der Vizeaußenminister.

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