„Wall Street Journal“-Korrespondent

Spionagevorwurf: US-Journalist Gershkovich in Russland angeklagt

Evan Gershkovich, Korrespondent des „Wall Street Journal“, wird von Beamten vom Lefortovsky-Gericht zu einem Bus eskortiert.

Evan Gershkovich, Korrespondent des „Wall Street Journal“, wird von Beamten vom Lefortovsky-Gericht zu einem Bus eskortiert.

Moskau. Der vergangene Woche in Russland festgenommene US-Journalist Evan Gershkovich ist einem russischem Medienbericht zufolge wegen Spionage angeklagt worden. Der Reporter des „Wall Street Journals“ habe die Anschuldigungen zurückgewiesen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tass am Freitag unter Berufung auf Ermittlerkreise.

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In welcher Form die Anschuldigen gegen den Amerikaner vorgebracht wurden und ob er dafür vor Gericht erschien, wurde nicht mitgeteilt. Üblicherweise erhalten die Beschuldigten ein Schriftstück mit den gegen sie gerichteten Vorwürfen. Nach russischem Recht würde nach einem solchen Schritt das formale Untersuchungsverfahren durch den russischen Inlandsgeheimdienst FSB starten, ein potenziell langer und geheimer Vorgang.

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Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hatte am 30. März mitgeteilt, der US-Reporter sei in Jekaterinburg verhaftet worden. Er habe versucht, an geheime Informationen über eine russische Waffenfabrik zu kommen. Im Fall einer Verurteilung wegen Spionage drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft. Die Strafjustiz in Russland gilt als politisch gesteuert, die meisten Anklagen enden mit einem Schuldspruch.

Nach dem Bericht von Tass wird Gershkovich beschuldigt, im Auftrag seines Landes spioniert zu haben. Er habe aber betonte, er habe nur journalistisch in Russland gearbeitet. Er ist der erste US-Korrespondent seit dem Kalten Krieg, der in Russland unter Spionagevorwürfen festgenommen wurde. Beobachter vermuten, dass der Kreml ihn als Faustpfand nutzen will. Die inhaftierte US-Basketballerin Brittney Griner hatte Russland zuletzt gegen einen in den USA eingesperrten russischen Waffenhändler ausgetauscht.

Die US-Regierung forderte die sofortige Freilassung des Reporters. Am Freitag schlossen sich auch die Fraktionschefs der beiden Parteien im Senat, Chuck Schumer und Mitch McConnell, dieser Forderung in einer gemeinsamen Stellungnahme an. „Journalismus ist kein Verbrechen“, schrieben sie und würdigten Gershkovich als international bekannten und respektierten unabhängigen Journalisten.


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Laut Medienberichten hatte Gershkovich versucht, eine Reportage über die Einstellung der Bevölkerung zu den Anwerbeversuchen der Privatarmee Wagner, die im Krieg gegen die Ukraine im Einsatz ist, zu schreiben. „Das „Wall Street Journal“ ist tief besorgt um die Sicherheit von Mister Gershkovich“, kommentierte die Zeitung die Festnahme.

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Kreml: „Auf frischer Tat ertappt“

Der Kreml hielt die Vorwürfe schon kurz nach Bekanntwerden der Festnahme für berechtigt. „Soweit uns bekannt ist, wurde er auf frischer Tat ertappt“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag im staatlichen Rundfunk. Das Gebiet Swerdlowsk um Jekaterinburg gilt als eine der Hochburgen der russischen Rüstungsindustrie. Er hoffe nicht, dass es nun Repressionen gegen russische Journalisten in den USA gebe, sagte Peskow auf Nachfrage.

„Das dürfte zumindest nicht sein, weil es in dem Fall (der Festnahme von Gershkovich) - ich wiederhole es - nicht um einen Verdacht geht, sondern darum, dass er auf frischer Tat ertappt wurde“, sagte der Kremlsprecher. Zuletzt hatten auch deutsche Journalisten bei Besuchen in Jekaterinburg über Verfolgung und Bedrohungen geklagt.

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Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, nahm den Fall zum Anlass, westlichen Korrespondenten allgemein vorzuwerfen, unter dem Deckmantel des Journalismus gegen Russland zu spionieren. Sacharowa sagte, womit sich Gershkovich in Jekaterinburg befasst habe, habe nichts mit Journalismus zu tun.

„Leider ist dies nicht der erste Fall, wo der Status eines ausländischen Korrespondenten, das Journalistenvisum und die Akkreditierung von Ausländern in unserem Land zur Verschleierung einer Tätigkeit genutzt werden, die kein Journalismus ist“, behauptete sie auf ihrem Telegram-Kanal.

