Kommentar

Putins Nervenschlacht: sein Krieg, sein Gas, seine Trolle

Führt auch einen Nervenkrieg: Kremlherrscher Wladimir Putin.

Führt auch einen Nervenkrieg: Kremlherrscher Wladimir Putin.

Die Welt steht Kopf, und in der Europäischen Union läuft alles wie immer: Auf einen Energiesparplan, der das Adjektiv „gemeinsam“ verdient hätte, konnte man sich nicht einigen. Deshalb gibt es mal wieder viele Ausnahmen und wirklich verbindlich sind die Ziele zum Einsparen von Gas auch nicht. Es ist wie immer: Die EU weiß, was im Prinzip zu tun ist, formuliert wohlklingende Ziele und dann hapert es an der Umsetzung. Im Zweifel sind den Nationalstaaten eigene innenpolitische Bedürfnisse näher als die Notwendigkeit der Stärke der Europäischen Union nach außen.

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Man kann davon ausgehen, dass der Herrscher im Kreml mit Schadenfreude und Genugtuung auf die EU-Staaten schaut, die gerade Nerven zeigen. Entschlossene Solidarität gepaart mit der Bereitschaft und dem Mut, auch den eigenen Bevölkerungen die Aussicht auf Entbehrung zu vermitteln, wären die einzige Möglichkeit, Putin die Macht zu entziehen, mit seinen unzuverlässigen Gaslieferungen den Westen zu destabilisieren.

Deutschland ist anfällig für die Krisen, die der Krieg verursacht

Doch dafür ist es schon zu spät. Insbesondere die Gesellschaft in Deutschland ist anfällig für die Krisen, die der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verursacht. Rund um die Wartung der Pipeline Nordstream 1 saß die politische Führung im Prinzip wie das Kaninchen vor der Schlange mit der bangen Frage, ob sich der Gashahn nach dem 21. Juli wieder öffnen wird.

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Oft und klar genug haben die Politikerinnen und Politiker der Ampelregierung formuliert, dass Deutschland in den nächsten zwei Jahren noch nicht ohne russisches Gas auskommt. Und Putin hat diese innerdeutschen Debatten ganz offensichtlich als Signal der Schwäche verstanden. Jedenfalls schlägt er aus dieser Abhängigkeit für sich gerade größtmöglich Kapital: Er bleibt auch mit nur 20 Prozent Lieferungen als wichtiger Geschäftspartner im Spiel. Zugleich heizt er die Nervosität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an, indem niemand weiß, wie viel Gas uns Russland morgen oder übermorgen schickt.

Gazprom senkt Lieferung durch Nord Stream 1 auf 20 Prozent

Es hatte sich angekündigt: Russland drosselt die Gaslieferungen über Nord Stream 1 weiter. Dabei war die Pipeline gerade erst wieder in Betrieb gegangen.

Demokratiefeinde stehen bereit

Auch „Querdenker“ und „Querdenkerinnen“, Spaziergänger und ‑gängerinnen sowie andere Staatsfeinde haben Energiekrise und Inflation inzwischen als neues Betätigungsfeld für sich entdeckt. Man kann getrost davon ausgehen, dass bei der Stimmungsmache gegen die Demokratie erneut aus Russland gesteuerte Trolle aktiv werden.

Unsere Gesellschaft ist aus vielen Richtungen angreifbar. Der durch den Krieg in Gang gesetzte Wohlstandsverlust ist besonders gefährlich, weil er sozialen Sprengstoff in einem Ausmaß birgt, den die Mehrheit der Gesellschaft bislang nicht erlebt hat. Zugleich stehen genug Demokratiefeinde bereit, auf den existenziellen Sorgen der Menschen ihr politisches Süppchen zu kochen. Dem wird man nicht allein mit dem hohen Lied auf Demokratie und Freiheit begegnen können. Es wird immer wieder den Beweis brauchen, dass die demokratischen Kräfte handlungsfähig sind.

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Bislang waren die Krisenhilfen und Entlastungspakete zu wenig zielgenau auf die tatsächlich bedürftigen Personengruppen ausgerichtet. Sie waren bislang auch zu sehr von parteipolitischem Konkurrenzkampf geprägt. Einen Schulterschluss in der Gesellschaft wird die Regierung nur erreichen, wenn sie ihn selbst zeigt. Sorgen muss einem mit Blick auf Bahn- und Flugverkehr sowie die schleppende Digitalisierung auch bereiten, dass Deutschland in der Organisation des Staatswesens schwer ins Hintertreffen geraten ist. Wir haben also auch hausgemachte Probleme, die einem in dieser schweren Krise auf die Füße fallen. Mit dem Beheben der Missstände kann nicht gewartet werden, bis der Krieg zu Ende ist. Es steht zu befürchten, dass er noch lange dauert.

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