Russland greift Ukraine an: Das ist in der Nacht passiert
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Rauch und Flamme in der Nähe des Flusses Dnepr am 24. Februar 2022 in Kiew.
© Quelle: Mary Ostrovska/Mary Ostrovska/AP
Das russische Militär hat in der Nacht zu Donnerstag mit dem lange befürchteten Angriff auf die Ukraine begonnen. Damit setzte sich der russische Präsident Wladimir Putin über internationale Verurteilung des russischen Vorgehens und internationale Sanktionen hinweg.
Putin warnte andere Staaten davor, sich Russland in den Weg zu stellen. Das würde Konsequenzen nach sich ziehen, wie sie sie noch nicht erlebt hätten, sagte Putin am Donnerstag in einer Fernsehansprache. Der Einsatz sei nötig, um Zivilisten in der Ostukraine zu schützen, sagte er – eine falsche Behauptung, die die USA als Vorwand für eine Invasion vorausgeahnt hatten.
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Große Explosionen waren vor Sonnenaufgang in Kiew, Charkiw und Odessa zu hören. Die ukrainische Grenzschutzagentur erklärte, Russland habe von Belarus aus angegriffen. Ukrainische Grenzschützer erwiderten das Feuer, hieß es. Russische Truppen waren für Militärübungen zu dem russischen Bündnispartner Belarus entsandt worden.
Zudem meldete der ukrainische Grenzschutz, dass russische Soldaten unterdessen auf das Staatsgebiet der Ukraine vorgedrungen seien. Infolge russischer Luftangriffe sind ukrainischen Angaben zufolge außerdem mindestens sieben Soldaten getötet und 15 weitere verletzt worden. Zudem würden 19 Soldaten vermisst, teilte das Innenministerium in Kiew am Donnerstagmorgen mit. Eine Brücke über den Fluss Inhulez in der Südukraine sei zerstört worden.
Am Donnerstagmorgen teilte das russische Militär mit, es habe die ukrainischen Luftverteidigungsanlagen und Luftwaffenstützpunkte ausgeschaltet. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, die russischen Angriffe hätten die Mittel des ukrainischen Militärs zur Luftverteidigung unterdrückt. Die Infrastruktur der ukrainischen Militärstützpunkte sei „lahmgelegt“. Das Ministerium dementierte, dass ein russisches Kriegsflugzeug über der Ukraine abgeschossen worden sei. Das ukrainische Militär sprach unterdessen von fünf bei der Verteidigung des Landes abgeschossenen Flugzeugen.
Die Separatisten haben die Einnahme von zwei Kleinstädten gemeldet. Es handele sich dabei um Stanyzja Luhanska und um Schtschastja, teilten die Separatisten mit. Demnach sind Truppen über den Fluss Siwerskyj Donez vorgedrungen, der bisher die Frontlinie bildete. Die Behörden in Kiew bestätigten zugleich das Vordringen der prorussischen Kräfte auf das von ukrainischen Regierungstruppen kontrollierte Gebiet.
Die russische Armee sei zu den Orten Milowe und Horodyschtsche auf ukrainisches Gebiet vorgestoßen, teilte das Innenministerium in der Hauptstadt Kiew mit. Zudem seien Munitionslager im westukrainischen Gebiet Chmelnyzkyj und im südostukrainischen Gebiet Dnipropetrowsk mit Raketen angegriffen worden. In der westukrainischen Stadt Luzk sei ein Fernsehturm zerstört worden. Außerdem wurden den Angaben zufolge Kasernen der ukrainischen Streitkräfte im westukrainischen Gebiet Winnyzja und nahe der Hauptstadt Kiew angegriffen.
Cyberattacken begleiteten den Angriff auf die Ukraine. Die Internetseiten des ukrainischen Verteidigungsministeriums, des Außenministeriums und des Innenministeriums waren am Donnerstagmorgen nicht zu erreichen oder verzeichneten Probleme beim Laden von Inhalten. Vorangegangen war eine Reihe sogenannter DDoS-Attacken, bei denen Server überlastet werden. Zusätzlich zu den DDoS-Attacken am Mittwoch erklärten Cybersicherheitsexperten, nicht identifizierte Angreifer hätten Hunderte Computer mit Schadsoftware infiziert, einige davon in den Nachbarstaaten Lettland und Litauen.
Entsetzen und Bestürzung weltweit
US-Präsident Joe Biden verurteilte den „unprovozierten und ungerechtfertigten Angriff“ auf die Ukraine. Die Weltgemeinschaft werde Moskau dafür zur Rechenschaft ziehen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief den Kriegszustand aus. Selenskyj erklärte, Russland habe militärische Infrastruktur ins Visier genommen. An die Bürger des Landes appellierte er, zu Hause zu bleiben und nicht in Panik zu verfallen.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres bezeichnete den russischen Angriff auf die Ukraine als „traurigsten Moment“ seiner fünfjährigen Amtszeit. Eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu dem Konflikt hatte er am Mittwochabend mit einem Appell an Putin eröffnet: „Im Namen der Menschlichkeit, bringen Sie ihre Truppen zurück nach Russland.“ Doch noch während der Sitzung kündigte Putin die Militäroperation an.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg berief ein Treffen der Nato-Botschafter ein, um die Lage in der Ukraine zu erörtern, die an mehrere Mitgliedsstaaten grenzt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt und ein sofortiges Ende gefordert. „Frankreich verurteilt die Entscheidung Russlands, Krieg gegen die Ukraine zu führen, aufs Schärfste“, schrieb Macron am Donnerstagmorgen auf Twitter. Frankreich sei mit der Ukraine solidarisch und an deren Seite. Gemeinsam mit seinen Partnern und Verbündeten handle Frankreich, um ein Ende des Kriegs zu erreichen.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte: „Der russische Angriff auf die Ukraine ist ein eklatanter Bruch des Völkerrechts. Er ist durch nichts zu rechtfertigen. Deutschland verurteilt diesen rücksichtslosen Akt von Präsident Putin aufs Schärfste.“ Die Solidarität Deutschlands gelte der Ukraine und ihren Menschen. „Russland muss diese Militäraktion sofort einstellen“, forderte Scholz. Die Bundesregierung wolle sich nun im Rahmen der G7, der Nato und der EU eng absprechen. „Dies ist ein furchtbarer Tag für die Ukraine und ein dunkler Tag für Europa“, erklärte Scholz.
RND/AP/dpa