Preise rauf, Popularitätswerte runter

Joe Biden.

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Liebe Leserinnen und Leser,

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wie gewinnt und wie verliert man Wahlen in den USA? Der geniale Campaigner Bill Clinton, der 1992 und 1996 glänzende Siege einfuhr, hinterließ Land und Leuten zu diesem Thema eine kurze, aber alles erschlagende Erklärung: „It‘s the economy, stupid.“

Es geht um die Wirtschaft, Dummkopf: Das muss sich jetzt auch Joe Biden sagen lassen – nach einer heillosen Talfahrt in den Umfragen seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr.

Willkommen zur neuen Ausgabe von „What‘s up, America?“.

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Ein Jahr lang hat sich Biden nun geplagt mit allen möglichen Themen. Er hat die Pandemie bekämpft, so gut es ging. Er hat im Kongress Kompromisse gemacht mit den Republikanern und auf Versöhnung gehofft. Er hat sogar, wie versprochen, den Einsatz in Afghanistan beendet. Doch ihm und seinen Popularitätswerten haben all diese gut gemeinten Bemühungen nicht geholfen.

Nur noch 42,3 Prozent der Befragten sind laut Umfragen alles in allem einverstanden mit der Politik Bidens. Nicht einverstanden mit Biden sind 53,4 Prozent. Diese Zahlen meldet die Demoskopieplattform FiveThirtyEight, die laufend alle Daten aus seriösen Umfragen übereinanderlegt.

Nur Trump verlor noch schneller Vertrauen

Biden und seinen Demokaten bleibt ein schwacher Trost: Donald Trump lag ein Jahr nach Amtsbeginn noch ein kleines Stück tiefer als Biden, bei nur 39,5 Prozent Zustimmung.

Bitter ist jedoch der langfristige historische Vergleich. Biden stürzte ein Jahr nach Amtsantritt auf einen schlechteren Zustimmungswert ab als alle seine Amtsvorgänger seit dem Zweiten Weltkrieg – von Barack Obama, der auf 49,8 Prozent gerutscht war, bis zurück zu Harry S. Truman (50,1 Prozent).

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Bei der Ursachenforschung hilft ein Blick ins Kleingedruckte der jüngsten Umfragen. Die Kombination zweier demoskopischer Trends brachte Biden ins Trudeln. Die Wähler beurteilen erstens Bidens Umgang mit Wirtschaftsthemen inzwischen sehr viel kritischer als seinen Umgang mit der Pandemie. Zugleich verschoben sich aber die Prioritäten: Ökonomisches rückte wieder auf Platz eins.

„Die Wirtschaft ist jetzt wieder das wichtigste Thema für alle, egal ob Männer oder Frauen, Alt oder Jung, Latinos oder Weiße“, meldete der Fernsehsender CNBC.

Unter den Wirtschaftsthemen wiederum ist es die auf 7 Prozent gestiegene Inflation, die den Amerikanern am meisten Sorgen macht. Weil sie sich nicht mehr ganz sicher sind über die künftige Kaufkraft der Dollars in ihrer Tasche, entziehen immer mehr Amerikaner dem Mann im Weißen Haus das Vertrauen.

Dass Aktienbesitzer eines der besten Börsenjahre aller Zeiten hinter sich haben, wird dem Präsidenten nicht gutgeschrieben. Ihm half auch nicht, dass die Arbeitslosigkeit im Jahresvergleich sank und die Löhne stiegen. Dagegen schadete ihm massiv, „dass er die Preiserhöhungen bei Gütern des täglichen Bedarfs nicht in den Griff bekommt“. 84 Prozent sagen, alles sei spürbar teurer geworden. Und nur 23 Prozent glauben, dass dieser Trend sich bald wieder beruhigt.

Mehr als die Fakten beeinflussen Befürchtungen und Erwartungen die Stimmung der Wähler. Was nun? Kann Biden vor den Zwischenwahlen im November dieses Jahres die Stimmung wieder drehen?

Und jetzt? So sein wie Truman?