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Sacharowa beklagt auch immer wieder, dass russische Journalisten im Westen, darunter in Deutschland, Repressionen ausgesetzt seien. Erst in der vergangenen Woche warnte sie öffentlich vor Schritten gegen deutsche Korrespondenten in Moskau, sollte die Bundesregierung Druck gegen Russen ausüben. Für deutsche Medien arbeiten auch nach dem Rauswurf der Deutschen Welle aus Russland noch etwa zwei Dutzend Korrespondenten.

„Wall Street Journal“ fordert Freilassung

Das „Wall Street Journal“ hat derweil alle Vorwürfe gegen seinen Reporter dementiert und dessen Freilassung gefordert. „Wir sind solidarisch mit Evan und seiner Familie“, teilte die Zeitung mit. Die Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ nannte die Festnahme des 1991 geborenen Reporters „besorgniserregend“. „Journalisten dürfen nicht zur Zielscheibe werden“, forderte die Organisation. 2022 hat die russische Führung im Zuge ihres Angriffskriegs gegen die Ukraine die Meinungs- und Pressefreiheit im Land noch einmal deutlich eingeschränkt.

Gershkovich war beim russischen Außenministerium akkreditiert

Er ist der erste Reporter eines US-Medienunternehmens seit dem Kalten Krieg, der in Russland unter Spionagevorwürfen festgenommen wurde. Gershkovich berichtet aus dem Moskauer Büro des „Wall Street Journals“ als Korrespondent über Russland und die Ukraine. Der FSB erklärte, er habe für seine Arbeit als Journalist eine Akkreditierung des russischen Außenministeriums. Sein jüngster Bericht aus Moskau erschien in dieser Woche. Er handelte vom russischen Wirtschaftsabschwung inmitten der Sanktionen, die wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine vom Westen verhängt wurden.

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Medien hatten zuvor berichtet, der Reporter sei verschwunden. Er hatte demnach versucht, eine Reportage über die Einstellung der Bevölkerung zu den Anwerbeversuchen der Privatarmee Wagner zu schreiben. US-Amerikaner werden immer wieder in Russland wegen Spionage verdächtigt. Das dürfte der erste Fall eines Journalisten sein, der offiziell beim russischen Außenministerium akkreditiert ist. Russland hatte zuletzt im Zuge des Ukraine-Kriegs die Gangart gegen westliche Journalisten verschärft.

Russische Opposition: „Geiselnahme“

Die russische Opposition sprach von einer „Geiselnahme“. „Putin ist bereit, jede Methode anzuwenden, um Druck auf den Westen auszuüben“, teilte das Team des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny mit. Kremlchef Wladimir Putin hatte in der Vergangenheit immer wieder inhaftierte russische Kriminelle in den USA durch einen Austausch mit in Moskau verurteilten Amerikanern freibekommen.

Zuletzt wurde im September 1986 Nicholas Daniloff, ein Moskauer Korrespondent für das Nachrichtenmagazin „U.S. News and World Report“, vom damaligen sowjetischen Geheimdienst KGB festgenommen. Er wurde 20 Tage später im Austausch gegen einen Beschäftigten der sowjetischen UN-Mission freigelassen, der von der US-Bundespolizei FBI festgenommen worden war.

Im Dezember wurde die US-Basketball-Spielerin Brittney Griner nach zehn Monaten in russischer Haft gegen den russischen Waffenhändler Viktor But ausgetauscht, der 2011 in den USA wegen Terrorismus schuldig gesprochen worden war. Ein weiterer US-Bürger, Paul Whelan, wird seit Ende 2018 von Russland unter Spionagevorwürfen festgehalten. Seine Familie und die US-Regierung haben erklärt, die Vorwürfe seien haltlos.

WNBA-Star Brittney Griner bei einem Gerichtstermin (Archivbild).

WNBA-Star Brittney Griner bei einem Gerichtstermin (Archivbild).

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Im Februar hatte der russische Präsident Wladimir Putin den Inlandsgeheimdienst FSB zu einer intensiveren Spionageabwehr gegen westliche Geheimdienste aufgefordert. Diese hätten ihre Arbeit gegen Russland ausgebaut, deshalb müsse die Gegenaufklärung ebenfalls verstärkt werden, sagte er bei einer Rede vor den FSB-Offizieren.

Putin warf den westlichen Dienste in der Ansprache vor, zusätzliches Personal, technische und andere Ressourcen einzusetzen, um gegen Russland vorzugehen. Weiter behauptete er, die Geheimdienstler versuchten nicht nur, Terroristen- und Extremistenzellen zu aktivieren. Sie hätten es vor allem auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse abgesehen und wollten etwa Russlands neue Waffen und Technik ausspähen.

RND/ag/AP/dpa

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