Bericht der Yale-Universität

Russland soll Tausende Kinder aus der Ukraine gewaltsam verschleppt haben

Ein Kind weint an einem Bahnsteig in der Ukraine (Symbolbild).

Ein Kind weint an einem Bahnsteig in der Ukraine (Symbolbild).

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Russland soll seit Beginn seines Kriegs gegen die Ukraine mindestens 6000 Kinder aus dem angegriffenen Land gewaltsam verschleppt haben. Das geht aus einem Bericht (PDF) des Humanitarian Research Lab der US-Eliteuniversität Yale hervor.

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Demnach habe die Forschungsgruppe Informationen über die Verschleppung von mindestens 6000 ukrainischen Kindern im Alter zwischen vier Monaten und 17 Jahren erhalten, die in Lagern in Russland festgehalten würden. Die ersten Verschleppungen hätten bereits im Februar 2022 – bereits Tage vor dem Kriegsbeginn am 24. Februar – stattgefunden, die aktuellsten Informationen stammten aus dem vergangenen Januar. Die Forscher weisen darauf hin, dass die Gesamtzahl der Kinder nicht bekannt und vermutlich „bedeutend höher“ sei. Im Dezember sprach die ukrainische Regierung bereits von 13.000 verschleppten Kindern.

London: Russland mit wohl größten Verlusten seit erster Kriegswoche
News Themen der Woche KW09 Russia Ukraine Military Operation 8129928 02.03.2022 Russian military hardware moves along a road near the border with Ukraine in Belgorod region, Russia. Mikhail Voskresenskiy / Sputnik Belgorod region Russia PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xMikhailxVoskresenskiyx

Russland verliert in der Ukraine nach britischen Angaben so viele Soldaten wie seit den Anfangstagen des Angriffskriegs nicht mehr.

Zudem gibt es eine Plattform der ukrainischen Regierung namens „Children of War“. Dort werden bereits über 16.000 verschleppte Kinder und Jugendliche gezählt. Auch andere humanitäre Organisationen bestätigen die Deportationen, nennen jedoch keine Zahlen.

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Mindestens 43 Lager zur „Umerziehung“ ukrainischer Kinder in Russland

Russland habe 43 Einrichtungen aufgebaut, in die die ukrainischen Kinder gebracht werden, schreiben die Forscher. 41 davon entstanden bereits vor Kriegsbeginn als Sommerlager für russische Kinder. Die große Mehrzahl der Lager befinde sich auf der völkerrechtswidrig besetzten Halbinsel Krim sowie rund um das Schwarze Meer – es gebe jedoch auch Einrichtungen in Sibirien und im weit von der Ukraine entfernten Osten Russlands. Auch hier liege die Zahl der Lager wohl „bedeutend höher“.

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Der Zweck der Lager sei den Forschern zufolge die „Umerziehung“ der ukrainischen Kinder. Die verschleppten Ukrainerinnen und Ukrainer würden in den Einrichtungen „einer auf Russland ausgerichteten akademischen, kulturellen, patriotischen und/oder militärischen Erziehung“ ausgesetzt, heißt es in dem Bericht. Besonders in Lagern in Tschetschenien und auf der Krim sei militärisches Training Teil der „Umerziehung“, schreiben die Yale-Forschenden. Den Kindern werde dort der Umgang mit Schusswaffen und anderer militärischer Ausrüstung sowie das Fahren von Lastwagen beigebracht. Russland hingegen bewerbe die Lager als „Integrationsprogramme“.

Die ukrainischen Eltern seien oftmals von den Russen gezwungen worden, Vollmachten zu unterschreiben, um ihre Kinder in die Lager zu schicken. Laut der Aussage mancher Eltern seien die Bedingungen, zu denen sie ihre Zustimmung gegeben hatten, verletzt worden. Dazu zählte etwa die Dauer des Aufenthalts sowie die Rückkehr ihrer Kinder. In anderen Fällen sei die Verweigerung der Eltern einfach ignoriert und die Kinder trotzdem verschleppt worden. Die Forschenden weisen darauf hin, dass „die Kriegsbedingungen und die implizite Bedrohung durch die Besatzungstruppen eine Zwangslage“ für die ukrainischen Eltern darstellten.

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Alle Ebenen der russischen Politik sind an der Verschleppung beteiligt

Russland benutze vor allem drei Vorwände, um die Verschleppungen durchzuführen: Waisenkinder und Jugendliche unter staatlicher Obhut würden demnach „evakuiert“. Bereits vor der russischen Invasion begründeten die Besatzungstruppen die Verschleppungen mit angeblichem Schutz vor den ukrainischen Truppen. Zweitens würden Kinder mit erster Zustimmung der Eltern in „Ferienlager“ gebracht. Und nicht zuletzt verschleppten die russischen Truppen laut des Berichts Kinder und Jugendliche unter dem Vorwand angeblicher medizinischer Versorgung.

Laut des Berichts werden die Verschleppungen von der russischen Regierung zentral koordiniert. Beteiligt seien aber alle Ebenen der russischen Politik. Mehrere Dutzend Offizielle der Regierung der russischen Föderation, aber auch regionale und lokale Politiker seien entweder direkt involviert oder arbeiteten daran, die Verschleppungen politisch zu rechtfertigen. Mindestens zwölf dieser Personen sind laut den Untersuchungen nicht mit US-Sanktionen belegt.

Russland weist Vorwürfe zurück

Russland wehrt sich gegen Vorwürfe, Tausende ukrainische Kinder verschleppt zu haben. „Russland hat Kinder aufgenommen, die gezwungen waren, mit ihren Familien vor dem Beschuss zu fliehen“, schreibt die russische Botschaft in den USA auf dem Messengerdienst Telegram. Das Land tue sein Bestes, „um Minderjährige in Familien zu belassen und in Fällen der Abwesenheit oder des Todes von Eltern und Verwandten die Waisen unter Vormundschaft zu stellen“.

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Die russische Botschaft behauptete, dass das „Kiewer Regime“ für den Tod und die Verletzungen von Kindern verantwortlich sei. Im vergangenen Jahr seien im von russischen Truppen besetzten Donbass 153 Kinder durch die „Handlungen“ Kiews und die vom Westen gelieferten Waffen getötet worden. 279 Kinder seien verletzt worden.

Die ukrainischen Streitkräfte würden etwa mit US-Mehrfachraketenwerfern vom Typ Himars Schläge gegen zivile Infrastruktur verüben, damit würden auch Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser getroffen, behauptete die Botschaft. Die Ukraine wirft russischen Truppen ebenfalls immer wieder Beschuss solcher zivilen Einrichtungen vor.

RND/sic/dpa

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