Für den Rest der Welt, vor allem für Europa, wäre es das Beste, Biden ließe die Wirtschaft Wirtschaft sein und kümmerte sich vor allem um den Ukraine-Konflikt. Denn die Lage ist ernst.

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Frederick Kempe, Chef der transatlantischen Denkfabrik Atlantic Council, warnt vor einem Schaden, der eine ganze Generation prägen könne. Biden bleibe nichts anderes übrig, er müsse jetzt handeln wie einst Truman: „Die Krise in eine Chance verwandeln, Verbündete im Ausland sammeln, Spaltungen im Inland überwinden“.

Er war einer der bedeutendsten und bis heute am meisten geachteten Präsidenten – doch zum Ende seiner Amtszeit lag sein Zustimmungswert bei nur noch 22 Prozent: Harry S. Truman.

Er war einer der bedeutendsten und bis heute am meisten geachteten Präsidenten – doch zum Ende seiner Amtszeit lag sein Zustimmungswert bei nur noch 22 Prozent: Harry S. Truman.

Das hört sich super an. Tatsächlich gilt Truman heute aufgrund seiner damaligen Reaktion auf die sowjetische Herausforderung – einschließlich des Marshallplans von 1948, der Berliner Luftbrücke von 1948 bis 1949 und der Gründung der Nato im Jahr 1949 – als einer der größten Präsidenten Amerikas. So etwas wie „Containment“, die von Truman entwickelte Eindämmungsstrategie, ist auch heute wieder gefragt.

Betrachtet man Truman aber durch die Brille amerikanischer Innenpolitik, taugt er ganz und gar nicht zum Vorbild. Als Truman 1953 abtrat, tat er es unter Buhrufen. Seine Zustimmungsrate war, nicht zuletzt wegen einer Wirtschaftsflaute, zum Schluss seiner Amtszeit auf 22 Prozent gesunken.

 

<b>FACTS AND FIGURES: </b>Keine Maske? American Airlines dreht um

Amerikanische Fluglinien kennen kein Pardon, wenn Passagiere keine Maske tragen. Diese Erfahrung machte jetzt eine 40 Jahre alte Frau, die sich auf einem Flug mit American Airlines von Miami nach London den Vorschriften an Bord dauerhaft widersetzte. Nach einer Stunde Flug und Streit drehte der Kapitän um und landete die mit 129 Passagieren besetzte Boeing 777 wieder in Miami.

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In einer offiziellen Erklärung sprach American Airlines von einem „disruptiven Verhalten“, das man nicht weitere sieben Stunden habe dulden wollen. In Miami wurde die Frau im Beisein der Polizei von Bord eskortiert. „Wir danken unserer Crew für ihre Professionalität und entschuldigen uns bei unseren Kunden für die Unannehmlichkeiten“, erklärte American Airlines.

Rechtsexperten sagen, die strafrechtlichen Probleme für die Frau seien jetzt weniger gravierend als die zivilrechtlichen: Sie müsse mit ruinösen Schadensersatzforderungen rechnen.

Kreisverkehr über dem Atlantik: Route des von American Airlines abgebrochenen Fluges AA38 von Miami nach London.

Kreisverkehr über dem Atlantik: Route des von American Airlines abgebrochenen Fluges AA38 von Miami nach London.

Der Vorfall reiht sich ein in einen Trend zu immer mehr „unruly behavior“ – unangemessenem, widerspenstigem Verhalten – an Bord von Flugzeugen. Im vergangenen Jahr registrierte die für die Sicherheit des Luftverkehrs zuständige Behörde Federal Aviation Administration (FAA) die Rekordzahl von 5981 Fällen. 71 Prozent ergaben sich aus Streitigkeiten über die Umsetzung von Maskenvorschriften.

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Dass in manchen US-Bundesstaaten nur laxe oder gar keine Vorschriften zu Masken gelten, mag in Einzelfällen zu Missverständnissen und Meinungsverschiedenheiten über den Wolken beigetragen haben. Die Vorschriften für den Luftverkehr sind Bundesrecht und werden, wie das Beispiel zeigt, humorlos umgesetzt.

