Hoffnung in der Ödnis: die Scholz-Mission in Afrika
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht auf einem Wachturm der EUTM Mali Joint Special Operations Task Force „Gazelle“ der Bundeswehr am Stützpunkt in Tillia in Niger in Afrika.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Niamey. Der Bundeskanzler und seine Delegation werden vorgewarnt. Heiß ist es in Tillia. Sehr heiß. Für seinen Besuch im Camp des deutschen Kontingents – eine Flugstunde mit einer Militärmaschine von Nigers Hauptstadt Niamey entfernt – wird Kopfbedeckung empfohlen, Wasser und Sonnenschutzcreme. Es herrschen Temperaturen um die 50, manchmal sogar bis zu 60 Grad. Aber als Olaf Scholz in dem von Dürre und Ernährungskrisen geplagten Niger eintrifft, passiert etwas Ungewöhnliches: Es regnet.
Für afrikanische Verhältnisse kann sein erster Auslandsbesuch bei der Truppe am Montag deshalb bei frischen 37 Grad beginnen. Der Bundeskanzler muss seine Glatze nicht mit einem Cappy bedecken. Es reicht luftige Kleidung: helle Hose, T-Shirt. Scholz will sich genauer anschauen, was das bedeutet: Die Bundeswehr hat ihre Kampfschwimmer in die Wüste geschickt.
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23.05.2022, Niger, Tillia: Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD), kommt zum Besuch der EUTM Mali Joint Special Operations Task Force GAZELLE der Bundeswehr am Stützpunkt in Tillia. Scholz besucht während seiner Afrikareise in Niger Bundeswehrsoldaten, die dort zur Ausbildung der Nigerianischen Soldaten stationiert sind. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Seit 2018 läuft hier die Mission EUTM Mali Joint Special Operations Task Force „Gazelle“. Damals war das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) im Afghanistaneinsatz gebunden, also sprang die Marine ein. Sie sind Spezialkräfte – ob im Wasser oder Sand. Eine „Handvoll“ von ihnen ist in Tillia unter den insgesamt 190 Soldaten, darunter etwa zwölf Frauen.
Niger ist ein bitterarmes Land. Es braucht Hilfe, um das hohe Bevölkerungswachstum in den Griff zu bekommen. Und den Terror von IS-Kämpfern. Um sie aus dem Land zu vertreiben, bildet die Bundeswehr in Tillia nigrische Soldaten zu Spezialkräften aus.
Die Leitung der Operation ist stolz auf das Ergebnis. Es habe seit Längerem kaum noch Vorfälle gegeben. „Auch IS-Kämpfer wollen sich mit diesem Bataillon nicht anlegen. Die wissen, was die Nigrer jetzt können“, sagt Major L. 80 Kilometer weiter, an der Grenze zu Mali, sei die Lage viel schlechter. Im vorigen Jahr gab es einen IS-Angriff auf Tuareg-Siedlungen nahe der Grenze, bei dem 137 Kinder, Frauen und Männer getötet wurden.
500 Landessoldaten haben sie bislang ausgebildet, die dann ihre Spezialkräfte selbst ausbilden sollen, sagt der Major. Die Moral sei hoch, die Männer verdienten verhältnismäßig gut. Anders war es in Afghanistan, wo auch Soldaten ausgebildet, aber schlecht bezahlt wurden. Die Taliban hatten ein leichtes Spiel, von den Deutschen gut ausgebildete Kräfte zu übernehmen.
Besuch der demokratischen Staaten
Scholz will mit seiner Afrika-Reise die demokratisch verfassten Länder unterstützen. Senegal am Sonntag, Niger am Montag und Südafrika am Dienstag. „Für mich ist es wichtig, dass wir unsere Verantwortung als guter Partner in Afrika zeigen. Das ist hier natürlich deshalb besonders, weil es sich um ein demokratisches Land handelt“, sagt er in Tillia. Sein Erstkontakt mit Einsatzsoldaten wirkt gelöst.
Deutschland plant Gaskooperation mit Senegal
Deutschland will mit dem Senegal zusammenarbeiten – und zwar bei der Erschließung eines Gasfelds vor der westafrikanischen Küste.
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Es spricht auch über Russlands Krieg gegen die Ukraine, der zugleich ein Kampf gegen Freiheit und Demokratie ist. Afrikanische Staaten haben riesige eigene Probleme und möchten nicht auch noch in einen Krieg in Europa hineingezogen werden. Die Zerstörung der ukrainischen Landwirtschaft führt schon zu hohen Preisen in Afrika und noch mehr Hunger. Scholz will aber, dass sie erfahren, welch ein Aggressor Wladimir Putin ist.
Scholz zollt den Bundeswehrsoldaten Respekt für den „außerordentlichen“ Einsatz unter schwierigen Bedingungen. Dazu gehört auch die Ödnis. Roter Sand so weit das Auge reicht. Ansonsten nicht viel mehr. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) war kürzlich auch da. Man wisse um die Schlagzeilen über sie, dass sie mit dem Amt fremdele und sich nicht richtig eingearbeitet habe, sagt ein Soldat. Aber: „Wir hatten einen guten Eindruck von ihr. Sie war interessiert und sehr informiert.“
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Nigers Präsident Mohamed Bazoum bittet nach dem Gespräch mit Scholz um Hilfe: Die Mission „Gazelle“ läuft Ende des Jahres aus, er hoffe auf eine Anschlussmission. Und: Wir haben die Demografie nicht unter Kontrolle.“ Deutschland möge helfen beim Aufbau von Mädchenschulen, damit sie Chancen auf Bildung haben und „nicht zu früh verheiratet werden“, sagt Bazoum. Scholz versichert : „Wir wollen gerne mit Ihnen eng zusammenarbeiten.“
Der Stammesführer aus Tillia hat ein Gastgeschenk ins Camp gebracht. Bunt bemalte Holzpfeiler und eine Flechtmatte: ein Bett. Was das zu bedeuten hat, bleibt unklar. Scholz nimmt es mit ins Flugzeug. An Schlaf ist angesichts der internationalen Problemlage allerdings nicht zu denken.