 

<b>POPPING UP:</b> Metaverse – was zieht man da an?

Was ziehe ich bloß an? Diese Überlegung ist, wenn sie sich auf reale Kleidung in der realen Welt bezieht, eine Sache von gestern.

In den USA zerbrechen sich jene, die immer ganz vorn dabei sein wollen, schon mal den Kopf über ihr Outfit im künftigen Metaverse. In der schönen neuen Welt, die derzeit unter Regie von Mark Zuckerberg und anderen entsteht, will man nicht durch Hässlichkeit anecken. Wie aber soll nun das digitale Alter Ego, wenn es dereinst durch virtuelle Welten schreitet, gekleidet sein?

Steve Jobs hat einst vorgemacht, wie man die Sache sogar im echten Leben ein für allemal abhaken kann: schwarzer Pullover mit halbem Rollkragen über der Jeans, dazu Sneakers – das Ganze jeden Tag, fertig. Dann muss man nie wieder nachdenken.

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Coole Sneakers müssen nicht real sein: Metaverse-Schuhmode von Nike.

Coole Sneakers müssen nicht real sein: Metaverse-Schuhmode von Nike.

Viele aber, Männer und Frauen, werden auch im Metaverse jeden Tag eine neue kleine Show abziehen wollen. Was dann? Woher bezieht man modische Ideen? Kehrt gar der Schlips zurück? Im März soll die erste Fashion Week fürs Metaverse laufen.

Skeptiker tippen sich an den Kopf. Doch David Chalmers, Philosophieprofessor und Buchautor („Reality plus“), sagt sogar einen großen Bedarf an Metaverse-Mode voraus. Man werde in der virtuellen Welt experimentieren und „verschiedene Persönlichkeiten ausprobieren“ wollen, entsprechend der aktuellen psychologischen Befindlichkeit, alles ohne die lästigen Beschränkungen des Realen.

Designer laufen sich schon warm. Mehr als 100 neue rein digitale Modemarken zählte die „New York Times“ dieser Tage in der virtuellen Boutique DressX. Und auch Konzerne, die bisher real Existierendes lieferten, rüsten nach. Nike zum Beispiel kaufte im Dezember schon mal einen kompletten Zulieferbetrieb ganz eigener Art: RTFKT Studios, einen, „führenden Hersteller von high-end metaverse fashion“. Auch Pixel sollen schließlich qualitativ hochwertig verarbeitet sein, gerade bei Markenschuhen.

 

<b>DEEP DIVE:</b> Ein Hauch von Kennedy in Berlin

US-Außenminister Antony Blinken hat bei der Atlantik-Brücke in Berlin eine Rede von historischem Format gehalten – die nur leider viel zu wenig beachtet wurde. Nie zuvor hat ein amerikanischer Politiker so eindrucksvoll dargelegt, dass es beim Thema Ukraine eben nicht nur um die Ukraine geht.

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Blinken unterstrich die Bindung aller Staaten an internationales Recht. „Zuzulassen, dass Russland ungestraft gegen diese Grundsätze verstößt, würde uns alle in eine viel gefährlichere und unbeständigere Zeit zurückversetzen, in der dieser Kontinent und diese Stadt in zwei Teile geteilt waren, getrennt durch ein Niemandsland, in dem Soldaten patrouillierten, eine Zeit, in der ständig die Gefahr eines totalen Krieges drohte. Es würde anderen weltweit auch die Botschaft vermitteln, diese Prinzipien seien entbehrlich, und auch das hätte katastrophale Folgen.“

Warnung vor einem Rückfall in gefährliche Zeiten: Antony Blinken am 20. Januar in Berlin.

Warnung vor einem Rückfall in gefährliche Zeiten: Antony Blinken am 20. Januar in Berlin.

Wer in die Rede Blinkens noch mal reinschauen will, findet hier Text und Video. Frei übersetzt lautet die Conclusio: Wenn Putin straflos durchkommt mit einer Invasion der Ukraine, geht bald die gesamte moderne Weltordnung aus dem Leim.

Diese Mahnung sollte allen zu denken geben, die derzeit das Thema kleinreden – nicht zuletzt jenen deutschen Politikern, die reflexhaft dem Ökonomischen immer und überall Priorität geben.

Rein ökonomisch betrachtet ergab auch die jahrzehntelange Verteidigung des freien Teils Berlins durch die USA keinen Sinn.

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Im Auftritt Blinkens liegt für die gegenwärtige Führung in Berlin, die sich weitgehend wegduckt, etwas Beschämendes. Auch wenn es kein US-Diplomat laut sagt, ist derzeit im deutsch-amerikanischen Verhältnis eine Missstimmung mit Händen zu greifen, die viel mit der Geschichte der vergangenen Jahrzehnte zu tun hat. In der Ära des Kalten Kriegs profitierten die Deutschen von einem an Prinzipien orientierten Denken der Amerikaner, heute ist ihnen jede Art von Grundsätzlichkeit unangenehm, weil es die Geschäfte stört.

 

<b>WAY OF LIFE: </b>Die hohe Kunst des Trinkgeldgebens

Wie viel Trinkgeld soll man geben? Für deutsche Touristen in den USA ist und bleibt dies ein fortwährender Quell der Verunsicherung. Die meisten Deutschen geben, wie eine langjährige Kellnerin in einem Washingtoner Bierkeller berichtet, zu wenig – „außer wenn sie betrunken sind“.

Doch auch die Amerikaner sind sich oft nicht ganz sicher. Bedeuten etwa die in der Pandemie eingeführten neuen „Servicegebühren“ in vielen Restaurants, dass man nun das Trinkgeld reduzieren darf? Und was gibt man dem Radfahrer vom Lieferdienst?

Die „Washington Post“ hat sich jetzt bemüht, eine Schneise durchs Dickicht zu schlagen, und hält online sogar einen interaktiven Test bereit. Es geht los mit der Frage, ob man heute wie zu allen Zeiten immer und überall etwas Bargeld dabeihaben sollte. Richtige Antwort: ja.

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Gibt man dem Fahrer eines Shuttlebusses zwischen Mietwagenstation und Flughafenterminal Trinkgeld? Ja, aber nur wenn er die Koffer auslädt. Hat er kein Gepäckstück berührt, wird kein Trinkgeld erwartet. „Tippt“ man den Mann, der am Hotel den Wagen wegfährt, um ihn anderswo zu parken? Antwort: Ja, auf jeden Fall, mindestens 3 Dollar. „Man will ihn auf seiner Seite haben.“

Trinkgeld im Flugzeug? Die „Washington Post“ hält das für ein Unding.

Trinkgeld im Flugzeug? Die „Washington Post“ hält das für ein Unding.

Bekommt der Flugbegleiter ein Trinkgeld, der einem über den Wolken freundlich einen Kaffee eingegossen hat? Die „Washington Post“ meint: Nein, denn die meisten Fluggesellschaften verzichteten offiziell auf Trinkgelder für die Bediensteten. Doch hier stößt der Leitfaden der Hauptstadtzeitung an Grenzen. Schon 2019 machte Frontier Airlines, ein Billigflieger aus Denver, mit der Aufforderung an die Fluggäste Schlagzeilen, den Flugbegleitern Trinkgelder zu geben – dann könnten die ihr Gehalt aufbessern.

Die Wahrheit ist: Das leidige Thema Trinkgeld in den USA bleibt offenbar ewig in Bewegung. Wahrscheinlich wird niemand es jemals vollständig durchdringen. Die sonst so sehr auf Klarheit und Wahrheit bedachte führende Nation des Westens leistet sich an dieser Stelle weiterhin eine orientalische Undurchsichtigkeit.

 

Der nächste USA-Newsletter erscheint am 8. Februar. Bis dahin: Stay cool – and stay sharp!

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Ihr Matthias Koch

 

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